Zollbericht Kanada Freihandelsabkommen (Warenursprung, Präferenzen)
Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA)
Präferenznachweise für Warensendungen mit einem Wert von mehr als 6.000 Euro können in der EU seit dem 1. Januar 2018 ausschließlich Registrierte Ausführer erstellen.
01.03.2024
Von Susanne Scholl | Bonn
Die Verhandlungen zum Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen den seinerzeit 28 Vertragsstaaten der EU und Kanada wurden im August 2014 beendet. Die EU-Kommission entschied Anfang Juli 2016, die Unterzeichnung als gemischtes Abkommen vorzuschlagen. Damit berührt CETA auch Kompetenzen der EU-Mitgliedstaaten. Daher mussten sowohl das kanadischen Parlament als auch die nationalen Parlamente aller EU-Mitgliedstaaten über CETA abstimmen. CETA wurde am 30. Oktober 2016 unterzeichnet.
Die Ratifizierung ist noch nicht abgeschlossen
Seit dem 21. September 2017 werden die in die Zuständigkeit der EU fallenden Teile des Abkommens CETA vorläufig angewendet. Bereiche, die mitgliedstaatliche Kompetenzen berühren, sind ausgenommen, da hier die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten mit ihren nationalen Parlamenten zu wahren sind. Einschränkungen bei der vorläufigen Anwendung bestehen für die Kapitel 8 und 13 (Investitionen und Finanzdienstleistungen) des Abkommens sowie für einzelne Regelungen der Kapitel 20 (Camcording), 27 (Transparenz) und 28 (Ausnahmen). Neben der Zustimmung durch den EU-Rat musste vor Beginn einer vorläufigen Anwendung der Teile des Abkommens, die in die EU-Kompetenz fallen, auch eine Zustimmung des Europäischen Parlaments vorliegen. Das Europäische Parlament hatte am 15. Februar 2017 zugestimmt.
Damit CETA vollständig in Kraft treten kann, muss es von den Parlamenten aller EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Der deutsche Bundestag hat das CETA-Abkommen am 1. Dezember 2022 ratifiziert. Im Vorfeld hatte sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für Nachbesserungen an dem Abkommen eingesetzt. Der Bundestag hatte gemeinsam mit der Europäischen Kommission eine klarstellende Auslegungserklärung zum Investitionsschutz erarbeitet, um die Investitionsschutzbestimmungen des Abkommens klarer zu beschreiben. Die Erklärung muss von allen EU-Mitgliedstaaten unterstützt und in Absprache mit Kanada vom Gemischten CETA-Ausschuss angenommen werden. Damit haben bisher 17 EU-Mitgliedstaaten das CETA-Abkommen ratifiziert.
Bewertung stellt positive Auswirkung dar
Die Europäische Kommission hatte im Januar 2024 eine Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Handelsabkommens für kleine und mittlere Unternehmen veröffentlicht. Die Auswertung hatte das European Centre for International Political Economy (ECIPE) vorgenommen.
Das Europäische Parlament hatte im November 2023 ebenfalls einen Bericht zu ausgewählten Aspekten des CETA-Abkommens veröffentlicht. Danach stieg der Warenhandel zwischen der EU und Kanada zwischen 2017 und 2022 um 53 Prozent. Der Handel mit Dienstleistungen stieg um 46 Prozent.
Weitere Daten und Fakten zum Handel der EU mit Kanada sowie zu Inhalten und Auswirkungen des CETA-Abkommens hat die Europäische Kommission veröffentlicht.
Umfangreicher Zollabbau und moderne Ursprungsregeln
CETA sieht einen Wegfall der Zölle für 98,6 Prozent aller kanadischen und 98,7 Prozent aller EU-Zolltariflinien vor. Für 98,2 Prozent aller kanadischen und 97,7 Prozent aller EU-Waren sind die Zölle bereits am 21. September 2017 weggefallen.
