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Grüne Energie für die Welt
Lateinamerika bietet hervorragende Bedingungen für erneuerbare Energien und die Produktion von grünem Wasserstoff. Auch deutsche Unternehmen treiben den Sektor voran.
08.02.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
Der Subkontinent ist gesegnet mit einem riesigen Potenzial zur Produktion erneuerbarer Energie. Dank großer Wasserkraftwerke ist der Strommix der meisten Länder schon heute vorbildlich "grün". Doch damit soll nicht Schluss sein: Im August 2022 verpflichteten sich 15 lateinamerikanische Länder dazu, ab 2030 mindestens 70 Prozent ihres Stroms aus regenerativen Quellen zu beziehen. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass die installierte Kapazität der Erneuerbaren in Lateinamerika von 2021 bis 2026 um ein Drittel wachsen wird. Das entspräche einem Zubau von 96 Gigawatt.
Fotovoltaik auf dem Vormarsch
Besonders die Fotovoltaik wird den Ausbau vorantreiben, so die IEA. Studien zufolge wird die Technologie aufgrund der niedrigen Gestehungskosten ab 2023 deutlich wettbewerbsfähiger sein als die Onshore-Windkraft. Mexiko wird dabei, gefolgt von Chile, das geringste Kostenniveau erreichen.
Allerdings besteht im Falle Mexikos die Gefahr, dass dieses Potenzial auch weiterhin wenig genutzt bleibt. Abgesehen von dem Solarprojekt Puerto Peñasco mit 420 Megawatt vernachlässigt die mexikanische Regierung den Ausbau der erneuerbaren Energien. Deutsche Firmen halten sich in dem Land bislang zurück.
Chiles Solarsektor dagegen möchte bis 2027 über 10 Milliarden US-Dollar (US$) in Sonnenenergie investieren. Dabei dürfte die dezentrale Stromerzeugung aus Fotovoltaik an Bedeutung gewinnen, auch weil das nationale Stromnetz noch nicht für einen massiven Zubau der Erneuerbaren gerüstet ist. Die deutsche Firma Grammer Solar aus dem ostbayerischen Amberg lieferte kürzlich für die Universidad Adventista de Chile eine Solaranlage, die pro Jahr 462 Megawattstunden Strom erzeugen soll.
Land | Projektname und -typ | Investitionen | Projektstand | Kapazität | Projektträger |
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Argentinien | Pampas (Grüner Wasserstoff, Onshore-Wind, Solar) | 8.400 | Vormachbarkeitsstudien; Bau voraussichtlich 2024 | Wasserstoff: 2,2 Mio. Tonnen/Jahr; Wind: 2.000 MW; Photovoltaik: 500 MW | |
Brasilien | Ceará HUB (Grüner Wasserstoff, Offshore-Wind) | 6.950 | 24 Absichtserklärungen zwischen Regionalregierung und verschiedenen Unternehmen | Wasserstoff: 1,3 Mio. Tonnen/Jahr; Wind: 1.210 MW | |
Chile | Gente Grande (Grüner Wasserstoff, Onshore-Wind) | 6.000 | Erste Umweltstudien | Wasserstoff: 1,5 Mio. Tonnen/Jahr; Wind: 3.200 MW | |
Brasilien | Base One (Grüner Wasserstoff) | 5.400 | Machbarkeitsphase | Wasserstoff: 600.000 Tonnen/Jahr | |
Brasilien | Pernambuco (Grüner Wasserstoff) | 3.800 | Machbarkeitsphase, Landvergabeverfahren hat begonnen | 1.000 MW Elektrolysekapazität | |
Brasilien | Ventos do Mar Potiguar (Offshore-Wind) | 3.429 | Frühphase, Träger sucht Investoren | 2.484 MW | IER* |
Chile | HNH Energy (Grüner Wasserstoff, Onshore-Wind) | 3.000 | Machbarkeitsphase; Bau 2024/2025 geplant | Wasserstoff: 850.000 Tonnen/Jahr; Wind: 2.000 MW | HNH Energy; beteiligte Partner: Copenhagen Infrastructure Partners, Austria Energy, Oekowind und Neltume Ports |
Uruguay | Paso de los Toros (Biomasse, Zellstoffwerk) | 2.700 | Erste Kesseltests abgeschlossen, Montage und technische Arbeiten laufen, Betrieb im März 2023, Kosten erhöhen sich | 310 MW | |
Brasilien | Camocim (Offshore-Wind) | 2.573 | Umweltstudie wird vorbereitet, Betrieb ab 2024 geplant | 1.200 MW | |
Brasilien | Cactus (Grüner Wasserstoff) | 2.107 | Umweltstudie soll bald beginnen, Betrieb ab 2025 | 200.000 Tonnen/Jahr |
Offshore-Wind in Brasilien und Kolumbien
Auch die Offshore-Windkraft wird immer wichtiger. Laut Experten könnte Lateinamerika 2050 eine installierte Kapazität von etwa 34 Gigawatt aufweisen. Kolumbien und Brasilien verfügen über besonders günstige Bedingungen und zählen zu den Vorreitern in der Region. Sie haben bereits zahlreiche Schritte unternommen. So veröffentlichte Kolumbien Anfang 2022 eine Roadmap zu Offshore-Wind sowie ein Dekret zu Wasserkonzessionen und arbeitet an Projektgenehmigungen. Brasilien brachte im August 2022 ein Gesetz für Offshore-Energie auf den Weg und erließ im Oktober Verordnungen für Offshore-Wind. An der Nordostküste des Landes schreiten unterdessen diverse Milliardenprojekte voran.
