Nach schwachen Finanzierungsjahren kommt die Start-up Branche langsam aus der Talsohle. Das Unterstützungsangebot ist vielfältig.
Kolumbien ist ein wichtiges Zielland für Risikokapitalinvestitionen in Lateinamerika. Laut einem aktuellen Bericht von LAVCA, der Vereinigung für Privatkapitalinvestitionen in Lateinamerika, lag der Andenstaat 2023 nach Brasilien und Mexiko auf Platz 3 in der Region. Rund 72 Prozent der Finanzierungen in Kolumbien konzentrieren sich auf Frühphasen (Pre-seed, Seed und Angel). Entsprechend fließt nur relativ wenig Kapital in fortgeschrittenere Entwicklungsphasen. Dies lässt auf deutliche Hürden für kolumbianische Start-ups bei der Skalierung schließen.
Finanzierung in Kolumbien verändert sich
Die Start-ups in Kolumbien investierten 2023 insgesamt 786 Millionen US-Dollar (US$). Mit 445 Millionen US$ finanzierten sie den größten Teil davon aus Eigenkapital. Auf Risikodarlehen beziehungsweise Venture Debt entfielen 341 Millionen US$. Die Finanzierung aus Eigenkapital sank dabei auf ihren geringsten Wert seit 2018. Dagegen erreichten Risikodarlehen und Venture Debt einen neuen Höchststand, vor allem bei Fintech und Proptech.
Diese Entwicklung spiegelt ein wachsendes Interesse an der Nutzung von Fremdkapital im Start-up-Ökosystem in Kolumbien wider. Das Geld verteilt sich dabei auf weniger Unternehmen mit höheren Investitionssummen. Im ersten Halbjahr 2024 wurden in 27 Investitionsrunden in Bogotá insgesamt 452 Millionen US$ eingesammelt, verglichen mit 486 Millionen US$ im gesamten Jahr 2023 in 88 Investitionsrunden, zeigen Zahlen von Invest in Bogotá. Das lässt auf eine höhere Marktreife schließen: Das Kapital konzentriert sich auf weniger Unternehmen mit höheren Investitionssummen.
Nach einem rückläufigen Trend bei Finanzierungsrunden in den letzten Jahren zeigt die Start-up-Finanzierung in Kolumbien seit 2024 wieder Erholungstendenzen, berichten Insider.
Geld kommt vor allem von Familie, Freunden und Angel-Investoren
Im Jahr 2023 identifizierte KPMG 68 Investoren im kolumbianischen Start-up-Ökosystem, davon stammten 46 Prozent aus dem Ausland und 54 Prozent aus Kolumbien. Freunde und Familie spielen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung. Laut Angaben der Unternehmensberatung erhielten 51 Prozent der Start-ups Kapital aus diesem Bereich. Weitere 49 Prozent bezogen Geld von Angel-Investoren und 38 Prozent von Venture Capital-Gebern.
Investitionen fließen vor allem in die Bereiche Fintech, Proptech und EnergyTech. Das Interesse an Cleantech steigt. Auch Logistik-Start-ups geraten in den Fokus, darunter das Unternehmen Instaleap, das im Bereich von Last-Mile und eCommerce tätig ist.
Finanzielle Risiken relativ gering
Die Bewertungen der Start-ups können attraktive Investitionsmöglichkeiten bieten. "Dennoch konzentrieren sich Investoren in Kolumbien traditionell auf eher etablierte Anlageklassen, wie zum Beispiel den Immobiliensektor", sagt Max Turner. "Das Land bietet jedoch weitere vielversprechende Investitionspotenziale und Möglichkeiten für Unternehmen, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu erproben, da die Eintrittsbarrieren und finanziellen Risiken relativ gering sind. Erhebliches Potenzial besteht bei der Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen.“
"Unternehmensbewertungen im Start-up Sektor sind in Kolumbien und Lateinamerika in der Regel niedriger als in den USA oder Europa."
Stefan Krautwald
deutscher Gründer und Venture Capital-Investor mit langjähriger Erfahrung in Lateinamerika
"Für gute Ideen ist immer Geld da, trotz der Kontraktionsphase von Venture Capital weltweit, der sich Lateinamerika natürlich auch nicht entziehen kann", sagt Krautwald. "Es mag sein, dass die Hürden für Finanzierung höher geworden sind und Ideen, die früher Investoren gefunden haben, jetzt vielleicht nicht mehr finanziert werden. Aber Unternehmer müssen eben erreichen, dass sich das Geld für sie interessiert."
Dazu müssten sie sich genau überlegen, welche Art von Kapital für welche Art von Start-up infrage komme, sagt er. Grundsätzlich gebe es zwei Typen: großambitionierte Start-ups, die das nächste Rappi werden wollen oder weniger ambitionierte, eher soziale oder nachhaltige Start-ups. "Durch eine gute Marktanalyse, welches Kapital zum Gründer passt, kann man sich viel Zeit und Absagen ersparen."
Vielfältiges Unterstützungsangebot
Große Unternehmen in Kolumbien haben Programme für Allianzen mit Start-ups aufgelegt, darunter Grupo Bolívar, Grupo Bancolombia, Compensar, Grupo Éxito, Grupo Nutresa und Ecopetrol. Im Jahr 2024 wurden durch Verträge zwischen Unternehmen und Start-ups mehr als 136 Millionen US$ mobilisiert, 133 Prozent mehr als 2023.
Erfolgreiche Beispiele für Allianzen von Großunternehmen mit Start-ups sind die Jungunternehmen Selectum Club, Datup, Prime Digital Consulting, Tusdatos.co und ControIT. 2024 schlossen Grupo Alpina und Rockstart eine Allianz, um in 18 Start-ups im Landwirtschafts- und Nahrungsbereich zu investieren.
Hinzu kommt Unterstützung durch Verbände. Hierzu zählen:
- ANDI del Futuro
- Colombia Fintech
- Colombia Proptech
- Asociación Insurtech Colombia
- Asociación Colombiana de Legaltech altco
- Colombia Edtech
- Healthtech Colombia
Seit einiger Zeit gibt es auch Finanzierungsmöglichkeiten für Frühphasen von Start-ups durch Fonds wie den Fondo de Fondos (Bancoldex, iNNpulsa, Colciencias, Softbank und CAF).
"Die Unterstützung für Early-Stage-Start-ups in Kolumbien ist vielversprechend und wird durch Initiativen wie beispielsweise von iNNpulsa, ACI Medellín, Ruta N und Invest in Bogotá sowie durch lokale und internationale Handelskammern und weitere institutionelle Förderprogramme gestärkt", sagt Max Turner.
"In Lateinamerika spielt der Aufbau persönlicher Kontakte grundsätzlich eine zentrale Rolle im Geschäftsleben. Für ausländische Unternehmer kann es zunächst herausfordernd sein, Zugang zu relevanten Netzwerken zu finden, da Beziehungen oft über Jahre hinweg aufgebaut und stark mit dem sozialen Umfeld verflochten sind", sagt Max Turner. "Unterstützung für deutsche Unternehmen und die Vernetzung mit Deutschland kommt dabei von verschiedenen Programmen, Initiativen und Akteuren wie dem German Accelerator, Start2group, der Deutschen Auslandshandelskammer (AHKs), dem Lateinamerika Verein e.V. (LAV) und weiteren."
Von Janosch Siepen
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Bogotá