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Branchen | Kanada | Bergbau

Abbau kritischer Mineralien kommt in Kanada noch nicht ins Rollen

Im Land entstehen neue Batteriefabriken, aber der vorgelagerte Bergbau zieht nicht mit. Niedrige Preise bei Batteriemetallen werden auch 2024 kaum zu mehr Investitionen führen.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Mit Honda hat sich im April 2024 ein weiterer Autokonzern dazu entschlossen, in Kanada in die Elektroautolieferkette zu investieren. Der japanische Automobilhersteller wird in der Provinz Ontario 11 Milliarden US-Dollar (US$) für vier neue Produktionsstätten für Elektrofahrzeuge aufwenden. Neben der 30-prozentigen Steuergutschrift für Investitionen in neue Maschinen und Ausrüstungen für saubere Technologien erhält Honda noch eine weitere Förderung, die mit dem Bundeshaushalt 2024 angekündigt wurde: Sie gilt für Unternehmen, die in Kanada in die Montage, Batterieproduktion und Herstellung von Kathodenmaterial investieren.

Eine regionale Wertschöpfungskette für E-Autos ist noch nicht in Sicht

Solche Unternehmensansiedlungen lassen sich Kanadas Bundes- und Provinzregierungen viel Geld kosten. Mit (Teil-)Erfolg: "Wir haben einen phänomenalen Anstieg der Investitionen erlebt", sagte Automobilverbands-Chef Brian Kingston auf der Konferenz Battery Minerals & Supply Chain in Mississauga. Kingston machte aber ebenso deutlich, dass diese sich bisher stark auf Batterien und dafür benötigtes Kathoden- und Anodenmaterial konzentrieren.

Sein Ziel, eine komplette elektromobile Wertschöpfungskette aufzubauen, erreicht Kanada damit noch nicht. Denn während die neuen Batteriefabriken für ihre energieintensive Produktion zwar auf reichlich erneuerbare Quellen zurückgreifen können, gibt es bei der Rohstoffversorgung Defizite.

Die Lieferkette für Batteriematerialien ist bisher kaum diversifiziert. Großkonzerne wie ExxonMobil und Albemarle treiben in den USA den Lithiumabbau voran, auch in Kanada gibt es einige Vorhaben. Für viele Investoren sind die Preise für Batterierohstoffe aber zu niedrig, um in Nordamerika neue Projekte zu starten. Weltweite Überkapazitäten unter anderem bei Kobalt, Nickel, Graphit und Lithium halten die Preise voraussichtlich auch 2024 niedrig und damit viele Unternehmen von Investitionen in die vorgelagerte Mineralienförderung ab. In Kanada liegt der Investitionsschwerpunkt daher zurzeit auf Batteriewerken und Elektrofahrzeugen. Im vorgelagerten Zulieferbereich tut sich dagegen erst wenig.

Neue Batteriefabriken sprießen in Kanada wie Pilze aus dem BodenVon 2020 bis April 2024 angekündigte Investitionen, Investitionssumme in Milliarden US$
UnternehmenProjektStandort

Investitionssumme

FordMontagekomplex zum Bau von E-FahrzeugenOakville, Ontario

1,4

Ford, EcoProBM, SK On (Joint Venture)KathodenfabrikBécancour, Québec

0,9

General MotorsUmbau bestehender Fertigungsstandorte auf die E-Mobil-ProduktionIngersoll und Oshawa, Ontario

1,6

General Motors, Posco (Joint Venture)Erweiterung der E-Fahrzeug-Lieferkette in NordamerikaBécancour, Québec

0,8

StellantisUmrüstung von zwei Montagewerken für den Bau von E-FahrzeugenBrampton und Windsor, Ontario

2,8

Stellantis, LG Energy Solution (Joint Venture)BatteriefabrikWindsor, Ontario

4,1

HondaLieferkette für E-Fahrzeuge und Montagewerk (vier neue Fabriken)Ontario

11

PowerCo (Volkswagen)BatteriefabrikSt. Thomas, Ontario

5,2

NorthvoltBatteriefabrikBei Montreal, Québec

5,2

Quelle: GTAI-Recherchen 2024

Bergbauprojekte geraten ins Stocken

Noch vor wenigen Jahren wurden viele Bergbauprojekte in Kanada angekündigt. Doch nur zögerlich nehmen Bergbaukonzerne seither die Vorkommen an Lithium, Kobalt und Nickel des Landes ins Visier. Befanden sich 2015 in Kanada noch 150 Großprojekte im Wert von 522 Milliarden US$ im Bau oder in Planung, waren es im Mai 2023 nur noch 129 Großprojekte im Wert von 420 Milliarden US$.

Kanadas Automobilverband geht davon aus, dass die Kapazitäten für raffiniertes Kobalt, Nickelsulfat, Mangansulfat und Graphit in Nordamerika im Jahr 2030 weniger als die Hälfte des dortigen Bedarfs decken werden. Und dass die Region dann erst jeweils 3,5 Prozent des benötigten Kathoden- und Anodenmaterials aus eigener Produktion liefern kann.

Kanada verfügt zwar über beträchtliche Vorkommen an wichtigen Mineralien, aber vom Mineralienfund bis zur Inbetriebnahme einer neuen Mine dauert es im Schnitt fast 16 Jahre. Das ergab eine Studie des US-Finanzdienstleistungskonzerns S&P Global unter 127 Minen weltweit, die in den letzten 20 Jahren den Abbau gestartet haben. Um diesen zu beschleunigen, will die Regierung in Ottawa – ebenso wie die in Washington DC, USA – die Genehmigungsverfahren für Bergbauprojekte straffen und beschleunigen. 

Das Beratungsunternehmen SFA Oxford bemängelt in Kanada das Fehlen einer kohärenten Strategie bei kritischen Rohstoffen, angesichts seiner reichhaltigen Ressourcen an Batteriemetallen.

Jede Provinz hat ihr eigenes Bergbau- und Mineraliengesetz

Zu berücksichtigen ist, dass jede Provinz und jedes Territorium durch ihr jeweiliges Bergbau- und Mineraliengesetz entscheiden kann, wie sie Bergbauaktivitäten in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich regelt. Unsicherheiten kann es geben, wenn ein Bergbauunternehmen sowohl unter ein Bundesgesetz als auch unter ein Provinz- oder Territorialgesetz fällt.

In Ontario mahnt SFA Oxford einen besseren Umgang mit den Interessengruppen an, insbesondere mit den Ureinwohnern. In Québec dagegen gelten die fehlende Infrastruktur im Norden und das Zivilrecht als Haupthindernisse bei Investitionen. Québec hat als einzige Provinz ein Zivilgesetzbuch, das auf dem französischen Code Napoléon basiert, während der Rest Kanadas das Gewohnheitsrecht anwendet. Québecer Gerichte orientieren sich zunächst am Zivilgesetzbuch und beziehen sich dann auf frühere Entscheidungen, um zu prüfen, ob diese konsistent sind. Zudem hat Québec in den letzten Jahren die Sprachregelungen für Unternehmen in der Provinz verschärft.

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