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Kasachstan setzt bei Erdöl auf mehr Wertschöpfung

Kasachstan sitzt auf viel Öl. Statt es zu exportieren, will das Land künftig mehr davon in Raffinerien veredeln. Die Nachfrage nach Treibstoffen in Zentralasien steigt.

Von Viktor Ebel | Almaty

Die kasachische Wirtschaft wächst – ebenso wie die anderen Entwicklungs- und Schwellenländer in Zentral- und Südasien. Damit steigt auch der Energiebedarf. Obwohl sich grüne Technologien zunehmend etablieren, bleiben fossile Rohstoffe gefragt, vor allem in der Industrie und im Schwerlastverkehr. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass der weltweite Ölverbrauch erst 2030 seinen Höchststand erreichen wird.

Zu diesem Zeitpunkt könnten in Kasachstan bereits mehrere Millionen Tonnen Benzin, Diesel und Kerosin fehlen, befürchtet die kasachische Regierung. Denn die vier Raffinerien im Land drei große Petrochemiekomplexe in Atyrau, Pawlodar und Schymkent sowie ein kleinerer, auf Bitumen spezialisierter Ölverarbeiter in Aktau können mit dem Bedarf der Wirtschaft bald nicht mehr Schritt halten.

"Tanktourismus" aus den Nachbarstaaten und der illegale Weiterverkauf der subventionierten kasachischen Treibstoffe verschärft die Problematik. Um die Versorgungssicherheit im Land langfristig zu gewährleisten, wird ein deutlicher Ausbau der Raffineriekapazitäten bis 2030 angestrebt von jährlich 17 Millionen auf 27 Millionen Tonnen.

Ausbau der Produktion setzt große Investitionen voraus

Neben der Versorgung des heimischen Marktes hat das kasachische Energieministerium noch weitergehende Pläne für die Raffinerien. Ein Regierungsprogramm zur Entwicklung der petrochemischen Industrie für den Zeitraum bis 2050 sieht unter anderem vor, diese fit für den Export zu machen. Der staatliche Energieriese KazMunayGas ist Mehrheitseigener der Raffinerien in Atyrau und Pawlodar. Die Betriebe in Schymkent und Aktau betreibt KazMunayGas jeweils gemeinsam mit chinesischen Partnern.

Zudem steht eine Verringerung der Umweltbelastung im Fokus. Technologische Anpassungen sollen den Anteil schwefel- und benzolhaltiger Verbindungen in den Kraftstoffen sowie Prozessverluste minimieren. Außerdem sind zusätzliche Systeme zur automatisierten Emissionsüberwachung und mehr Aufbereitungsanlagen vorgesehen. Ausländische Unternehmen haben hier gute Lieferchancen. Die Ausfuhren deutscher Industrieausrüstung nach Kasachstan haben in den letzten Jahren spürbar zugenommen.

Um diese Ziele zu erreichen, sind erhebliche Investitionen nötig. Über 60 Prozent der Anlagen sind mehr als 20 Jahre alt. Das treibt den Aufwand zur Instandhaltung spürbar nach oben und bremst die Produktion. Um gegenzusteuern und die Wartungsintervalle auf drei Jahre auszudehnen, planen die Raffinerien den Austausch von etwa 10.000 Ausrüstungsgegenständen sowie von Rohrleitungen, Mess- und Regeltechnik, Energieanlagen und automatisierten Prozesssteuerungssystemen.

Schwerpunkt der nächsten Jahre ist die Raffinerie Schymkent. Die Kosten für ihre Erweiterung belaufen sich auf etwa 5 Milliarden US-Dollar (US$). Die Arbeiten an den drei anderen Standorten sind bereits im Gange und dürften bis spätestens 2026 zu Ende gehen. Zudem kündigte der Energieminister jüngst eine neue Großraffinerie an, deren Bau 2032 beginnen könnte.

Petrochemische Industrie treibt wirtschaftliche Diversifizierung voran

Seit Jahren forciert die kasachische Regierung eine Stärkung des verarbeitenden Gewerbes, um die Wirtschaft zu diversifizieren und die Wertschöpfung zu erhöhen. Mittlerweile fällt der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt (BIP) fast genauso hoch aus wie der des Bergbaus. Dazu trugen auch andere Sparten der chemischen Industrie bei. Der BIP-Beitrag der Ölverarbeitung sank hingegen laut kasachischem Statistikamt zwischen 2013 und 2023 von 1,6 auf 0,9 Prozent. Dieser Trend soll nun rückgängig gemacht werden.