Industriegüter sollen ausnahmslos zollfrei werden. Mehr als 99 Prozent dieser Güter sind bereits zollfrei. Übergangsfristen gelten auf beiden Seiten bei einer begrenzten Anzahl von Produkten im Automobilbereich und auf kanadischer Seite bei Schiffen.
Im Agrarbereich hat Kanada die Zölle für 90,9 Prozent aller Erzeugnisse am 21. September 2017 abgeschafft. Nach sieben Jahren sollen die Zölle für 91,7 Prozent aller Agrarprodukte beseitigt sein. Für die restlichen Erzeugnisse gelten Zollkontingente (zum Beispiel bei Käse) oder sie sind vollständig vom Zollabbau ausgenommen (zum Beispiel Eier und Eiprodukte). Die EU hat 92,2 Prozent der Zölle auf Agrarwaren am 21. September 2017 abgeschafft. Nach sieben Jahren werden für 93,8 Prozent der Agrarwaren die Zölle beseitigt sein. Für die verbleibenden Agrarwaren gelten Sonderregelungen oder sie sind vollständig vom Zollabbau ausgenommen (zum Beispiel Hühnerfleisch, Eier).
CETA bietet moderne Ursprungsregeln
Die Ursprungsregeln orientieren sich weitgehend an EU-Regeln der neueren EU-Freihandelsabkommen. Angeknüpft wird entweder an einen Positionswechsel der Ware im Harmonisierten System oder an eine Kombination aus Positionswechsel und Wertschöpfungskriterium. Die produktspezifischen Listenregeln sind allerdings detaillierter abgefasst als bisher in klassischen EU-Abkommen üblich.
Als Ursprungsnachweis gilt gemäß Art. 18 des Ursprungsprotokolls eine Ursprungserklärung laut dem in Anhang 2 zum Ursprungsprotokoll vorgeschriebenem Wortlaut auf der Handelsrechnung oder einem anderen Handelsdokument. Abweichend von den Ursprungsregeln anderer neuerer Freihandelsabkommen der EU können Präferenznachweise von Warensendungen mit einem Wert von mehr als 6.000 Euro bei der Ausfuhr aus der EU seit dem 1. Januar 2018 ausschließlich von Registrierten Ausführern (REX) erstellt werden. Im Gegensatz zum Status des im Präferenzrecht bekannten ermächtigten Ausführers handelt es sich bei einem registrierten Ausführer nicht um einen bewilligungsbedürftigen Status, sondern es genügt eine Registrierung des Exporteurs im REX-System. Die Registrierung in den Mitgliedstaaten der EU ist seit dem 1. Januar 2017 möglich. Für die Registrierung als REX ist ein schriftlicher Antrag gemäß Anhang 22-06A Durchführungsverordnung zum Unionszollkodex (UZK-IA) zu stellen und zwar bei dem Hauptzollamt, in dessen Bezirk der Antragsteller die präferenzrechtliche Buchhaltung führt.
In der Ursprungserklärung ist in Feld 2 die Registernummer des registrierten Ausführers anzugeben. Kanadische Exporteure geben dort ihre Unternehmensnummer ("Business Number“) an (Anhang 2 zum Ursprungsprotokoll).
Verantwortlich für die Angaben im Präferenznachweis beziehungsweise die Verifizierung des Ursprungs in Zweifelsfällen ist grundsätzlich der Ausführer (Art. 19.6 Ursprungsprotokoll).
Basis für die Berechnung des Anteils von Vormaterialien ohne Ursprung (siehe Listenregeln in Teil 3) ist gemäß der Definition in Art. 1 des Ursprungsprotokolls der Transaktionswert oder der Ab-Werk-Preis der Waren. Es handelt sich hierbei um den dem Hersteller des Erzeugnisses gezahlten oder zu zahlenden Preis an dem Ort, an dem der letzte Herstellungsschritt durchgeführt wurde. Er muss den Wert aller Vormaterialien umfassen.
Toleranzen werden bis zu zehn Prozent des Transaktionswertes oder Ab-Werk-Preises gewährt. Die Prozentklauseln der Listenregeln dürfen dadurch nicht überschritten werden.
