Branchen | Kenia | Medizin
Gesundheitssektor in Kenia: Investitionen dürften wieder zunehmen
Kenias Gesundheitssektor gewinnt wieder an Fahrt - insbesondere der private Bereich. Deutsche Zulieferer verfügen hier über gute Chancen.
06.06.2024
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Kenias Gesundheitssektor dürfte in den kommenden Jahren schneller wachsen als die kenianische Gesamtwirtschaft. Nach mäßigen Jahren steigt der Optimismus der Unternehmen auf zunehmendes Geschäft ab dem 2. Halbjahr 2024. Importe sind wieder erschwinglicher geworden für kenianische Unternehmen, weil der Kenianische Shilling im Vergleich zum Euro und US-Dollar zuletzt an Wert gewinnen konnte.
Zunehmen könnten vor allem die Investitionen im privaten Gesundheitssektor. Beim Staat hängt es davon ab, inwieweit er trotz der hohen Verschuldung Kapital für den Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur aufbringen kann. Der Umsatz im gesamten kenianischen Gesundheitssektor wird vom Marktforschungsinstitut BMI auf rund 5,5 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2024 vorausgesagt, nach etwa 5,3 Milliarden im Vorjahr. Dies entspräche einem Wachstum von 3,8 Prozent. Der öffentliche und der private Gesundheitssektor teilen sich den Markt in etwa je zur Hälfte.
Branchenexpertin Gesundheitswirtschaft in Kenia
Brenda Kokwaro ist die Branchenexpertin für den kenianischen Gesundheitssektor. Vor Ort identifiziert sie Geschäftsmöglichkeiten und bringt kenianische und deutsche Unternehmen zusammen. Sie arbeitet für das Wirtschaftsnetzwerk Afrika und ist an der AHK Ostafrika in Nairobi angesiedelt. Kontaktieren Sie Frau Kokwaro unter branchenexperten@gtai.de.
Liefermöglichkeiten für deutsche Unternehmen gibt es vor allem bei Medizintechnik und pharmazeutischen Produkten. Gleichwohl dominiert günstige Ware aus Asien den Markt, sodass eine intensive Kundenbetreuung nötig ist, um potenzielle Kunden von seinem Produkt zu überzeugen. Digital Health gewinnt in Kenia an Fahrt, auch angesichts der schlechten Versorgung in ländlichen Gegenden. Auch lokale Produktion ist eine Möglichkeit. So stellt B. Braun Infusionslösungen bei Nairobi her. Andere, wie Glaxo Smith Kline, haben mit ihrer Produktion Kenia verlassen. Lokale Produktion ist also kein Selbstgänger. Dr. Torsten Dönhoff, Geschäftsführer von B. Braun in Kenia, verrät, worauf deutsche Unternehmen achten sollten, wenn sie hier erfolgreich produzieren wollen:
- Herstellungskosten beständig optimieren. Die permanente Kostenkontrolle beim lokalen Einkauf z.B. von Etiketten, Verpackungen und Dienstleistungen sowie ein effizienter Einsatz der Arbeitskräfte ist unerlässlich;
- den am besten geeigneten Marktzugang finden: Direktvertrieb oder Online-Vertrieb wo möglich – mit Vertriebspartnern wo nötig
- Komplettlösungen für Krankenhausprozesse statt Einzelprodukte anbieten;
- Produktinnovationen und Anwendungsschulungen bereitstellen
- sich als echte Partner des Kunden erweisen: zum Beispiel durch neue Geschäftsmodelle und zuverlässige Produktversorgung.
Wachsende Mittelschicht nutzt den Privatsektor
Wachstumsmotor ist neben dem Bevölkerungswachstum von jährlich etwa 1,2 Millionen Menschen die wachsende Mittelschicht. Hiervon profitiert vor allem der private Gesundheitssektor, der zu den größten in Afrika zählt. Hier werden nicht nur wohlhabende Kenianer versorgt, sondern Patienten aus ganz Ostafrika, die sich das leisten können. In der Mittelschicht nehmen auch durch vermehrt ungesunde industrielle Ernährung die chronischen Krankheiten rapide zu, wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislaufkrankheiten, was zu Investitionen in diesen Bereichen führt. Auch die Gruppe der über 65-Jährigen wächst und mit ihr der Bedarf an altersgerechter Versorgung.
Im Fokus der Privaten stehen die Behandlung chronischer Krankheiten, Kinderheilkunde und die Bereiche Zahnmedizin, Orthopädie, Schönheitschirurgie, Augenheilkunde und Diagnostik. Gerade in Nairobi gibt es eine Reihe privater Krankenhäuser wie Aga Khan, Nairobi Hospital, M.P. Shah, Karen Hospital oder Avenue Hospital. Hinzu kommen zahlreiche Arztpraxen und Diagnostikzentren. Sie alle investieren regelmäßig in den Ausbau ihrer Kapazitäten.