Kasachstan orientiert sich dabei an Ländern wie Saudi-Arabien und Kanada, die nicht nur Öl fördern, sondern es auch in zunehmendem Maße selbst verarbeiten. Qualitativ sollen die aktuellen Ausbauvorhaben dafür sorgen, dass die Verarbeitungstiefe von derzeit unter 90 auf bis zu 97 Prozent steigt. Hierfür wird moderne Technik benötigt, um schwere Rückstände zu entfernen.

Kasachstan hinkt bei der Verarbeitung noch hinterherVergleich mit den wichtigsten Ölförderländern
Land

Förderung 1)

Verarbeitung 1)

Verhältnis von Förderung und Verarbeitung

USA

19.358

15.963

1,2

Saudi-Arabien

11.389

2.810

4,1

Russland

11.075

5.668

2,0

Kanada

5.653

1.716

3,3

...

 

 

 

Kasachstan

1.891

463

4,1 2)

1 Angaben in 1.000 Barrel Rohöl pro Tag im Jahr 2023; 2 bis 2031 strebt Kasachstan ein Verhältnis von 3,9 an.Quelle: Energy Institute 2024 Statistical Review of World Energy; Berechnungen von Germany Trade & Invest 2025

Erdölerzeugnisse sollen die Exportpalette erweitern

Die zusätzlichen Kapazitäten sollen es Kasachstan zukünftig nicht nur ermöglichen, bei aus Erdöl gewonnenen Erzeugnissen den heimischen Markt selbst zu versorgen. Darüber hinaus könnten auch bis zu 10 Prozent der Produktion in nahe gelegene Märkte exportiert werden. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) schätzt, dass der Bedarf an Ölprodukten in asiatischen Entwicklungsländern in den nächsten zehn Jahren besonders stark steigen wird.

Auch die IEA sieht diese Region mit ihrer wachsenden Bevölkerung und der aufholenden Wirtschaft als zukünftigen Treiber bei der Nachfrage nach Ölprodukten. Kasachstan hat aufgrund seiner günstigen geografischen Lage gute Perspektiven, diese Wachstumsmärkte zu beliefern.

Experten haben Zweifel an der Strategie

Mit Ausnahme von Pawlodar, wo russisches Rohöl verarbeitet wird, versorgt der staatliche Energieriese KazMunayGas die Raffinerien bislang aus eigenen Feldern. Die Vorräte dieser Ölquellen gehen jedoch zur Neige. Um die Produktion in den Raffinerien wirklich hochfahren zu können, muss Öl daher in Zukunft aus den von internationalen Konsortien in Kasachstan betriebenen Feldern Tengiz und Kaschagan bereitgestellt werden.

Noch ist dies aber nicht rentabel, da der Verkauf auf dem Weltmarkt dreimal mehr als auf dem inländischen Markt einbringt. Damit die Raffinerien Öl zu Marktpreisen wirtschaftlich verarbeiten und absetzen können, müsste die kasachische Regierung den Preisdeckel für Kraftstoffe aufheben. Beobachter kritisieren, dass die Strategie bis 2050 darauf nicht näher eingeht. Eine weitere offene Frage ist die Finanzierung. Da in den überwiegend staatlichen Raffinerien noch keine marktwirtschaftlichen Bedingungen herrschen, dürften private Investoren sich vorerst zurückhalten. 

Günstiger Sprit ein sensibles Thema in Kasachstan

Kasachstan ist eines der Länder mit den niedrigsten Preisen für Benzin und Diesel weltweit. Mit Subventionen von etwa 1 Milliarde US$ hielt der Staat im Jahr 2023 die Preise niedrig, so das Management der Staatsholding Samruk-Kazyna, die auch Mehrheitsaktionär bei KazMunayGas ist.

Im Herbst 2024 kündigten die kasachischen Behörden an, die Preise für Benzin und Diesel freizugeben auch um die petrochemische Industrie rentabel zu machen. Ob und wann es dazu kommt, ist aber unklar.

Die Kraftstoffpreise sind ein heikles Thema. Eine Anhebung der Autogas-Preise führte Anfang 2022 zu blutigen Protesten. An Preiserhöhungen scheint aber kein Weg vorbeizuführen. Denn importierte Kraftstoffe sind ebenfalls teuer und schaffen zudem Abhängigkeiten.

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