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Recht kompakt | Italien | Ausschreibungen

Italien: Öffentliche Aufträge

Das öffentliche Beschaffungswesen unterliegt dem WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) und den EU-weiten Rechtsvorschriften.

Von Nadine Bauer, Dr. Achim Kampf | Bonn

Zentrale Rechtsgrundlage des italienischen Vergaberechts ist das Dekret über das öffentliche Auftragswesen (Decreto legislativo 18 aprile 2016, n. 50; Codice dei Contratti Pubblici).

Ausschreibungsinformationen

Je nach Höhe des ausgeschriebenen Volumens besteht für den Auftraggeber gemäß Art. 73 Codice dei Contratti Pubblici eine Veröffentlichungspflicht der Ausschreibung:

  • auf seiner Veröffentlichungstafel,
  • auf dem Offiziellen Amtsblatt der italienischen Republik (Gazzetta Ufficiale),
  • auf dem Portal Servizio contratti pubblici (SCP) des Ministeriums für nachhaltige Infrastruktur und Mobilität
  • und in zwei anderen nationalen Zeitungen beziehungsweise Medien.

Werden die europarechtlichen Schwellenwerte überschritten, ist zusätzlich auf dem Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Dies ist der Fall, wenn die öffentlichen Ausschreibungen die europäischen Schwellenwerte (beispielsweise Liefer- und Dienstleistungsaufträge 215.000 Euro, Bauaufträge 5.382.000 Euro jeweils für die Jahre 2022 und 2023) überschreiten. Die wichtigste Informationsplattform hierfür ist Tenders Electronic Daily (TED).

Vergabeverfahren

Das Vergaberecht ist geprägt von den Grundsätzen der Transparenz, des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Wirtschaftlichkeit.

In der Regel wird der Zuschlag an das wirtschaftlich günstigste Angebot erteilt, das auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses oder des Preises beziehungsweise der Kosten nach einem Kosten-Nutzen-Ansatz ermittelt wird. Die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung müssen in der Bekanntmachung oder in den Auftragsunterlagen angegeben werden. Das Kriterium des niedrigsten Preises darf nur in den in Art. 95 Abs. 4 Codice dei Contratti Pubblici genannten Fällen verwendet werden.

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel. Bereits seit 2010 dürfen italienische Auftraggeber die Übermittlung von Unterlagen durch elektronische Kommunikationsmittel als einzige Form der Informationsübermittlung verlangen. Darüber hinaus müssen alle Unternehmen über ein zertifiziertes E-Mail-Postfach (posta elettronica certificata) verfügen, welches auch der Kommunikation mit den Behörden und Ämtern dient. Informationen hierzu hält die Agentur für Digitales AGID bereit.

An Verfahren unterscheidet man das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren und den wettbewerblichen Dialog.

Im offenen Verfahren (procedura aperta) nach Art. 60 Codice dei Contratti Pubblici kann eine unbeschränkte Zahl von Unternehmen nach öffentlicher Aufforderung ein Angebot einreichen. Im nicht offenen Verfahren (procedura ristretta) dagegen können sich zwar alle Unternehmen um die Teilnahme bewerben (Art. 61 Codice dei Contratti Pubblici). Der Auftraggeber fordert jedoch nur eine beschränkte Zahl der Unternehmen auf, ein Angebot abzugeben. Das Verhandlungsverfahren (procedura competitiva con negoziazione) ist ein freihändiges Verfahren, in dem sich der Auftraggeber mit oder ohne vorherige Bekanntmachung an bestimmte Unternehmen wendet, die er zur Angebotsabgabe auffordert, Art. 62 Codice dei Contratti Pubblici. Anschließend verhandelt der Auftraggeber mit einem oder mehreren Anbietern über das Angebot beziehungsweise die Angebote. Der wettbewerbliche Dialog (dialogo competitivo) ist in Art. 64 Codice dei Contratti Pubblici geregelt.

Wollen deutsche Unternehmen an einer öffentlichen Ausschreibung teilnehmen, müssen sie die gleichen Bedingungen erfüllen, die (für italienische Unternehmen) für ein sogenanntes SOA-Zertifikat (Società Organismi di Attestazione) erforderlich sind.

Rechtsschutzsystem

In Umsetzung der EU-Rechtsmittelrichtlinie (Richtlinie 2007/66/EG) sind die Vergabestellen verpflichtet, vor Abschluss eines öffentlichen Auftrags eine bestimmte Anzahl von Tagen verstreichen zu lassen (Stillhaltefrist). Diese beträgt in der Regel 35 Tage, Art. 32 Abs. 9 Codice dei Contratti Pubblici. Auf diese Weise können die Bieter im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens innerhalb dieser Frist verlangen, dass noch vor Erteilung eines Auftrags etwaige rechtswidrige Entscheidungen korrigiert werden.

Erfolgt eine solche Korrektur nicht, hat der Bieter die Möglichkeit, Beschwerde beim zuständigen regionalen Verwaltungsgericht einzulegen. Anders als in Deutschland gibt es in Italien keine gesonderten Nachprüfungsorgane für Vergabeverfahren.

Aufsichtsbehörde für den öffentlichen Beschaffungsmarkt ist die Autorità Nazionale Anticorruzione (ANAC). Sie bietet unter anderem auch eine außergerichtliche Streitbeilegungsstelle. Darüber hinaus kann sie auch vorbeugend in Vergabeverfahren intervenieren und Sanktionen verhängen.

Weitergehende Informationen

Die Europäische Union bietet Informationen rund um das Thema Vergaberecht auch in englischer Sprache. Einen Überblick über die Regelungen des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) der Welthandelsorganisation (WTO) bietet der GTAI-Beitrag WTO und öffentliche Beschaffung.

Zu aktuellen Ausschreibungen in Italien informiert GTAI auf der entsprechenden Länderseite Italien.

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