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Branchen | Kanada | Nahrungsmittel

Nachfrage von Halal-Nahrungsmitteln steigt - vor allem online

Die rasche Zunahme der muslimischen Bevölkerung erhöht den Absatz für die Produkte. Bei der Entscheidung für religiös erlaubte Lebensmittel entscheidet aber nicht nur der Glaube.

Von Daniel Lenkeit | Toronto

Die muslimische Bevölkerung Kanadas, die sich über viele verschiedene Ethnien erstreckt, nimmt zu. Die Halal Monitoring Authority (HMA Canada) gibt an, dass der Anteil jedes Jahr um über 10 Prozent steigt - im Vergleich zu 1 Prozent bei der Gesamtbevölkerung. Laut Statistics Canada ist der Islam die am schnellsten wachsende Religion des Landes. Muslime stellen heute etwa 3,7 Prozent der Bevölkerung. Die demographische Entwicklung allein sollte dem Absatz von Halal-Produkten auf dem kanadischen Lebensmittelmarkt in den nächsten Jahren weiter Auftrieb geben.

Qualität, Preis und Verfügbarkeit sind wichtigste Kriterien für halal

Aktuell beträgt die Marktgröße für Halal-Produkte etwa 1 Milliarde kanadische Dollar (kan$; rund 750 Millionen US-Dollar). Gleichzeitig geben nur 30 Prozent der Verbraucher an, mit dem Angebot in Supermärkten zufrieden zu sein. Etwa zwei Drittel der Konsumenten sehen ihre Produktanforderungen durch die Lebensmittelhersteller nicht erfüllt.

Eine Studie der Marketingagentur Nourish Food Marketing zeigt, dass die Kunden von halal beim Einkauf besonders auf Bioqualität, Preis, regelmäßige Verfügbarkeit und gesunde Inhaltsstoffe achten. Sie legen weniger Wert auf ein "muslimisches" Verpackungsdesign, schätzen aber eine Zertifizierung.

Die HMA Canada etwa genießt Vertrauen. Die Organisation aus Scarborough, Ontario, inspiziert regelmäßig Lebensmittelhersteller - vor allem aus der Fleischproduktion - um zu prüfen, ob diese entlang der Wertschöpfungskette eine Halal-Zertifizierung verdienen. Seit 2016 ist die Zertifizierung von als halal eingestuften Produkten durch Organisationen wie HMA Canada oder das Islamic Food and Nutrition Council of Canada (IFANCC) verpflichtend. Diese Auflage macht der kanadische Verbraucherschutz in Form der Canadian Food Inspection Agency.

Halal-Konsumenten kaufen häufiger online als andere Verbraucher

Die Studie von Nourish Food Marketing legt die besondere Bedeutung von E-Commerce für den Halal-Markt offen. Demnach kaufen fast drei Viertel der Befragten ihre halalzertifizierten Lebensmittel online. Bei den sonstigen Waren liegt dieser Anteil nur bei etwa 50 Prozent.

Ein Grund dafür ist das häufig eingeschränkte Produktangebot in den Auslagen der regulären Supermärkte. Eine Onlinepräsenz und der Direktvertrieb von Halal-Lebensmittelmarken bieten deshalb große Chancen, sagt Salima Jivraj von Nourish Food Marketing. Sie rät Lebensmittelhändlern, ihr Onlineangebot von Halal-Produkten massiv zu erhöhen, selbst wenn im Laden deutlich weniger Waren ausliegen.

Als Best Practice-Beispiel nennt Jivraj die wachsende Halal-Marke "The Meathead Store" aus Toronto. Das Unternehmen habe sich dem Bedarf der heutigen Halal-Konsumenten gut angepasst und biete neben einem konventionellen Geschäft einen breit aufgestellten Onlineshop.

Nach Angaben des Fachmagazins Canadian Grocer teilen sich Iqbal Halal Foods, Walmart und der Großhändler Costco zu je etwa einem Drittel den Halal-Markt der größten Provinz Ontario auf. Iqbal gilt als Pionier im Halal-Segment. Der Einzelhändler verfügt zudem über ein reiches Online- und Lieferangebot mit über 6.000 Produkten von 650 verschiedenen Marken. Doch Costco, vergleichbar mit den Metro-Märkten in Deutschland, gewann vor allem in der Pandemie mehr Kunden, als Vorratskäufe bedeutsamer wurden.

Koschere Produkte nur in Metropolen gut erhältlich

Etwa 1 Prozent der kanadischen Bevölkerung gehören der jüdischen Religion an. Nach Angaben des Fachmagazins Food in Canada kaufen 1,5 Millionen der rund 38 Millionen Kanadier regelmäßig koschere Lebensmittel. Es gibt demnach eine große Zahl an Personen nicht-jüdischen Glaubens, die koschere Produkte konsumieren.

Aktuelle Daten für die Entwicklung des kanadischen Koscher-Markts sind kaum verfügbar. Nach Angaben von Food in Canada wuchs der Markt 2019 um 10 Prozent. Es gebe etwa 200.000 koschere Produkte im Angebot. Damit übertreffe der Koscher-Markt in seiner Produktvielfalt den Markt für glutenfreie Lebensmittel, so das Fachmagazin.

Zertifizierung ist für Kunden entscheidend

Jordan Ender, Vice President Operations beim Großhändler Grey Jay Sales & Distribution, sieht den kanadischen Markt für koschere Produkte strukturell eher im Abschwung: In den letzten Jahrzehnten spielte zum einen die Zuwanderung von Juden eine immer geringere Rolle. Zum anderen, so Ender, nehme das als "konservativ" bezeichnete sowie das liberale Judentum in Kanada zu. Beide Gruppen fragen im Schnitt deutlich weniger koschere Produkte nach als etwa orthodoxe Juden. Dies zeigt die 2013 veröffentlichte Studie A Portrait of Jewish Americans des PEW Research Center.

Ender betont aber auch, dass koschere Lebensmittel, ähnlich wie Halal-Produkte, heute mehr als noch vor 10 bis 15 Jahren von Verbrauchern gekauft würden, die weder der jüdischen noch islamischen Gemeinschaft angehören. Diese Konsumenten sähen die Produkte unabhängig von der religiösen Motivation als gesünder und sauberer an.

Für den Markteinstieg zu beachten seien regionale Zentren mit größeren jüdischen Gemeinden. Die "Kosher Hubs" befinden sich nach Aussagen von Ender in Toronto und Montreal. Eine größere Zahl jüdischer Bürger gebe es auch in Vancouver, Calgary, Winnipeg und Edmonton.

In den jüdischen Zentren des Landes haben sich einige Supermärkte als sogenannte "Destination Stores" entwickelt. Dazu gehören unter anderem der Sobeys Kosher Market in Thornhill, Toronto, und der Fooderie - Kosher Market in Montreal. Hierhin pilgern Kunden auch aus größeren Entfernungen für den wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Einkauf.

Wer im kanadischen Koscher-Markt als Marke bestehen möchte, muss preisbewusste Konsumenten bedienen und seine Produkte zertifizieren, rät Ender. Ohne Gütesiegel sei es schwer, Kunden zu überzeugen. Zum höchsten Grad der Zertifizierung gehöre etwa das COR-Siegel des Kashruth Council of Canada (COR). Es gibt aber viele Zertifizierungsorgane im Markt, darunter auch die global agierenden MK Kosher und OU Kosher.

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