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Branche kompakt | Kolumbien | Bauwirtschaft

Bauwirtschaft kommt nur langsam wieder auf die Beine

Kolumbiens Bausektor wurde hart von der Coronapandemie getroffen. Dennoch bestehen mittelfristig gute Geschäftschancen für deutsche Firmen bei großen Infrastrukturprojekten.

Von Edwin Schuh | Bogotá

  • Marktchancen

    Obwohl der Hochbau als auch der Infrastrukturbau im vergangenen Jahr um rund ein Viertel einbrachen, wird für 2021 nur mit einer langsamen Erholung gerechnet.

    Kein starkes Wachstum 2021 erwartet

    Kaum ein Sektor der kolumbianischen Wirtschaft war 2020 so stark von der Pandemie betroffen wie die Bauwirtschaft. Aufgrund des landesweiten Lockdowns brach die Bauaktivität vor allem im 2. Quartal stark ein (-40,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal). Obwohl die Einschränkungen nach und nach gelockert wurden, litt die Bauwirtschaft unter geringeren Investitionen und der Aufschiebung neuer Projekte. Insgesamt brach der Sektor 2020 um 27,7 Prozent ein - deutlich stärker als die kolumbianische Gesamtwirtschaft (-6,8 Prozent). Dabei waren der Hochbau und der Infrastrukturbau in etwa gleichem Maße rückläufig.

    Marktvolumen der Bauwirtschaft in Kolumbien (in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

    Kennziffer

    2019

    2020

    Veränderung 2020/19 *)

    Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon

    17.386

    11.164

    -27,7

      Wohnungsbau

    8.425

    5.449

    -27,2

      Infrastrukturbau

    5.457

    3.448

    -28,9

      Wert der erbrachten Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen

    3.549

    2.29

    -27,3

    *) auf Basis kolumbianische Pesos (kol$)Quelle: Statistikamt DANE

    Genehmigte Baufläche stark gesunken

    Mittelfristig gestaltet sich die Auftragslage im Hochbau als schwierig. Im Gesamtjahr 2020 fiel die für den Wohnungsbau freigegebene Fläche um ein Viertel auf 13,3 Millionen Quadratmeter. Im Wirtschaftsbau (Büro-, Gewerbe-, Industriebau) wurden 3,4 Millionen Quadratmeter an Baufläche genehmigt, rund 33 Prozent weniger als im Vorjahr. Aufgrund des niedrigen Ausgangswertes des Vorjahres erwartet die kolumbianische Kammer der Bauwirtschaft CAMACOL (Cámara Colombiana de la Construcción) dennoch positive Wachstumszahlen in 2021. Demzufolge sollen der Hochbau um 5,2 und der Infrastrukturbau um 6,9 Prozent zulegen. Beide Werte sind nach den starken Einbrüchen 2020 allerdings ernüchternd. In einem optimistischen Szenario sieht CAMACOL immerhin Zuwächse von bis zu 10 Prozent für beide Unterbereiche der Bauwirtschaft.

    Von der 2020 genehmigten Baufläche entfiel 38,9 Prozent auf den sozialen Wohnungsbau VIS (Vivienda de Interés Social). Dieser Anteil war aufgrund der staatlichen Sozialprogramme im Zuge der Pandemie höher als in der Vergangenheit. Die Baukammer CAMACOL prognostiziert daher für 2021 einen Anstieg der Verkäufe von Sozialwohnungen um 7,6 Prozent auf 135.040 Einheiten. Allerdings kritisiert die Baukammer die aktuell im Kongress diskutierte, geplante Steuerreform. Nach Einschätzung der Kammer könnte die Reform den Bau von VIS-Wohnungen auf nur 26.000 Einheiten jährlich reduzieren.

