Special | Japan | Krieg in der Ukraine
Krieg der Rohstofflieferanten bereitet Kopfzerbrechen
Japan unterstützt die antirussischen Maßnahmen der G7-Länder im Ukrainekrieg. Die Regierung nimmt die Rohstoffabhängigkeit von Russland ins Visier.
16.03.2022
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Für Japans Wirtschaft zeigt der Krieg in der Ukraine bislang kaum direkte Auswirkungen. Indirekt sind die Effekte jedoch in gestiegenen Preisen für Rohstoffe und Mineralien greifbar. Das spüren auch die auf dem Archipel produzierenden deutschen Unternehmen. Die Rohstoff- und Mineralienvorräte der Handelshäuser werden bei einem länger andauernden Konflikt sinken. So nehmen direkte Effekte auf die Lieferketten zu.
Japan ist auf den Import von Rohstoffen und Mineralien angewiesen. Russland und die Ukraine sind wichtige Lieferanten von Palladium und Neongas. Beides benötigen japanische Kfz-Teileproduzenten und Chiphersteller. Russland liefert circa 40 Prozent der japanischen Palladiumimporte und die Ukraine 70 Prozent der Neongaseinfuhren.
Jahr | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
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Russland | 1,4 | 1,5 | 1,5 | 1,3 | 1,4 |
Ukraine | 0,1 | 0,1 | 0,1 | 0,1 | 0,1 |
Russland steht an 13. Stelle der Lieferländer
Rohstoffe und Mineralien sind Japans wichtigste Importgüter aus Russland. Sie machten 2021 ungefähr zwei Drittel der japanischen Einfuhren aus dem Nachbarland aus und lagen bei rund 14 Milliarden US-Dollar (US$). Unter den Energierohstoffen steht an erster Stelle Flüssiggas (LNG), gefolgt von Kohle und Erdöl. Zudem liefern russische Unternehmen wichtige Nichteisenmetalle, unter anderem Nickel.
Zwar bekommt Japan keinen Druck der westlichen Allianzpartner, diese Einfuhren zu stoppen. Jedoch könnten russische Gegenmaßnahmen Japan wirtschaftlich schaden. So droht Russland, die Vermögenswerte von Unternehmen "unfreundlicher" Länder zu verstaatlichen. Im Rohstoffbereich hat Japan in den letzten Jahren seine Investitionen ausgeweitet. Japans staatlicher Rohstoffkonzern JOGMEC und einige Handelshäuser sind Partner in den Öl- und Gasexplorationsprojekten vor allem auf der russischen Pazifikseite.
Projekt | Investoren |
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Sakhalin 1 (LNG) | Sakhalin Oil and Gas Development Co. 30% (JOGMEC* und 4 Unternehmen) |
Sakhalin 2 (LNG) | Mitsui &Co. 12,5%, Mitsubishi Corp. 10% |
Arctic LNG 2 | JOGMEC* 7,5%, Mitsui Co. 2,5% |
Handelsvolumen mit Ukraine klein
In den bilateralen Handelsbeziehungen Japans mit der Ukraine stehen ebenfalls Rohstoffe an erster Stelle. Die Ukraine liefert insbesondere Eisenerz und Tabakwaren nach Japan. Die japanischen Exporte bestehen überwiegend aus Pkw und in kleinerem Maßstab aus Maschinen sowie optischen Geräten. Der Außenhandel ist jedoch insgesamt gering.
So lag der bilaterale Waren- und Dienstleistungsaustausch im Jahr 2021 bei 1,3 Milliarden US$. Davon entfielen fast 80 Prozent auf japanische Exporte in die Ukraine und 20 Prozent auf Importe aus dem osteuropäischen Staat, so die Zahlen der japanischen Zollstatistik. Die Zahl der japanischen Unternehmen in der Ukraine lag laut der Firmendatenbank Teikoku Data Bank Ende 2021 bei 57.
Investitionen zumeist im Kfz-Bereich
Japan hält nur geringe Direktinvestitionen in der Ukraine. Diese sind in der Automobilbranche konzentriert. Es handelt sich um Verkaufs- und Reparatureinrichtungen und eine kleine Produktion von elektrischen Kabelsätzen. Eine größere Investition von mehr als 300 Millionen US$ tätigte der Tabakkonzern Japan Tobacco in den 90er-Jahren. Die Mittel kamen jedoch von einer Tochter mit Sitz in der Schweiz.
