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Ausbau von grünem Strom steht in Kolumbien vor Herausforderungen
Kolumbien bietet beste Bedingungen für Wind- und Solarenergie. Trotz Hürden in der Praxis wächst das Interesse deutscher Firmen an einem Engagement in der Branche.
16.06.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
- Internationale Konzerne investieren in Bau von Solarparks
- Kolumbien ist wegbereitend bei Offshore-Windkraft
- Andenstaat könnte wichtiger Akteur auf dem globalen Wasserstoffmarkt werden
- Ausbau der Erneuerbaren verzögert sich deutlich
- Deutsche Firmen werden aktiver
- Kolumbien vorne bei nachhaltiger Finanzierung
- Regierungspläne bereiten Sorgen
Kolumbiens geografische Lage und die natürlichen Bedingungen machen das Land hochattraktiv für die Nutzung erneuerbarer Energien. Schon heute deckt der Andenstaat den Großteil des Strombedarfs aus grünen Quellen, allen voran aus Wasserkraft. Nicht-konventionelle erneuerbare Energieträger wie Wind-, Solarkraft und Biomasse standen dagegen Ende 2022 nur für knapp 3 Prozent der installierten Kapazitäten. Das soll sich ändern, auch wenn sich der Ausbau zuletzt verzögert hat.
Internationale Konzerne investieren in Bau von Solarparks
Ende 2022 verfügten Kolumbiens Solarparks über eine installierte Gesamtleistung von 279 Megawatt (MW). In den kommenden Jahren dürfte diese Zahl deutlich steigen. Die Solarprojekte im Land werden größer und moderner. So will der italienische Konzern Enel Ende 2023 die 400-MW-Solaranlage Guayepo in Betrieb nehmen. Total Eren aus Frankreich und das kolumbianische Staatsunternehmen Ecopetrol beginnen voraussichtlich 2023 mit dem Bau des Solarkraftwerks Rubiales (100 MW).
Kolumbien ist wegbereitend bei Offshore-Windkraft
Zwar hinkt der Ausbau der Windenergie mit einer installierten Leistung von 18 MW bis Ende 2022 der Fotovoltaik noch hinterher. Projekte wie die Windparks Alpha und Beta liegen weit hinter dem Zeitplan. Der italienische Konzern Enel stellte sein Windpeshi Windprojekt (205 Megawatt) aufgrund von Konflikten mit lokalen Gemeinden, hohen Kosten und starken Verzögerungen ein. Der Windpark Guajira II (400 MW) des kolumbianischen Unternehmens Isagén soll Mitte 2024 ans Netz gehen.
Kolumbien gehört im Bereich Offshorewind zu den Vorreitern in der Region. Eine im April 2022 erstellte Roadmap sieht einen Ausbau auf bis zu 9 Gigawatt bis 2050 vor. In dem Bereich tätig ist das spanische Unternehmen BlueFloat Energy, das aktuell technische Studien für den Offshore-Windpark Vientos Alisios (500 MW) durchführt.
Projektbezeichnung (Kapazität) | Investitionssumme (in Mio. US$) | Projektstand | Projektträger |
---|---|---|---|
Offshore-Windpark Vientos Alisios (500 MW) | 1.500 | Studien laufen, Bau ab 2028, Betrieb ab 2030 | Parque Eólico Offshore Vientos Alisios (BlueFloat Energy, Promoenergía) |
Offshore-Windpark in Barranquilla (350 MW) | 1.000 | Machbarkeitsstudien sollen bald beginnen, Zeitplan unbekannt | Joint Venture von Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) und Alumbrado Público Barranquilla (Apbaq) |
Windpark Guajira II (400 MW) | 582 | Studien laufen, Betrieb ab 2024 geplant | |
Fotovoltaikanlage Sebastosol (700 MW) | 500 | Machbarkeitsstudie unterbrochen, Betrieb ab 2025 vorgesehen | Sebastosol |
Windpark India Catalina (300 MW) | 400 | Antrag für Netzanschluss wird geprüft, danach Umweltstudien | |
Windpark Andre Jusayu (378 MW) | 375 | Machbarkeitsphase, Betrieb ab Mitte 2025 | Desarrollos Eólicos Uribia (I.C. Asesorías y Proyectos) |
Geothermieanlage Nereidas Valley (65 MW) | 350 | Oberflächenstudien und eine tiefe Erkundungsbohrung abgeschlossen | |
Windpark Windpeshi (205 MW) | 313 | Konflikt mit lokalen Gemeinden hält an, Enel hat um staatliche Unterstützung gebeten | |
Windpark Kuisa (200 MW) | 313 | Im Bau, Betrieb ab Ende 2024 | |
San Martin Energy Green Windpark (300 MW) | 313 | Betrieb ab 2025 | SMEG (Proseall), Siemens Gamesa |
Mit der Energiewende gewinnt die dezentrale Stromerzeugung und -speicherung an Bedeutung. Canadian Solar treibt ein Projekt zum Bau eines 45-Megawatt-Speichers in Barranquilla voran. Seit einigen Jahren steigt auch die Zahl dezentraler Erzeugungsanlagen. Laut Studien liegt das Potenzial hier mittelfristig bei 7 Gigawatt.
