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Neuer Generalplan soll Almaty fit für die Zukunft machen
Kasachstans Wirtschaftsmetropole könnte 2040 nicht mehr wiederzuerkennen sein: Die Regierung will mehr Grünflächen schaffen, den ÖPNV stark ausbauen und das Stadtzentrum entlasten.
06.09.2023
Von Viktor Ebel | Bonn
Almaty war bis 1997 die Hauptstadt Kasachstans und ist heute noch das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des zentralasiatischen Landes. Die Konjunktur brummt, und der Zustrom von Menschen hält an. Das stellt die Stadt, deren Fläche und Einwohnerzahl sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt hat, vor Herausforderungen. Luftverschmutzung, Verkehrsstau und Wohnungsmangel schmälern die Lebensqualität in der einst als "Gartenstadt" bekannten Metropole am Fuße des Tien-Shan-Gebirges zunehmend. Das veranlasste die Regierung dazu, unter Einbeziehung von unabhängigen Experten und der Zivilgesellschaft, ein neues städtebauliches Konzept für Almaty auszuarbeiten.
Das Ergebnis ist der im Mai 2023 genehmigte Generalplan 2040, der die Entwicklung der Stadt in den nächsten Jahren maßgeblich beeinflussen dürfte. Die Planer orientieren sich an internationalen Best Practices, um Almaty grüner und sauberer zu machen. Durch eine räumliche Neuordnung der Stadt soll zudem sichergestellt werden, dass sich die Wirtschaft im Einklang mit den Bedürfnissen der Bürger weiterentwickelt. Dafür will die Regierung viel Geld in die Hand nehmen: Für die erste Bauphase bis 2030 sind 20 Milliarden US-Dollar (US$) an Investitionen veranschlagt. Ausschreibungen für Waren und Dienstleistungen im Rahmen des Generalplans 2040 sind auf dem öffentlichen Beschaffungsportal zu finden.
Fünf Stadtzentren anstatt einem
Ein zentraler Pfeiler des neuen Generalplans ist die Etablierung weiterer Stadtzentren in den Außenbezirken, die jeweils eigene Wohn-, Gewerbe- und Freizeitgebiete haben, sowie deren infrastruktureller Anschluss an den zentralen Planungsbezirk. Die wirtschaftlichen Schwerpunkte der Zentren sollen wie folgt aufgeteilt werden:
- Historisches Zentrum: Tourismus, Dienstleistungssektor
- Osten: Logistik-Hub, Messegelände in Flughafennähe, Medizin- und Pharmaindustrie
- Norden: Umwandlung in ein Naherholungsgebiet mit starkem Dienstleistungssektor
- Westen: Logistik-Hub, große Industriegebiete
- Südwesten: kleinere Industriegebiete, Handel, Transportdienstleistungen
Da die Bevölkerung bis 2030 auf 2,5 Millionen und bis 2040 auf 3 Millionen anwachsen soll, ist in den neu entstehenden Stadtteilen vor allem Wohnraum gefragt. Ein Großteil der Menschen wohnt in mehrstöckigen Apartmentblocks, die auch 90 Prozent der Neubauten ausmachen werden. Zudem werden Schulen und Kliniken sowie weitere öffentliche Einrichtungen benötigt. Auf den Bau von Wohnungen entfällt mit 15 Milliarden US$ ein Großteil des Budgets bis 2030, gefolgt von der sozialen Infrastruktur mit 3 Milliarden US$.
Mehr ÖPNV soll Individualverkehr ausbremsen
Almaty leidet unter vollen Straßen, da die Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten mit der rasanten Verkehrszunahme nicht Schritt halten konnte. Die Auswirkungen auf die Luftqualität sind immens: Aufgrund der kesselförmigen Topografie der Stadt sammeln sich Autoabgase, die laut Experten 80 Prozent der Emissionen in Almaty ausmachen. Mit einem massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs will die Regierung der verkehrsbedingten Luftverschmutzung den Kampf ansagen. Dafür stehen bis 2030 etwa 1,3 Milliarden US$ bereit.
