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Wirtschaftsumfeld | Israel | SWOT-Analyse

Fragile Lage dämpft Erwartungen

Der Gaza-Krieg bremst die Konjunktur in Israel aus. Die Verwundbarkeit des Investitionsstandorts bleibt auch längerfristig eine große Herausforderung.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Auf den ersten Blick hat der Gaza-Krieg bislang die israelische Wirtschaft nicht schwer beeinträchtigt. Im 4. Quartal 2023 brach die Konjunktur zwar kriegsbedingt ein, jedoch wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Gesamtjahr um 2 Prozent. Das gleiche Wachstum prognostiziert die Zentralbank für 2024. Für 2025 sieht sie sogar gute Chancen für eine kräftige Erholung.

Verwundbarer Investitionsstandort

Der Krieg offenbart allerdings auch Israels tiefe Verwundbarkeit. Diese trübt auch die ökonomischen Perspektiven des Landes. Nicht zuletzt erschüttert der Krieg die Grundannahme, der Staat Israel könne seine Bürger und sein Territorium vor militärischen Angriffen schützen. Der Überfall der Hamas auf israelische Ortschaften in der Nähe des Gazastreifens am 7. Oktober 2023 forderte auf israelischer Seite 1.200 Tote, zumeist Zivilisten. Rund 250 Israelis wurden nach Gaza entführt.

Der anschließende Krieg in Gaza konnte die postulierten Ziele der israelischen Regierung nicht erreichen. Der israelischen Armee gelang es weder, die Hamas "völlig zu zerschlagen", wie es das Kabinett gefordert hatte, noch die israelischen Geiseln zu befreien.  

Im Norden des Landes erzwang der Beschuss der libanesischen Hisbollah bereits in den ersten Kriegstagen die Evakuierung zehntausender israelischer Zivilisten. Seitdem sind die Evakuierten Binnenflüchtlinge. Zudem droht im Libanon ein großangelegter Krieg. Darüber hinaus zeigte sich, dass Israels Armee nicht genügend Soldaten verfügt. Ohne Waffenlieferungen der USA wäre sie zudem nur begrenzt kampffähig.

Gefährlicher Vertrauensverlust

Die unsichere Lage schmälert das Vertrauen von Investoren in den Wirtschaftsstandort Israel. Wenn sich die Situation nicht bald verbessert, drohen nachhaltige Schäden.

Einige Folgen zeigen sich bereits in der Statistik. In den ersten sechs Monaten des Krieges, von Oktober 2023 bis März 2024, brachen die ausländischen Direktinvestitionen in Israel gegenüber den letzten sechs Vorkriegsmonaten um fast 60 Prozent ein. Zugleich stiegen die israelischen Direktinvestitionen im Ausland um 51 Prozent.

Die Armee berief viele Beschäftigte des Hightechsektors zum Reservedienst ein. Dies schränkt die Leistung vieler Hightechunternehmen ein. Ende Mai 2024 warnten führende Hightechunternehmer die Regierung öffentlich vor einer massiven Verlagerung technologieintensiver Arbeitsplätze ins Ausland.

Verfassungskrise schwelt weiter

Noch immer nicht ausgestanden ist eine innenpolitische Krise, die bereits Anfang 2023 begann. Stein des Anstoßes ist die Ankündigung der Regierung, das Verhältnis zwischen den drei Staatsgewalten neu gestalten zu wollen.

Die Regierung bezeichnet das Vorhaben als "Justizreform" und strebt eine Stärkung der Exekutive sowie weitgehende Abschaffung der Kontrollfunktion der Judikative an. Der Plan löste monatelange Massendemonstrationen von Bürgern aus, die die Schaffung einer "illiberalen Demokratie" befürchteten. Wirtschaftsexperten warnen einhellig vor den negativen ökonomischen Folgen einer solchen Machtkonzentration in den Händen der Regierung.

Der Ausbruch des Kriegs im Oktober 2023 ließ das Streitthema in den Hintergrund treten, jedoch rückte die Regierung von ihren Plänen nicht ab. Seit Juni 2024 lebt die Debatte darüber wieder auf.

SWOT-Analyse Israel

S

Stärken Strengths

  • Starker Hightechsektor
  • Moderne Forschung und Entwicklung
  • Hohe Integration in die Weltwirtschaft
  • Steigender Grad der Energieselbstversorgung
  • Hohe ökonomische Resilienz
W

Schwächen Weaknesses

  • Anfälligkeit für Konflikte und Kriege
  • Innenpolitische Instabilität
  • Ungenügende gesamtwirtschaftliche Produktivität
  • Ungenügendes Bildungsniveau großer Bevölkerungsgruppen
  • Ausbaubedürftige Infrastruktur
O

Chancen Opportunities

  • Erschließung neuer Hightechbereiche
  • Aussicht auf umfangreiche Erdgasexporte
  • Offenheit für moderne Technik
  • Wachsende Kaufkraft
  • Aussicht auf regionale Integration
T

Risiken Threats

  • Kriegsbedingte Standortschwächung 
  • Innenpolitische Krise
  • Ungenügende langfristige Planung
  • Große Anfälligkeit für den Klimawandel
  • Brain Drain

Hightech bleibt größte Stärke

Ein kurzfristiger Einbruch der israelischen Wirtschaft ist dennoch unwahrscheinlich. Der Hightechsektor, der für rund 20 Prozent des BIP aufkommt, weist unverändert große Stärken auf – nicht zuletzt hohe Innovationskraft.

Die erhoffte bessere Integration des Landes in die Nahostregion birgt großes wirtschaftliches Potenzial. Eine Normalisierung der Beziehungen Israels zu Saudi-Arabien und anderen Ländern in Nahost und Nordafrika verspräche synergetische Wirtschaftsbeziehungen für alle beteiligten Parteien. Sie würde auch eine Einbindung Israels in den Wirtschaftskorridor Indien-Nahost-Europa (IMEC) ermöglichen.

Voraussetzung dafür wäre nicht nur die Beendigung des Gaza-Krieges, sondern auch eine generelle politische Annäherung zwischen Israel und palästinensischen Partnern. Derzeit scheint eine solche Entwicklung unwahrscheinlich, kann längerfristig aber auch nicht ausgeschlossen werden.

Humankapital bleibt vielfach ungenutzt

Einen kräftigen Wachstumsschub könnte die israelische Wirtschaft auch durch eine bessere Nutzung des Arbeitskraftpotenzials erzielen. Vor allem ultraorthodoxe jüdische Männer und arabische Israelinnen nehmen am Arbeitsleben bislang wenig teil.

Auch die Qualifikation israelischer Arbeitskräfte ist oft ausbaufähig – nicht zuletzt wegen des vergleichsweise niedrigen Niveaus des Schulwesens. Um das zu ändern, müsste in Israel ein tiefgreifender Wandel der gesellschaftspolitischen Prioritäten stattfinden.

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