Wirtschaftsumfeld | Kanada | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Lohnkosten
Der zunehmende Fachkräftemangel und höhere Inflationserwartungen sorgen für wachsenden Lohndruck.
08.07.2022
Von Daniel Lenkeit | Toronto
Löhne und Gehälter
Unternehmen planen 2022 mit höheren Löhnen
In der Coronakrise froren 2020 etwa ein Drittel aller kanadischen Unternehmen jegliche Gehaltserhöhungen ein. Im Jahr 2021 waren es noch 12 Prozent. Für 2022 gehen nur noch 3 Prozent der Unternehmen davon aus, die Lohnkosten konstant zu halten. Vielmehr erwarten die Firmen im laufenden Jahr Lohnsteigerungen von nominal 2,7 Prozent, wie eine Umfrage der Personalberatungsfirma LifeWorks zeigt.
Diese Erwartungen decken sich mit dem aktuell angespannten Arbeitsmarkt, der durch die Pandemie strukturell gestört wurde und in dem bei vielen Unternehmen nun noch stärkerer Fachkräftemangel herrscht. Dazu steigen die Verbraucherpreise seit über einem Jahr stärker als die von der Zentralbank ausgegebene Zielmarke von 1 bis 3 Prozent pro Jahr. Im Mai 2022 erreichte die Inflationsrate fast 8 Prozent und damit einen Höchstwert seit 1983.
Die Löhne im verarbeitenden Gewerbe werden sich aufgrund des stagnierenden Arbeitskräfteangebots und den Inflationserwartungen voraussichtlich weiter deutlich nach oben entwickeln. In wichtigen Zentren wie Toronto und Vancouver, die stetig steigende Lebenshaltungskosten aufweisen, geraten die Löhne ohnehin in vielen Sektoren unter Aufwärtsdruck.
Im Vergleich zu Deutschland haben Unternehmen in Kanada eine höhere Flexibilität bei der Lohngestaltung. Der Think Tank Conference Board of Canada erwartet in seinem jährlichen Vergütungsausblick eine Lohnsteigerung von etwa 2,5 Prozent für 2022 im nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitsmarkt. Für die durch Gewerkschaften vertretenen Arbeitnehmer werden die Erwartungen im Laufe des Jahres bekannt gegeben.
Reallöhne könnten 2022 sinken
In den jüngsten Jahren vor der Pandemie verbuchten die Arbeitnehmer in Kanada stete nominale Lohnzuwächse über dem Niveau der Inflationsrate. Die für 2022 erwarteten Lohnsteigerungen bleiben aber hinter der prognostizierten Teuerungsrate zurück. Dies hat Auswirkungen auf die Lebenshaltungskosten und den Konsum. Die Lohnforderungen der Arbeitnehmer könnten sich damit künftig erhöhen.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 1) | |
---|---|---|---|---|
nominal (in kan$) | 1.028,1 | 1.097,7 | 1.130,6 | 1.161,1 |
nominal (US$) | 774,7 | 818,0 | 901,6 | 919,3 |
nominale Veränderung (in %) 2) | 2,7 | 6,8 | 3,0 | 2,7 |
Inflationsrate 3) | 2,3 | 1,3 | 2,4 | 5,1 |
Sektor | erwartete Lohnsteigerung 2022 |
---|---|
alle Sektoren | 2,7 |
Baugewerbe | 3,0 |
Unternehmensmanagement | 2,8 |
Verarbeitendes Gewerbe | 2,7 |
Bergbau, Öl und Gas | 2,8 |
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 2,7 |
Einzelhandel | 2,4 |
Transport und Lagerung | 2,7 |
Mindestlohnerhöhungen in einigen Provinzen
Die kanadischen Provinzen und Territorien bestimmen ihre gesetzlichen Mindestlöhne selbst. Die Spanne der Mindestlöhne reicht von 11,81 kanadischen Dollar (kan$ - etwa 8,70 Euro) bis 16 kan$ (11,75 Euro). British Columbia erhöhte kürzlich seinen Mindestlohn auf mindestens 15,20 kan$, Québec auf 13,50 kan$ und Ontario auf 15 kan$. Viele Provinzen verfolgen eine jährliche Anpassung der Mindestlöhne gemäß der durchschnittlichen Teuerungsrate. Weiterführende Informationen und eine Übersicht über die Mindestlöhne in allen Landesteilen bietet der Retail Council of Canada.
2021 (in kan$) | Veränderung 2021/20 (in %) *) | 2021 (US$) | |
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Landesdurchschnitt | 1.130,6 | 3,0 | 901,6 |
Hochlohnregion (Alberta) | 1.202,3 | 2,0 | 977,9 |
Durchschnittslohnregion (Québec) | 1.070,7 | 2,9 | 853,9 |
Niedriglohnregion (Prince Edward Island) | 945,8 | 0,2 | 754,2 |
Vollzeitbeschäftigung und unbefristete Arbeitsverträge weiter die Norm
Das Gros der Erwerbstätigen in Kanada arbeitet in Vollzeitstellen. Der Anteil der Vollzeit- (82 Prozent) und Teilzeitbeschäftigten (18 Prozent) an den Werktätigen blieb in den letzten drei Jahren unverändert. Etwa 90 Prozent aller Beschäftigten (über 25 Jahre) hatten 2021 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Zahl der verlorenen Arbeitstage pro Festangestellten in Folge von Krankheit lag 2020 bei 9,5 Tagen. Den niedrigsten Ausfall verzeichnete die Provinz Ontario mit 7,9 Tagen, den höchsten Québec mit 12 Tagen.
