Kolumbien beliebt für das Auslagern von Dienstleistungen

Der Andenstaat ist ein attraktiver Standort für sogenannte BPO-Dienstleistungen (Business Process Outsourcing). Der Sektor schreibt seit Jahren hohe Wachstumszahlen, zuletzt 19 Prozent im Jahr 2021. Die Vorzüge Kolumbiens spiegeln sich im Rating "Offshore BPO Confidence Index 2021" wider. Dort belegt das Land inzwischen den ersten Platz unter den wichtigsten BPO-Märkten. Auch der 2021 Kearney Global Services Location Index sieht Kolumbien weltweit auf den vorderen Plätzen. 

Wachsender Markt und Jobmotor

Mittlerweile verfügt Kolumbien über den viertgrößten BPO-Sektor in Lateinamerika - nach Brasilien, Mexiko und Costa Rica. Ende des Jahres 2022 soll der Anteil der Branche am Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes etwa 3 Prozent betragen. Exporte von BPO-Dienstleistungen in das Vereinigte Königreich, nach Panama, Mexiko und Costa Rica gewinnen immer mehr an Bedeutung. Dies gilt besonders für IT-Dienstleistungen.

Dabei fungierte der Sektor auch als Jobmotor während der Pandemie. Die Branche schuf 2020 etwa 20.000 neue Jobs. Inzwischen zählt der BPO-Sektor 690.000 Arbeitskräfte im ganzen Land, hauptsächlich junge Menschen. Vor allem Call- und Kontaktcenter spielen eine bedeutende Rolle. Das Segment wächst seit Jahren deutlich,.

Multinationale Unternehmen sorgen auch künftig für Wachstum in der Branche. Im Jahr 2021 kamen sieben neue BPO-Firmen ins Land:

• Das Unternehmen Transcom aus Schweden begann seinen Betrieb Mitte 2021 und möchte 1.500 Mitarbeiter einstellen;
• die spanische Firma Emergia möchte 2022 rund 1.000 neue Arbeitsplätze in Kolumbien schaffen;
• Apex América aus Argentinien plant, in Bogotá 2.000 Mitarbeitende einzustellen;
• Comdata aus Italien schreibt monatlich 800 Stellen aus;
• der französische Riese Teleperformance ist seit einigen Jahren im Land tätig und möchte seine Aktivitäten weiter deutlich ausbauen.

Bogotá wichtigster Standort im Land 

Kolumbien zählt rund 600 Unternehmen im BPO-Sektor, davon stammen 35 Prozent aus dem Ausland. Der Großteil der Firmen ist im Telekommunikations- und Finanzsektor tätig und bearbeitet den lokalen Markt. Viele Branchenunternehmen arbeiten als sogenannte Shared Service Center (SSC) - zentrale Stellen, in denen ausgelagerte Dienstleistungen gebündelt werden. Sie bilden einen wichtigen Bestandteil des Marktes in Kolumbien.

Bogotá ist der wichtigste Standort für SSC in Kolumbien. Hier befindet sich die Hälfte aller Betriebe. Mit 39 Centern war die Hauptstadt 2020 die viertwichtigste Stadt in Lateinamerika. Die nächstgrößeren Zentren sind Medellín, Cali und Barranquilla. Dabei gewinnen vor allem Städte wie Cali und Bucaramanga rapide an Bedeutung.

Mehr als ein Drittel aller SSC in Kolumbien hat über 500 Mitarbeitende. Der Großteil der SSC bearbeitet Lateinamerika. Für Europa sind nur rund 7 Prozent der Betriebe zuständig.

Gute Bildung und Konnektivität

Kolumbien verfügt über diverse Vorteile, die die Entwicklung des BPO-Markts begünstigen. Das Land zählt elf Unterseekabel und liegt damit an zweiter Stelle in Lateinamerika. Das ermöglicht den schnellen Datenaustausch mit anderen Kontinenten, was eine wichtige Rolle für den BPO-Sektor spielt. Die Lage in ähnlichen Zeitzonen wie New York, Toronto und Miami sowie regional führende Universitäten sind weitere Pluspunkte. Zudem zählt Kolumbien zu den Ländern mit dem größten Arbeitskräfteangebot in Lateinamerika. Über zwei Drittel aller bilingualen Kolumbianer leben dabei in der Hauptstadt Bogotá. 

Der Markt für Büroraum in Bogotá ist im regionalen Vergleich groß. Nur Mexiko-Stadt, São Paulo und Santiago de Chile bieten insgesamt mehr Fläche. Allerdings sind die durchschnittlichen Kosten für Büromiete in Bogotá deutlich geringer als in vergleichbaren Städten in Lateinamerika. In der kolumbianischen Hauptstadt zahlen Mieter im Premiumsegment im Schnitt rund 16 US-Dollar (US$) pro Quadratmeter monatlich.