    Deutsche Firmen vor allem als Zulieferer tätig

    Die Bauwirtschaft in Kolumbien bietet deutschen Unternehmen trotz der aktuellen Lage zahlreiche Chancen, da das Land auf ausländische Maschinen, Spezialmaterialien und Know-how angewiesen ist. Im Hochbau sind Bosch, Keuco, Duravit und Grohe wichtige Ausstatter für Hotels, Kliniken und im Luxuswohnsegment. Unternehmen wie Liebherr, Kaeser oder Peri liefern vor allem im Tiefbau Baumaschinen, Kränen und Gerüsten. Zudem besteht eine große Nachfrage nach Ingenieursdienstleistungen und Beratung, vor allem für größere Infrastrukturprojekte. Das Planungs- und Consultingbüro der Deutschen Bahn (DB Engineering & Consulting) eröffnete deshalb kürzlich eine Niederlassung in Kolumbien.

    Interessante Geschäftsmöglichkeiten bestehen bei geplanten Großprojekten im Infrastrukturbereich, obwohl deutsche Firmen hier meist als Zulieferer zum Zuge kommen - weniger als Großauftragnehmer. Bei dem Infrastrukturprogramm "Vierte Generation von Konzessionen 4G" (Cuarta Generación de Concesiones), das 2014 anlief und in den kommenden Jahren fertig gestellt werden soll, beteiligte sich kein deutsches Bauunternehmen an den Ausschreibungen. Von den 29 Teilstrecken des Programms wurden zahlreiche Projekte an namhafte internationale Baufirmen wie Sacyr, Grupo Ortiz, Iridium, OHL (alle Spanien), Vinci (Frankreich), MECO (Costa Rica), Shikun Binui (Israel), Strabag (Österreich) oder Mota Engil (Portugal) vergeben, zumeist in Konsortien mit lokalen Baufirmen.

    Ausgewählte Großprojekte in Kolumbien (Investitionen in Milliarden US$)

    Vorhaben

    Investitionssumme 

    Projektstand

    Projektträger

    Fünfte Generation von Infrastrukturkonzessionen (5G)

    14,4

    17 Autobahnen, 3 Schifffahrtsprojekte, 1 Zugstrecke, 5 Flughafenprojekte; siehe Projektliste

    Nationale Infrastrukturagentur ANI

    Vierte Generation von Infrastrukturkonzessionen (4G)

    13,4

    Insgesamt 29 Autobahnprojekte; Baufortschritt 54 Prozent (Stand: April 2021); 8 Projekte sollen bis Ende 2021 in Betrieb sein

    Nationale Infrastrukturagentur ANI

    Metrolinie 1 Bogotá

    4,3

    Bau und Betrieb vergeben an China Harbour Engineering Company, Xi'an Metro Company (beide China) und Bombardier (Kanada); Bau startete im November 2020; Inbetriebnahme 2028 geplant

    Metro de Bogotá S.A.

    Flughafensystem Bogotá 2050 (Sistema Aeroportuario de Bogotá SAB 2050)

    2,7

    Bestandteil des Programms 5G (siehe oben); Studien; Ausbau der Kapazität von 40 Mio. auf 80 Mio. Passagiere jährlich geplant

    Nationale Infrastrukturagentur ANI; Bauunternehmen Odinsa

    Regionalbahn Regiotram del Norte (Bogotá - Zipaquirá)

    1,5

    Machbarkeitsstudien

    Financiera de Desarrollo Territorial S.A.

    Kläranlage Canoas (Bogotá)

    1,2

    Wartet auf Umweltlizenz; Vergabe 2022 und Inbetriebnahme 2026 geplant; soll 70 Prozent des Abwassers der Hauptstadt klären; Projektinformationen

    EAAB-ESP

    Regiotram del Occidente (Bogotá - Facatativá)

    1,1

    Bau und Betrieb im Dezember 2019 an China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC) vergeben; Inbetriebnahme 2023 geplant

    Empresa Férrea Regional

    Metrolinie 3 (Medellín)

    0,9

    Technische Studien; Finanzierung (30 Prozent Stadt Medellín und 70 Prozent Zentralregierung) aufgrund von Coronapandemie unsicher