Dabei setzt sie auf einen Mix verschiedener Verkehrsmittel wie U-Bahn, Stadtbahn und Schnellbusse. Bis 2040 soll die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel um 60 Prozent steigen. Demgegenüber sollen 20 Prozent weniger Menschen auf private Pkw zurückgreifen. Neben dem Ausbau ist auch eine Umrüstung bestehender Fahrzeuge geplant. Bis 2025 sollen 1200 Dieselbusse auf Gas- und Elektroantrieb umgestellt werden. Außerdem ist geplant, die Ladeinfrastruktur für E-Autos auszubauen.
1. Bauphase bis 2030 | Ziel für 2040 | |
---|---|---|
Bau von U-Bahn-Linien (in km) | 5,2 | 7,8 |
Bau von Stadtbahn-Linien (in km) | 45,0 | 76,0 |
Bau von Schnellbus-Linien (in km) | k.A. | 57,0 |
Technische Infrastruktur wird erweitert und modernisiert
Ein weiterer großer Emittent ist das Heizkraftwerk Almaty-2, welches durch die Verfeuerung von Kohle gerade im Winter für trübe Aussichten über der Stadt sorgt. Dieses wird bis Dezember 2026 von einem chinesischen Konsortium auf Gas als Brennstoff umgerüstet. Neben einer wesentlich besseren CO₂-Bilanz und einer Erhöhung der Kapazität auf 600 Megawatt wird das Gaskraftwerk zudem als Netzreserve für Wind- und Solarkraftanlagen dienen. Internationale Geber wie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Asiatische Entwicklungsbank stellen Millionenkredite für das Projekt zur Verfügung.
Zudem sind im Stromsegment zahlreiche neue Umspannwerke und Leitungen geplant. Auch die sonstige technische Infrastruktur wie die Wärme-, Wasser- und Gasversorgung wird umfassend erweitert und saniert. Der Generalplan sieht bis 2030 ein Budget von über 2 Milliarden US$ für diesen Bereich vor.
1. Bauphase bis 2030 | Ziel für 2040 | |
---|---|---|
Wasserleitungen (in km) | 1.007 | 2.295 |
Sanierung | 395 | 750 |
Neubau | 612 | 1.545 |
Kanalisation (in km) | 786 | 1.385 |
Sanierung | 391 | 760 |
Neubau | 395 | 625 |
Gasleitungen (in km) | 100 | 550 |
Wärmeversorgungsnetz (in km) | k.A. | 161 |
Nachhaltigkeit und Sicherheit rücken in den Fokus
Weniger Individualverkehr und eine saubere Luft sollen die Lebensqualität in Almaty deutlich verbessern. Das steht in Einklang mit der Dekarbonisierungsstrategie Kasachstans, die Klimaneutralität bis 2060 vorsieht. Doch auch optisch dürfte sich in der Millionenmetropole einiges tun. So ist geplant, manche Industrieviertel aus den zentralen Stadtteilen in das Umland der Stadt zu verlagern. In den frei werdenden Arealen sollen dann Naherholungsgebiete eingerichtet werden, darunter ein durch die Stadt verlaufender grüner Flusskorridor vom Vorgebirge bis ins Flachland. Bis 2030 wird sich die Gesamtfläche der Grünflächen mehr als verdoppeln – von 1.300 Hektar auf 3.340 Hektar. Bis 2040 sind 3.840 Hektar angepeilt.
Der Generalplan bezieht auch verstärkt Sicherheitsaspekte mit ein, um Almaty gegen Naturkatastrophen zu wappnen. So dürfen die Gebäude in bestimmten seismisch aktiven Zonen maximal sechs Stockwerke hoch sein. Gebiete, die von Hochwasser, Schlammlawinen und Erdrutschen gefährdet sind, sollen gänzlich unbebaut bleiben. Diese Beschränkungen würden ganz nebenbei auch die natürliche Luftzirkulation verbessern.
Auch neue Industriegebiete geplant
Laut dem Generalplan sollen bis 2030 fast 1.000 Hektar an Industriegebieten hinzukommen, davon 790 Hektar im Nordosten der Stadt und 200 Hektar im Stadtteil Alatau, wo sich ein staatlich geförderter Technologiepark befindet.