Andenstaat könnte wichtiger Akteur auf dem globalen Wasserstoffmarkt werden
Dank der hervorragenden Bedingungen für die Wind- und Solarenergie verfügt Kolumbien über ein gewaltiges Potenzial zur Produktion von grünem Wasserstoff. Nach Einschätzung der Energieagentur IRENA könnte der Andenstaat diesen 2050 zum viertniedrigsten Preis weltweit produzieren. Im Wasserstoffindex von Hinicio für Lateinamerika und die Karibik, der die Bedingungen für die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft bewertet, lag Kolumbien 2022 auf Platz 2 hinter Chile. Im Jahr zuvor hatte Kolumbien noch Platz 5 belegt. Grund für die Verbesserung sind neue regulatorische Maßnahmen und Finanzhilfen.
Erste Pilotprojekte sind bereits im Entstehen beziehungsweise in Planung:
- Das Projekt Hub H2 Verde in Manizales soll zur Dekarbonisierung von energieintensiven Sektoren wie dem Schwertransport und der Stahlindustrie beitragen; hierzu baut das internationale Konsortium AndesCol H2 einen 3-MW-Solarpark und einen Elektrolyseur für rund 6 Millionen US$.
- Ecopetrol möchte ab 2025 grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab produzieren; die endgültige Investitionsentscheidung soll Ende 2023 erfolgen; Projektpartner ist Siemens Energy.
Ausbau der Erneuerbaren verzögert sich deutlich
Trotz vielversprechender Vorhaben und der exzellenten Bedingungen kommt der Ausbau der Erneuerbaren in Kolumbien langsamer voran als ursprünglich gedacht. Ein Großteil der Projekte, die 2023 und 2024 ans Netz gehen sollten, verzögern sich laut dem Branchenverband SER. Der Grund: bürokratische Verfahren, komplizierte Absprachen mit lokalen Gemeinden und die schwierige Beschaffung von Baumaterialien und -teilen.
Hinzu kommen Verzögerungen beim Ausbau der Stromnetze. So soll die Netzverbindung Colectora (475 Kilometer) erst 2026 in Betrieb gehen, statt wie ursprünglich geplant 2022. Auch Projekte wie die Windparks Alpha, Beta und Windpeshi liegen beträchtlich hinter dem Zeitplan. Wegen der Verzögerungen warnt die Planungsbehörde UPME bereits vor einem mittelfristigen Energiemangel.
Deutsche Firmen werden aktiver
Trotz der Hindernisse wächst das Interesse deutscher Unternehmen an einem Engagement in der Branche. So gewann AboWind aus Wiesbaden 2022 Stromlieferverträge für Solarprojekte. Drei Solarpark von SoWiTec sollen 2025 und 2026 in Betrieb gehen. Und BayWa möchte in den kommenden Jahren 700 Millionen US$ in diverse Projekte (insgesamt 600 MW) investieren. Auch die großen französischen Firmen GreenYellow und Engie investieren kräftig.
Unternehmen | Anmerkung |
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Ausrüstungen für Solarparks, Windfarmen, Wasserkraftwerke in diversen Bundesstaaten, Wasserstoffprojekte | |
Windparks in La Guajira | |
Zwei aktive Solarprojekte in La Guajira und Cesar | |
Wasserkraftwerk in Tolima | |
Zwei Fotovoltaikprojekte in Boyacá und Santander |
Für kleinere Unternehmen gestaltet sich der Wettbewerb im kolumbianischen Energiesektor mitunter schwierig. Denn ein Großteil des Marktes der nicht-konventionellen erneuerbaren Energien ist in den Händen von wenigen, zum Teil öffentlichen Unternehmen.
Kolumbien vorne bei nachhaltiger Finanzierung
Das Land zwischen Atlantik und Pazifik ist Vorreiter bei grüner Finanzierung, so die Weltbank. Im Herbst 2021 gab Kolumbien erstmals grüne Anleihen aus. Im April 2022 führte das Land als erster Staat der westlichen Hemisphäre eine nationale grüne Taxonomie ein, die es Kreditgebern und -nehmern ermöglicht, Projekte zu identifizieren, die einen positiven Umwelteinfluss haben.
Regierungspläne bereiten Sorgen
Seit dem Amtsantritt von Präsident Gustavo Petro haben Investoren im Sektor Bedenken. Das Projektportfolio ist seither um mehr als ein Fünftel geschrumpft, vor allem bei Solar, so der Informationsdienstleister BNamericas. Die Pläne der Regierung könnten laut Verbänden und Beobachtern die Rentabilität von Projekten gefährden. Petro hat Dekret 0929 Anfang Juni unterzeichnet, das das Einfrieren der Stromtarife vereinfachen könnte. Zudem sieht Artikel 233 des nationalen Entwicklungsplans höhere Abgaben für Wind- und Solaranlagen vor.