In Russland hat Japan mehr investiert, wenn auch in bescheidenem Maße. Die Statistik der japanischen Außenwirtschaftsorganisation JETRO verzeichnete zwischen 2018 und 2020 Investitionen nach Russland in Höhe von 400 Millionen bis 500 Millionen US$ pro Jahr. Die größten Industrieinvestitionen stammen von den Automobilunternehmen Toyota und Nissan. Sie starteten 2007 beziehungsweise 2009 ihre Pkw-Fertigungen in St. Petersburg. Zudem besitzt der Reifenhersteller Bridgestone seit 2016 eine Fabrikation in Russland.
Da in der Kfz-Industrie Teile fehlen, haben die in Russland produzierenden japanischen Automobilkonzerne ihre Fahrzeugfertigung im März 2022 gestoppt. Sie führen jedoch noch Reparaturen durch. Honda und Mazda haben den Export von Fertigfahrzeugen aus Japan in die russische Föderation eingestellt. Automobile und Kfz-Teile kamen beim japanischen Export nach Russland auf einen Anteil von 53 Prozent. Insgesamt exportierte Japan 2021 Waren im Wert von knapp 7,9 Milliarden US$ nach Russland.
Produkte | 20201 | Anteil 2020 | 20212 | Anteil 2021 |
---|---|---|---|---|
Automobile | 2.460 | 41,9 | 3.250 | 41,5 |
Kfz-Teile | 644 | 11,0 | 910 | 11,6 |
Bau- und Bergbauausrüstung | 281 | 4,8 | 526 | 6,7 |
Gummierzeugnisse | 317 | 5,4 | 424 | 5,4 |
Motoren | 264 | 4,5 | 419 | 5,3 |
Andere | 1.902 | 32,4 | 2.311 | 29,5 |
Gesamt | 5.867 | 100,0 | 7.840 | 100,0 |
Russlandhandel wird beschränkt
Die japanische Regierung hat - im Einklang mit den Beschlüssen der G7-Staaten - Russland die Handelsprivilegien als Mitglied der Welthandelsorganisation entzogen. Sanktionen bestehen auf Exporte von solchen Produkten, die Dual Use eingesetzt werden können, darunter Halbleiter. Nicht mehr exportfähig ist auch Ausrüstung für die Petroleumverarbeitung. Die Zahl der japanischen Unternehmen, die ihre Aktivitäten mit und in Russland stoppen, ist nicht bekannt.
Laut Pressemeldungen haben die größten Baumaschinenhersteller, wie Komatsu, ihre Lieferungen nach Russland sowohl aus Japan als auch aus anderen Produktionsstandorten eingestellt. Laut japanischer Zollstatistik standen Exporte nach Russland 2021 für circa 6,7 Prozent der japanischen Branchenausfuhren.
Maschinenbauer unterbrechen ihre Geschäftsbeziehungen. So hat der größte Branchenproduzent DMG Mori seine Fertigung in Russland eingestellt. Andere Anbieter, die nicht in dem Land erzeugen, haben angekündigt, keine Maschinen oder Teile mehr in die russische Föderation zu liefern. Japan ist laut JETRO-Angaben mit einem Anteil von 5 Prozent der weltweit fünftgrößte Lieferant von Maschinenbauerzeugnissen nach Russland.
Geldtransfer wird erschwert
Gemäß Angaben der Teikoku Data Bank waren Ende 2021 in Russland 347 Unternehmen aus Japan aktiv, viele davon im Im- und Exportgeschäft. Etwa 15 Prozent der Firmen haben eine Produktion in der russischen Föderation. Für die Unternehmen wird es jedoch schwierig, mit Russland weiter Geschäfte zu betreiben. Der Geldtransfer funktioniert kaum mehr.
Seit Ausbruch der kriegerischen Aktivitäten hat Japan die Finanztransaktionen mit der russischen Zentralbank eingeschränkt, die SWIFT-Isolierung eingeleitet und die Vermögen von sieben Geschäftsbanken eingefroren. Für eine Reihe von Mitgliedern der russischen Regierung sowie Oligarchen sind die in Japan befindlichen Vermögen eingefroren. Einige dieser Maßnahmen gelten seit 11. März 2022 auch für Belarus.