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Wirtschaftsumfeld | Japan | Außenwirtschaft

Japans China-Dilemma

Japan will seine Lieferketten besser absichern und resilienter aufstellen. Dies ist leichter gesagt als getan, insbesondere im Hinblick auf den Handelspartner China.

Von Jürgen Maurer | Tokyo

Für Japan haben die Wirtschaftsbeziehungen mit China in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen. Das Nachbarland ist der größte Handelspartner, die enge Verflechtung wird aber zunehmend kritisch gesehen. Abgesehen von fossilen Brennstoffen und manchen Rohmaterialien ist China in vielen Segmenten der wichtigste Lieferant des Archipels. Das reicht von einfachen Konsumgütern für die "100 Yen"-Shops bis zu Hightech-Erzeugnissen. Zudem nimmt das Reich der Mitte etwa ein Viertel der japanischen Exporte ab.

China ist wie ein Magnet, der anzieht und abstößt.

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China hat die Situation für Tokyo noch verschärft, da Washington als wichtiger Handelspartner und Sicherheitsgarant eine besondere Rolle zukommt. Die USA setzen auf die technologische Isolierung Chinas. Auch Tokyo sieht den technologischen Wettbewerb mit zunehmender Sorge. Zudem strebt das China immer stärker nach einer regionalen Vormachtstellung und entwickelt geostrategische Ambitionen. 

China liefert eine Vielzahl von Waren

Laut dem Bericht vom Februar 2022 zur wirtschaftlichen Entwicklung lag der japanische Einfuhranteil aus China 2019, als das Covid-19-Virus noch keine Rolle spielte, bei über 23 Prozent. Seither ist er noch gestiegen. Für viele Erzeugnisse erreichen die japanischen Importe aus dem Nachbarland einen Anteil von deutlich mehr als 75 Prozent, wie etwa bei Mobiltelefonen, bei tragbaren Computern oder pharmazeutischen Wirkstoffen.

Hinzu kommt die Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen. Laut Zahlen der staatlichen Japan Oil, Gas and Metals National Corp. (JOGMEC) importierte der Archipel 2019 über 90 Prozent seiner Tungsten-Einfuhren aus China. Für seltene Erden lag der Anteil an den japanischen Importen bei 62 Prozent und für Antimontrioxid, das als Flammschutzmittel gefragt ist, bei 84 Prozent.

Vergleichsweise hohe Abhängigkeit

Im Vergleich zu anderen G7-Ländern ist Japan am stärksten von China abhägig. Der Anteil der Importe aus China lag 2019 für die USA bei 18,1 Prozent und für Deutschland bei 8,5 Prozent. Während im Falle der USA und Deutschland der Einfuhranteil aus dem Reich der Mitte gegenüber dem Jahr 2009 um jeweils circa 0,5 Prozentpunkte zurückging, stieg er für Japan im gleichen Zeitraum um 1,1 Prozentpunkte.

Vor dem Hintergrund der Coronapandemie und der daraus entstandenen Lieferkettenstörungen haben diese hohen Handelsverflechtungen noch eine neue Dimension erhalten. Denn die Engpässe bei der Lieferung vieler Waren, wie medizinisch-pharmazeutischer Erzeugnisse, und die Logistikprobleme, durch Containermangel, Hafenstau und Halbleitermangel fallen dadurch stärker ins Gewicht.

Wirtschaftliche Sicherheit tritt stärker ins Kalkül

Daher hat Japans Regierung 2022 ein Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Sicherheit (Economic Security Promotion Law) formuliert. Die Legislative soll es noch 2022 absegnen. Ein Fokus des neuen Gesetzes ist die Absicherung von Lieferketten. Die japanische Regierung hat bereits vor der Coronapandemie Anreizprogramme aufgelegt, damit die Firmen ihre Lieferketten diversifizieren, in dem sie mehr nach Südostasien verlegen oder ihre Produktion nach Japan zurückholen. Mit der Coronakrisen-Erfahrung sind weitere Initiativen in dieser Richtung erfolgt. Jedoch hat dies bislang zu keinen großen Verlagerungen geführt.

Dies ist keine große Überraschung, haben japanische Unternehmen doch seit den 1980er Jahren hohe Investitionen in China getätigt, um arbeitsintensive Waren dort in eigenen Werken herzustellen oder von anderen Firmen produzieren zu lassen. Dem sind höherwertige und kapitalintensive Produkte gefolgt, wobei ein nicht unerheblicher Teil der Waren aus China in Drittländer und nach Japan exportiert wird.

Investitionen in China

Japans Direktinvestitionen in China (Ende 2019): 126 Milliarden US$

Japanische Tochterunternehmen in China (Ende März 2020): 7.639

Bilaterales Investitionsschutzabkommen seit 1988

Quellen: Bank of Japan; Ministry of Economy, Trade and Industry

Japans Unternehmen in China zufrieden

Umgekehrt ist China ein wichtiger Absatzmarkt. Die Warenexporte Japans in das Nachbarland machten 2021 immerhin 21,6 Prozent der Gesamtausfuhren aus. 2019 lag der Anteil bei 19,1 Prozent. Hinzu kommen Produkte, die japanische Unternehmen in China für den lokalen Markt herstellen. Trotz Coronakrise sind die in China tätigen Firmen mit ihren Geschäften zufrieden.

Laut dem JETRO Survey on Business Conditions of Japanese Companies Operating Overseas (Asia and Oceania) meldeten über 70 Prozent der antwortenden Firmen, dass sie 2021 in China profitabel waren. Die Corona-Restriktionen im Land selbst waren 2021 gering und die wirtschaftliche Erholung deutlich ausgeprägter als in anderen Märkten. 

Bei den Plänen für die nächsten ein bis zwei Jahre gaben die japanischen Firmen in China an, ihre Präsenz größtenteils aufrechtzuerhalten. Sie wollen ihre lokalen Verkaufsaktivitäten erhöhen und/oder die Produktion von höherwertigen Erzeugnissen ausweiten. Nur wenige gaben an, ihre Aktivitäten in dritte Märkte verlegen. Daher bleibt die japanische Wirtschaft beim bewährten Konzept "China plus one": Also China treu bleiben, aber mindestens einen weiteren Standort in der Region aufzubauen.

Freihandel soll alle Türen offenhalten

Der Zugang zum chinesischen Markt bleibt für viele Unternehmen aus Japan ein wichtiger Geschäftstreiber. Daher hat Japan auch das Freihandelsabkommen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) unterzeichnet, das neben zollfreiem Handel eine regelbasierte wirtschaftliche Integration im ost- und südostasiatischen Raum plus Australien und Neuseeland ermöglichen soll. Nicht dabei zu sein, hieße für Japan, der stärker werdenden Konkurrenz aus China oder Südkorea das Feld zu überlassen.

Als Gegengewicht einer zu hohen Abhängigkeit von China war Japan maßgeblich am Zustandekommen des CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership) beteiligt. Zu dem bislang 11 Mitgliedsländer umfassenden transpazifischen Abkommen haben allerdings 2021 China und auch Taiwan den Beitritt beantragt. Die USA hatten sich unter Donald Trump gegen das Abkommen entschieden. Das China-Dilemma wird damit in Asien nicht kleiner.

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