    Metro de Medellín

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen

    Neues Infrastrukturprogramm

    Mitte 2020 gab die kolumbianische Regierung das Folgeprogramm "Fünfte Generation von Konzessionen (5G)" bekannt. Anders als das 4G-Programm umfasst die neue Initiative nicht nur Autobahnprojekte, sondern auch den Ausbau von Flughäfen, Schifffahrtswegen und einer Zugstrecke. Die Ausschreibung der Projekte soll noch 2021 anlaufen, dürfte aber einige Jahre in Anspruch nehmen. Insbesondere die Flughäfen und Schifffahrtswege erfordern mehr Technologie und werden daher interessant für deutsche Firmen sein.

    Auch im öffentlichen Nahverkehr bestehen Geschäftschancen, obwohl bei dem derzeitigen Megaprojekt Metrolinie 1 in Bogotá ein chinesisches Konsortium den Zuschlag erhielt. Von deutscher Seite her hatte sich Siemens im Konsortium mit Strukton (Niederlande) und ICA (Mexiko) erfolglos beworben. Ein zweites Großprojekt in Bogotá, die Regionalbahn Regiotram del Occidente, ging ebenfalls an eine chinesische Baufirma. Dennoch besteht Hoffnung auf eine deutsche Beteiligung bei den noch ausstehenden Zuschlägen der Projekte Metrolinie 3 in Medellín und der Regionalbahn Regiotram del Norte in Bogotá.

    Von Edwin Schuh | Bogotá

  • Branchenstruktur

    Dank der Beteiligung an aktuellen Autobahnkonzessionen und Großprojekten im öffentlichen Nahverkehr gewinnen ausländische Baufirmen in Kolumbien Marktanteile.

    Ausländische Unternehmen expandieren

    Der kolumbianische Bausektor ist stark fragmentiert. So führte die Studie Vademécum de Mercados im Jahr 2017 insgesamt 1.126 größere Firmen in der Bauwirtschaft auf. Davon entfielen 438 auf den Tiefbau, 327 auf den Hochbau, 283 auf den Bereich Baumaterialien und 78 auf Ingenieurdienstleistungen. Daneben gibt es hunderte kleinere Unternehmen. Vor allem im Hoch- und Tiefbau ist der Umsatz unter den führenden Unternehmen relativ gleichmäßig verteilt.

    Im Zuge der großen Infrastrukturprojekte, die derzeit durchgeführt werden, tritt jedoch eine stärkere Konzentration auf und vor allem ausländische Firmen können ihre Marktanteile erhöhen. So stieg das spanische Baukonglomerat Sacyr dank zahlreicher Zuschläge bei dem 4G-Autobahnprogramm aktuellen Schätzungen zufolge zum wichtigsten Unternehmen im Tiefbau auf. Eigenen Angaben zufolge hat Sacyr in den vergangenen Jahren rund 3 Milliarden US$ in Kolumbien investiert und ist an Autobahnprojekten mit insgesamt 500 Kilometern Länge beteiligt. Auch das spanische Bauunternehmen Obrascón Huarte Lain (OHL) ist in Kolumbien für mehrere Projekte zuständig, unter anderem die Ayacucho Tram in Medellín.

    In den kommenden Jahren dürften auch die chinesischen Baufirmen wie CHEC (China Harbour Engineering Company) und CCECC (China Civil Engineering Construction Corporation) - die große Ausschreibungen im öffentlichen Nahverkehr in Bogotá gewannen (siehe Tabelle oben "Großprojekte") - im Ranking aufsteigen. Bei Baumaterialien sind ausländische Unternehmen wie Sodimac (Chile), 3M (USA) oder Sika (Schweiz) bereits stark vertreten.