Eine wichtige Rolle - gerade in ländlichen Regionen - spielen "Non-Profit-Einrichtungen", die von religiösen Organisationen wie Kirchen betrieben und finanziert werden. Private Gesundheitseinrichtungen in Kenia legen beim Kauf von Medizintechnik und Pharmazeutika Wert auf Qualität und Kundenbetreuung. Deutsche Zulieferer verfügen hier über gute Chancen.
Regierung will mehr Geld für den staatlichen Gesundheitssektor
Interessant aufgrund ihres großen Umfangs sind auch Ausschreibungen des staatlichen Gesundheitssektors. Entscheidungen, wer den Zuschlag erhält, sind oft preisgetrieben und laut Angaben von Zulieferern unter Compliance-Aspekten nicht immer sauber. Mitunter beeinflussen auch beteiligte Geberorganisationen die Entscheidung. Auch wenn es gute staatliche Gesundheitseinrichtungen in Kenia gibt, ist das Niveau der staatlichen Gesundheitsversorgung nicht mit Europa zu vergleichen.
Die aktuelle Regierung unter Präsident William Ruto will das ändern. In den 2023 neu geschaffenen Social Health Insurance Fund (SHIF) sollen die Kenianer nun deutlich mehr einzahlen, als bei der Vorgängerorganisation NHIF. Damit würde auch mehr Geld für Beschaffungen zur Verfügung stehen. Angesichts der hohen Staatsverschuldung und der Korruptionsanfälligkeit des Sektors sind sich Experten jedoch nicht sicher, ob das Geld wirklich im Gesundheitssektor landet. Es bleibt daher abzuwarten, inwieweit sich zusätzliche Lieferchancen ergeben.
Vertrieb: Lokale Präsenz wird immer wichtiger
Einfach ist es nicht, sich in Kenia zu etablieren, aber das Interesse ist groß. Im Februar 2024 eröffnete der Medizintechnikhersteller Dräger sein neues Büro in Nairobi, von dem aus der Vertrieb nach ganz Ostafrika betreut werden soll. Dräger arbeitet zusätzlich noch mit einem lokalen Vertriebspartner zusammen. Ein solches zweigleisiges Modell fahren auch andere Zulieferer des Gesundheitssektors.
Dazu gehörte auch Bayer. Das Unternehmen kündigte jedoch Anfang 2024 an, künftig nur noch über einen Distributor in Kenia präsent zu sein. Mangelnde Compliance der Kunden erschwert das Geschäft und macht das Einbinden eines Distributors wichtig. Bei der Auswahl ist Vorsicht geboten, da die Qualität sehr unterschiedlich ist.
Projekt | Information |
---|---|
Surgipharm | Vertreten eine Reihe der großen Pharma- und Medizintechnikanbieter. Zentrale in Nairobi, Filiale in Mombasa |
Harleys | Familienunternehmen, das 1953 gegründet wurde. Büros in Nairobi, Mombasa und Eldoret. |
Laborex | Gegründet 1911 unter dem Namen Howse & McGeorge. Gehört heute zur französischen CFAO-Gruppe. Büro in Nairobi. |
Geringe Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Kenia
In Subsahara-Afrika ist der kenianische Gesundheitssektor gemessen am Umsatz nach Südafrika und Nigeria der drittgrößte. Weltweit hingegen spielt er noch keine große Rolle. Das liegt an der Armut weiter Teile der Bevölkerung, und auch das niedrige Durchschnittsalter von rund 20 Jahren schränkt das Potenzial ein. Die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben von jährlich nur etwas über 100 US-Dollar liegen weit unter dem weltweiten Durchschnitt (Deutschland: 5.939 Euro im Jahr 2022). Gleiches gilt für den geringen Anteil des Gesundheitssektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von unter 5 Prozent (Deutschland: 12,8 Prozent im Jahr 2022).
Bezeichnung | Anmerkungen |
Germany Trade & Invest: Länderseite zu Kenia | Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft |
AHK Kenia | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Exportinitiative Gesundheitswirtschaft | Portal der Exportinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz |
Ministry of Health | Gesundheitsministerium |
Kenya Medical Supplies Agency (KEMSA) | staatliche Beschaffungsstelle |
Pharmacy & Poisons Board (PPB) | Regulierer für Pharmazeutika |
Kenya Healthcare Federation (KHF) | Verband niedergelassener Ärzte |
The East African Medical Journal | Fachpublikation |
Medic East Africa | Fachmesse in Nairobi; nächste Veranstaltung findet vom 4.-6. September 2024 im Kenyatta International Convention Centre statt |