Lateinamerika kann bei grünem Wasserstoff führen
Der Subkontinent verfügt über hervorragende natürliche Bedingungen für die Herstellung von grünem Wasserstoff und kann global zu einem der wichtigsten Lieferanten werden. Nach Einschätzung der International Renewable Energy Agency (IRENA) könnten Chile und Kolumbien 2050 zu den fünf Ländern mit den niedrigsten Produktionskosten weltweit gehören.
Um das Potenzial zu nutzen, haben einige Länder in der Region bereits nationale Wasserstoffstrategien auf den Weg gebracht oder arbeiten an milliardenschweren Wasserstoff-Hubs, die die Energie- und Wasserstoffproduktion sowie Hafeninfrastruktur integrieren. Damit deutsche Firmen ins Spiel kommen können, fördert etwa die Exportinitative Energie die Bildung von Konsortien aus KMU zum Aufbau entsprechender Hubs an brasilianischen Häfen.
Deutschland positioniert sich
Schon jetzt sind deutsche Firmen an zahlreichen Vorzeigeprojekten beteiligt. Linde plant nördlich von Chiles Hauptstadt Santiago das HyPro Aconcagua-Projekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Im Südzipfel des Landes bereitet RWE das Projekt Vientos Magallánicos vor, um ab 2030 jährlich 63.000 Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren. In derselben Region entsteht mit Haru Oni die weltweit erste integrierte kommerzielle Anlage zur Herstellung ökologischer Kraftstoffe aus grünem Wasserstoff. Bei dem Projekt stellt Siemens Energy einen Elektrolyseur bereit.
Auch in Kolumbien ist Siemens Energy an zwei Wasserstoffprojekten beteiligt. In Brasilien sind bereits 60 Prozent der deutschen Unternehmen im Bereich grüner Wasserstoff mit eigenen Tochterfirmen vertreten. Beim Bau einer Wasserstoffanlage im Nordosten des Landes setzt Unigel auf Technik von Thyssenkrupp Nucera.
Neben großen Energiekonzernen aus Frankreich, Spanien und Italien wird auch China in der Region aktiver. Strategische bilaterale Abkommen und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit als noch vor einigen Jahren sorgen für wachsende Konkurrenz aus Fernost. Dennoch sagt Fernando Huergo, Sprecher bei Siemens Energy für Argentinien, Chile und Uruguay: "Deutschland kann in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen als jetzt schon." Für deutsche Firmen gebe es Platz in der gesamten Energiewertschöpfungskette.
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Linke Präsidenten wollen grüne Energien fördern
Während in Kolumbien weiterhin staatliche Auktionen den Ausbau der Erneuerbaren dominieren, kommen die Impulse in Brasilien und Chile vom freien Markt und dabei besonders von gewerblichen Fotovoltaikanlagen, so die IEA. Der Grund sind kostengünstigere Anlagen und zurückgehende Kapazitäten bei staatlichen Auktionen.
Zu den Herausforderungen des Sektors zählen laut IEA allerdings politische und regulatorische Unsicherheiten und der unzureichende Ausbau der Übertragungsinfrastruktur. "Der Sektor befindet sich noch am Anfang", sagt Lucila Bustos, Geschäftsführerin bei ABO Wind in Argentinien. "Wichtig ist es daher, langfristig zu denken und mehr Risiken als üblich in Kauf zu nehmen."
Die neuen, linksgerichteten Präsidenten auf dem Kontinent könnten dem Sektor neuen Schub verleihen. Gabriel Boric in Chile und Luiz Inácio Lula da Silva in Brasilien wollen den Ausbau der Erneuerbaren und die Produktion von grünem Wasserstoff priorisieren. Die Regierung unter Gustavo Petro in Kolumbien arbeitet seit November 2022 an einer Energiewende-Roadmap, die erneuerbare Energien als Säule der Wirtschaft vorsieht.
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