    Größte Unternehmen in Kolumbiens Bauwirtschaft (Umsatz in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Umsatz 2018  1)

    Umsatzveränderung 2018/17  2)

    Hochbau

     Constructora Colpatria

    344,2

    15,9

     Marval

    314,9

    -2,1

     Amarilo

    308,5

    -12,3

    Infrastrukturbau

     Constructora Conconcreto

    399,2

    -13,1

     Construcciones El Cóndor

    361,0

    18,8

     Mincivil

    218,7

    7,4

    Ingenieur- und Architekturdienstleistungen

     Arquitectura y Concreto

    154,8

    5,1

     OHL Industrial Colombia

    70,8

    184,9

    SGS Colombia

    63,0

    94,2

    1) berechnet mit durchschnittlichem Wechselkurs in 2018: 1 US$ = 2.957 kolumbianische Pesos (kol$); 2) auf kol$-BasisQuelle: Zeitschrift Dinero

    Von Edwin Schuh | Bogotá

  • Rahmenbedingungen

    Der Vergabeprozess bei nationalen Ausschreibungen im Infrastrukturbereich ist in den vergangenen Jahren transparenter geworden.

    Öffentliche Ausschreibungen laufen über zentrale Plattform

    Öffentliche Bauaufträge im Infrastrukturbereich werden von der Nationalen Infrastrukturagentur ANI (Agencia Nacional de Infraestructura) vergeben. Die ANI ist für Konzessionen von Autobahnen, im Schienenverkehr und bei Flughäfen zuständig. Das INVÍAS (Instituto Nacional de Vías) ist für überregionale, staatlich finanzierte Straßeninfrastrukturvorhaben verantwortlich. Nach großen Korruptionsskandalen in den vergangenen Jahren wie das Vergabekarussel in Bogotá oder der lateinamerikanische Odebrecht-Skandal scheint sich die Lage etwas gebessert zu haben. Dennoch bleibt das Thema relevant.

    Ausschreibungen der öffentlichen Institutionen werden im Onlineportal Colombia Compra Eficiente unter SECOP (Sistema Electrónico de Contratación Pública) veröffentlicht. Für Bauaufträge muss in der Suchmaske "G - Terrenos, Edificios, Estructuras y Vías" ausgewählt werden. Aus der Liste geht auch hervor, ob es sich um eine Direktvergabe oder um eine Ausschreibung handelt. Eine Bewerbung um staatliche Aufträge setzt eine Präsenz vor Ort, mindestens in Form eines Kontaktbüros, voraus. Dies ist auch relevant für deutsche Unternehmen.

    Das Gesetz 1508 aus dem Jahr 2012 legt den Rahmen für Public-Private-Partnerships (PPP) im Infrastrukturbereich fest. Demzufolge kann eine PPP auf Initiative der Regierung durchgeführt werden, falls diese einen Bedarf sieht (Iniciativa Pública). Dies war zum Beispiel bei den 4G-Autobahnkonzessionen der Fall. Zweite Möglichkeit ist eine Initiative von privaten Akteuren (Iniciativa Privada), die bei der ANI eingereicht wird. Die staatlichen Zuschüsse bei privaten Initiativen können bis maximal 20 Prozent des gesamten Projektwerts gehen. Eine Liste aller PPP-Projekte kann im Online-Register RUAPP (Registro Único de Asociaciones Público-Privadas) abgerufen werden.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Edwin Schuh | Bogotá

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Kolumbien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministerio de Transporte

    Transportministerium

    Ministerio de Vivienda, Ciudad y Territorio de Colombia

    Wohnungsbauministerium

    Agencia Nacional de Infraestructura

    Nationale Infrastrukturagentur

    CAMACOL

    Kammer der Bauwirtschaft

    Expocamacol

    Fachmesse für die Bauwirtschaft; nächster Termin: 24. bis 27. August 2022 in Medellín

    Directorio de la Construcción

    Adressenverzeichnis von Lieferanten, Baufirmen, Beratungsunternehmen

    Colombia Compra Eficiente

    Internetportal für Ausschreibungen des öffentlichen Sektors


    Von Edwin Schuh | Bogotá

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