2021 (in kan$) | Veränderung 2021/20 (in %) *) | 2021 (in US$) | |
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Insgesamt | 1.130,6 | 3,0 | 901,6 |
Bauwirtschaft | 1.382,1 | 4,9 | 1.102,1 |
Bergbau | 2.170,4 | 3,4 | 1.730,8 |
Verarbeitendes Gewerbe, darunter | 1.189,1 | 2,9 | 948,3 |
Nahrungsmittel-/Getränkeindustrie | 951,4 | -2,9 | 758,7 |
Textilindustrie | 1.017,9 | -2,6 | 811,7 |
Holzindustrie | 1.178,1 | 6,6 | 939,5 |
Papierindustrie | 1.481,9 | 9,8 | 1.181,8 |
Chemische Industrie | 1.460,0 | 5,0 | 1.164,3 |
Gummi- und Kunststoffindustrie | 1.101,5 | 1,4 | 878,4 |
Maschinenbau | 1.306,4 | 4,9 | 1.041,8 |
Metallurgie | 1.596,6 | 3,1 | 1.273,2 |
Elektrotechnik | 1.292,7 | 4,8 | 1.030,9 |
Elektronik | 1.440,9 | 7,5 | 1.149,0 |
Fahrzeugbau | 1.256,3 | -3,4 | 1.001,8 |
Handel | 853,0 | 2,0 | 680,2 |
Hotel und Gastronomie | 456,9 | 3,8 | 364,3 |
Transport und Logistik | 1.173,6 | 1,3 | 935,9 |
Finanzwesen, Banken, Versicherungen | 1.477,9 | 1,6 | 1.178,5 |
Immobilienbranche | 1.183,9 | 5,4 | 944,1 |
Positionen (National Occupational Classification) | 2021 (in kan$) | Veränderung 2021/20 (in %) 1) | 2021 (in US$) |
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Geschäftsleitung (00) 2) | 71,3 | -6,8 | 56,9 |
Vertriebsleiterin (01-05) | 45,6 | 2,1 | 36,4 |
Maschinenbauingenieurin (2132) | 38,5 | 3,0 | 30,7 |
Elektroingenieurin (2133) | 39,3 | 1,8 | 31,3 |
Programmiererin (2174) | 39,3 | 8,1 | 31,4 |
Assistentin (1241) | 21,2 | 3,4 | 16,9 |
Buchhalterin (1311) | 22,6 | 8,0 | 18,0 |
Kraftfahrerin (7511) | 24,5 | 4,9 | 19,5 |
Positionen (National Occupational Classification) | 2021 (in kan$) | Veränderung 2021/20 (in %) 1) | 2021 (in US$) |
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Vorgesetzte, Verarbeitung und Herstellung (921) 2) | 32,2 | 11,1 | 25,7 |
Vorgesetzte, Montage und Fertigung (922) | 29,0 | 6,2 | 23,1 |
Maschinenbediener (94) | 18,5 | 3,1 | 14,8 |
Monteure (95) | 18,1 | 2,6 | 14,4 |
Hilfsarbeiter, Verarbeitung und Herstellung (961), darunter: | 17,3 | 3,6 | 13,8 |
chemische Verarbeitung (9613) | 19,3 | 12,3 | 15,4 |
Verarbeitung von Gummi und Kunststoffen (9615) | 17,0 | 1,9 | 13,6 |
Lebensmittel- und Getränkeverarbeitung (9617) | 16,3 | 1,8 | 13,0 |
Weitere Lohnbestandteile
Mitarbeiter erhalten in der Regel am Ende des Jahres einen Bonus, hingegen ist ein 13. Monatsgehalt in Kanada unüblich. Bei einfachen Angestellten ohne Leitungsfunktion oder Mitarbeiterverantwortung ist ein Jahresbonus von bis zu 10 Prozent üblich. Im mittleren Management gelten Zahlungen von 15 bis 30 Prozent als Faustregel.
Nicht-monetäre Anreize, wie vor allem eine Zusatzkrankenversicherung für die Angestellten und deren Familien, können die Entscheidung der Arbeitnehmer für eine Stelle beeinflussen. Auch ein Dienstwagen, Fortbildungsmaßnahmen oder die Freistellung und Unterstützung beim Erlangen zusätzlicher Bildungsabschlüsse wie dem Master of Business Administration (MBA) können Anreize eines Vergütungspakets bilden.
Sozialversicherungsbeiträge
Die gesetzliche Krankenversicherung ist auf Provinzebene organisiert. Unternehmen in Ontario beispielsweise zahlen eine Gesundheitssteuer zur Finanzierung des öffentlichen Gesundheitssystems basierend auf ihren jährlichen Lohnzahlungen. Unterschreiten diese Lohnzahlungen 1 Million kan$, zahlen die Unternehmen einen abgestuften Prozentsatz. Dazu gibt es für berechtigte Unternehmen Steuerfreigrenzen für die Gesundheitssteuer. Solche Ausnahmeregelungen unterscheiden sich regional. Weitere Informationen zur Krankenversicherung sind auf den Internetseiten der zuständigen Provinzbehörden erhältlich.
Die Rentenversicherung, der Canada Pension Plan (CPP), ist zentral organisiert. In diesen Fonds zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Prozentsatz des Bruttolohns ein. Viele Großunternehmen haben außerdem eine zusätzliche betriebseigene Altersvorsorge für ihre Mitarbeiter eingerichtet.
Ebenfalls zentral verwaltet wird die Arbeitslosenversicherung (Employment Insurance). Finanziert wird sie über einen Beitrag aus dem Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss einen 1,4-mal höheren Betrag beisteuern.
Kanada | Québec | |
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Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil) 1) | 5,70 | 6,15 |
Krankenversicherung (Arbeitgeberanteil) 2) | 0,98 - 1,95 | 1,25 - 4,26 |
Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil) 3) | 1,58 | 1,20 |