Eine Bearbeitung von Ursprungswaren außerhalb der Vertragsparteien ist gemäß Art. 14 des Ursprungsprotokolls nicht erlaubt. Erlaubt sind zum Beispiel abladen und neu verladen (Territorialitätsprinzip).
Schwerpunkt auf Abschaffung technischer Handelshemmnisse
Das Abkommen sieht eine verstärkte Zusammenarbeit zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse vor. Die Anerkennung der Konformitätsbewertung zwischen den Vertragsparteien soll verbessert werden. Ziel ist eine gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen entsprechend dem Protokoll über die gegenseitige Anerkennung der Ergebnisse von Konformitätsbewertungsverfahren (Art. 4.5). Doppelte Prüfkosten würden hierdurch wegfallen.
Überdies halten sich die Parteien an das Protokoll über die gegenseitige Anerkennung des Programms für die Einhaltung und Durchsetzung der Guten Herstellungspraxis für pharmazeutische Erzeugnisse (Art. 4.5). Beide Protokolle finden sich in den Anhängen des Abkommens.
Darüber hinaus sind regulatorische Kooperationen auf freiwilliger Basis auf der Grundlage relevanter WTO-Abkommen möglich.
Weiterhin beinhaltet CETA:
- Zoll- und Handelserleichterungen,
- gesundheitspolitische und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen,
- einen verbesserten Schutz des geistigen Eigentums (geographische Angaben),
- den Handel mit Dienstleistungen,
- eine Öffnung der Beschaffungsmärkte kanadischer Provinzen und Kommunen für europäische Anbieter vor (Kapitel 19 - Marktzugangsliste Kanadas im Anhang 19-2). Diese Regelungen werden bereits angewendet.
- ein neues Investitionsschutzsystem mit einem ständigen, institutionalisierten Gericht zur Beilegung von Streitigkeiten (Kapitel 8, Abschnitt D). Es soll ein Berufungsgericht eingesetzt werden, das Entscheidungen des Investitionsgerichtes prüfen und ändern kann. Diese Regelungen sind von der vorläufigen Anwendung ausgenommen.
Drawback-Verbot seit September 2020 in Kraft
Der Handelsteil des Abkommens sieht in Artikel 2.5 überdies ein Drawback-Verbot vor, das gemäß Absatz 3 dieses Artikels drei Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens angewendet wird. Die Europäische Kommission hatte im September 2020 mitgeteilt, dass das Verbot ab dem 21. September 2020, drei Jahre nach Beginn der vorläufigen Anwendbarkeit des Handelsteils, gelten werde.
"Draw-Back-Verbot" bezeichnet eine Regelung, nach der Präferenznachweise dann nicht ausgefertigt werden dürfen, wenn bei der Herstellung von Ursprungswaren Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft verwendet worden sind, für die - insbesondere im Zollverfahren der aktiven Veredelung - die vorgesehenen Einfuhrzölle wegen der Ausfuhr der aus den betreffenden Vormaterialien hergestellten Erzeugnisse nicht erhoben oder erstattet worden sind.
Steckbrief: Zollabbau, Ursprungsregeln und Nachweise
Zollabbau (Einfuhrland) | |
Kap. 84 | mit Inkrafttreten |
Kap. 85 | mit Inkrafttreten |
Kap 87 | meist mit Inkrafttreten, in einigen Fällen in 3, 5 oder 7 Jahresschritten (B, C, D) |
Kap. 28 | mit Inkrafttreten |
Kap. 29 | mit Inkrafttreten |
Kap. 30 | mit Inkrafttreten |
Ursprungsregeln | |
Kap. 84 |
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Kap. 85 | Meist wie Kap. 84 |
Kap. 87 |
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Kap. 28 |
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Kap. 29 | wie Kap. 28 |
Kap. 30 | Positionswechsel |
Ursprungsnachweis | Ursprungserklärung auf Handelspapier, Aussteller ausschließlich REX bzw. kanadischen Exporteure mit "business number“ |