Staatliche Anreize machen die Branche zusätzlich attraktiv. Der Plan Vallejo erleichtert durch Befreiungen von der Mehrwertsteuer den Export von Dienstleistungen. Freihandelszonen (zonas francas, ZF), gerade in und um Bogotá, bieten auch für den BPO-Sektor gute Bedingungen. Kolumbien zählt inzwischen 112 ZF mit knapp 1.000 Unternehmen. In den ZF gelten eine Unternehmensteuer von 20 statt 35 Prozent, Befreiung von der Mehrwertsteuer und andere Steuervergünstigungen. Weitere Vorteile brachte das Dekret 278 von 2021 mit einer Modernisierung der Gesetzgebung für ZF. Agenturen und Verbände wie BPro gelten unter Experten als verlässlich.

Neben den normalen Monatsgehältern sind je nach Gehaltsklasse auch monatliche Zusatzleistungen gesetzlich verpflichtend. Diese reichen von Kranken- und Rentenkassenleistungen über jährliche Zusatzgehälter bis zu Zuschüssen für Kleidung und Transport. Wenn ein Mitarbeiter ein Gehalt von ein bis zwei Mindestlöhnen erhält, belaufen sich die Zusatzleistungen, Nebenkosten und Sozialabgaben auf 57 Prozent.

Wettbewerb um Personal ist groß

Laut Camilo García von der Investitionsförderungsagentur Invest in Bogotá zeichnet sich der kolumbianische BPO-Markt vor allem durch seine Spezialisierung in vielen Bereichen wie Gesundheit und Telemedizin aus. Das große Angebot an jungen Arbeitskräften, ein relativ gutes Bildungssystem und niedrige Gehälter im regionalen Vergleich zählen zu den Vorteilen des Landes. Die Nachfrage nach Personal sei sehr hoch.

Wie in anderen Ländern Lateinamerikas zeichne sich inzwischen auch in Kolumbien eine steigende Fluktuation von Arbeitskräften ab. Die Bedeutung von Zusatzleistungen, um Personal zu gewinnen und zu halten, steige daher. Er geht davon aus, dass sich der Sektor in den kommenden fünf Jahren vermehrt auf neue Technologien wie Automatisierung und Chatbots fokussieren wird. Entsprechend dürften sich künftig auch die Mitarbeiterprofile verändern. Die geplante Steuerreform der neuen Regierung stelle eine gewisse Unsicherheit für die Branche dar. 

Interview mit B.Braun

"Kolumbien ist ein hart umkämpfter Markt" Das deutsche Pharma- und Medizinbedarfsunternehmen B.Braun aus Hessen betreibt in Bogotá seit 2018 einen Shared Service Center. Mit 90 Mitarbeitenden bearbeitet das Unternehmen die Bereiche IT, Personalwesen und Finance & Accounting. Im Interview mit Germany Trade & Invest spricht der Gründer von B.Braun Business Services Colombia, Nikolai Engel, über den Sektor im Land. Nikolai Engel, Gründer von B.Braun Business Services Colombia | © N. Engel Herr Engel, welche Erfahrungen haben Sie bei B.Braun mit dem BPO/SSC-Sektor in Kolumbien gemacht? Wir haben hervorragende Unterstützung von ProColombia und Invest in Bogotá erhalten. Administrative Anforderungen, einschließlich Visa für Ausländer, werden problemlos gehandhabt. Unsere Mitarbeiter sind gut ausgebildet und geschult sowie hoch motiviert. Wir verwenden eine Coworking-Umgebung mit einem dezidierten Bereich für unser Servicecenter. Neben dem Standort Bogotá eignen sich auch Erweiterungen zum Beispiel nach Medellín, Cali und Barranquilla. Welche Vorteile bietet Kolumbien in diesem Bereich gegenüber anderen Ländern der Region? In Kolumbien findet sich gut qualifiziertes Personal aus verschiedenen Branchen, eine hohe Anzahl an Universitätsabsolventen pro Jahr und eine gute Englisch-/Portugiesisch-Sprachbasis. Zudem ist das Land gut mit der Welt verbunden - durch IT-Konnektivität, aber auch Direktflüge nach Europa und innerhalb Amerikas. Im Vergleich zu anderen Ländern in der Region und Europa sind Mitarbeiter zu vertretbaren Kosten zu finden.  Wie wird sich die Branche in den kommenden Jahren voraussichtlich entwickeln? Welche Ratschläge haben Sie? Kolumbien ist ein hart umkämpfter Markt mit bereits vielen BPO/SSC-Angeboten von internationalen Akteuren. Daher müssen die Unternehmen ihren Mitarbeitern interessante Arbeitsinhalte und Vorteile anbieten. Wichtig ist, die eigene Unternehmensmarke zu entwickeln und bereit zu sein, mit den großen Playern auf dem Markt zu konkurrieren. Die hohe Inflationsrate wirkt sich auf die Gehaltsanpassungen aus, wurde aber in den vergangenen Jahren durch die Peso-Abwertung mehr als kompensiert.