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Wirtschaftsausblick | Kolumbien

Kolumbiens Wirtschaft wächst nur langsam

Im August 2024 ist Halbzeit für die kolumbianische Regierung. Zwar entwickelt sich die Wirtschaft aktuell wieder besser. Doch die langfristigen Herausforderungen bleiben. 

Von Janosch Siepen | Bogotá

Top-Thema: Zweite Hälfte von Petros Amtszeit birgt Herausforderungen

Massenproteste, Wasserrationierungen und Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten bei der Finanzierung des Wahlkampfs von Präsident Gustavo Petro im Jahr 2022 sind nur einige der Probleme, mit denen die Regierung konfrontiert ist. Auch in der verbleibenden Amtszeit Petros bis 2026 wird Kolumbiens Wirtschaft vor Herausforderungen stehen, vor allem durch politische Eingriffe.

Jüngste Beispiele sind ein Plan der Regierung zur Kontrolle der Energiegroßhandelspreise, mögliche Einschränkungen des Bergbaus durch die Einrichtung von Naturreservaten, die staatliche Übernahme großer Krankenversicherungen und geplante Bergbaureformen, die die Rolle des Staates im Sektor ausweiten sollen. Laut dem britischen Informationsdienstleister Economist Intelligence Unit (EIU) könnte Petros schwindendes politisches Kapital dazu führen, dass sein Kurs konfrontativer und populistischer wird. Darunter könnte das Geschäftsklima leiden: Im EIU-Ranking zum Ausblick auf das Geschäftsklima in den kommenden Jahren büßte Kolumbien im Frühjahr 2024 acht Plätze ein und rutschte auf Rang 59 von 82 Ländern weltweit.

Wirtschaftsentwicklung: Konjunktur zieht 2024 wieder an

Nach einem Plus von nur 0,6 Prozent im Jahr 2023 wird sich das Wirtschaftswachstum 2024 leicht beleben: Die EIU geht von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,2 Prozent aus. Weil Inflation sowie Zinsen sinken und die Exportnachfrage steigt, dürften die Investitionen und der Konsum anziehen.

Investitionen entwickeln sich schwach – vor allem in der Energiebranche

Im Jahr 2023 waren die Investitionen um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr gefallen, vor allem wegen hoher Zinsraten. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet die EIU nur mit einem leichten Anstieg der Investitionen um 1,4 Prozent. Zwar werden Investitionen von der sinkenden Inflation und der gelockerten Geldpolitik profitieren. Doch verhindern wirtschaftspolitische Eingriffe, dass sich die Investitionen signifikant bessern.

In der Energiebranche ist das Portfolio an Stromprojekten 2024 um mehr als 5 Prozent geschrumpft, vor allem aufgrund eines starken Rückgangs im Bereich Solar, so der Informationsdienstleister BNamericas. Langwierige Genehmigungsverfahren gefährden Projekte, so eine Studie des Branchenverbands SER. 

Auch die Investitionen in fossile Energieträger dürften weiter schwächeln, da sich Petros Agenda verbal wie steuerpolitisch gegen den Sektor richtet und soziale Unruhen der Branche zu schaffen machen. Laut der Nationalen Agentur für Kohlenwasserstoffe ist rund ein Drittel der Verträge für Exploration und Produktion von Öl und Gas ausgesetzt oder wird derzeit gekündigt. Die Bohraktivitäten sind niedrig. Doch die Entdeckung von Offshore-Gasfeldern sorgt für verhaltenen Optimismus. Im Mai 2024 sollen die Bohrungen im Uchuva-2-Feld in der Karibik beginnen. 

Kolumbien setzt auf Infrastruktur und grünen Wasserstoff

Die Regierung will die Verkehrswege ausbauen, insbesondere die Bahninfrastruktur. Ende April kündigte die Regierung die Gründung eines neuen Büros zur Reaktivierung des Schienennetzes an. Das deutsche Unternehmen DB E.C.O. arbeitet an Vormachbarkeitsstudien für die Pazifikzugstrecke zwischen Buenaventura und La Felisa. Dennoch rechnen Branchenexperten 2025 mit einer Stagnation bei der Entwicklung von Infrastruktur in Kolumbien wegen mangelnder rechtlicher und regulatorischer Stabilität sowie mangelnder staatlicher Unterstützung, so eine Umfrage der Risikoberatung Control Risks.

Auch grünem Wasserstoff soll mehr Bedeutung zukommen. Die Branche dürfte von einer neuen deutsch-kolumbianischen Steuerungsgruppe profitieren, der politische Vertreter beider Länder angehören.

Inflation sinkt und stärkt Konsum

Die Inflation in Kolumbien schwächt sich 2024 ab, von 11,7 Prozent im Jahr 2023 auf 5,2 Prozent. Dadurch steigt der Spielraum für Leitzinssenkungen, was dem Konsum zugute kommt (EIU: 1,6 Prozent Wachstum im Jahr 2024). Zwischen 2025 und 2028 rechnen die Beobachter der EIU mit Wachstumsraten des privaten Konsums von jährlich über 3 Prozent aus. Vor allem der Kauf langlebiger Güter wie Möbel, Autos oder Waschmaschinen dürfte zunehmen, erwartet die Bank BBVA. 

Kolumbien profitiert von Erholung der Weltwirtschaft

Die Analysten der EIU erwarten, dass sich die Weltwirtschaft im 2. Halbjahr 2024 leicht erholen wird. Tritt diese Prognose ein, so könnten die Exporte Kolumbiens im Gesamtjahr 2024 nominal um 9 Prozent wachsen. Aufgrund der zunehmenden inländischen Nachfrage dürften auch die Importe steigen. Dies hat Auswirkungen auf das Leistungsbilanzdefizit, das sich mittelfristig bei rund 3 Prozent des BIP bewegen wird.

Deutsche Perspektive: "Unsicherheit im Markt ausnutzen"

Kolumbien gilt bei deutschen Unternehmen als attraktiver Standort mit stabilen institutionellen Rahmenbedingungen und einem recht guten Fachkräftepotenzial. Als Schwächen werden strukturelle Korruption und Bürokratie gesehen. Im AHK World Business Outlook vom Frühjahr 2024 bemängelten die befragten Unternehmen in Kolumbien neben der Wirtschaftspolitik auch Handelsbarrieren als Geschäftsrisiken.

Roberto Echeverría vom Hamburger Oleochemieunternehmen Cremer ist dennoch positiv gestimmt. Zwar sorge die aktuelle Regierung für Unsicherheit bei Investoren. "Aber da sich andere Firmen zurückhalten, bieten sich in vielen Bereichen Geschäftschancen", sagt der Manager. "Man kann die Volatilität und Unsicherheit ausnutzen."

"Für deutsche Firmen ist es erfolgskritisch, ein erfahrenes lokales Team zu haben und den Markt richtig zu lesen."

Roberto Echeverría Geschäftsführender Direktor Lateinamerika bei Cremer Oleo GmbH

Das baden-württembergische Unternehmen Viridi, das Projekte im Bereich erneuerbare Energien entwickelt, hat Kolumbien 2023 als Hauptsitz für seine lateinamerikanischen Aktivitäten gewählt und plant für 2024 Investitionen zwischen 65 und 90 Millionen US-Dollar in Energieprojekte. Das Stuttgarter IT-Unternehmen GFT Technologies gab Anfang 2024 den Kauf des kolumbianischen IT-Bankdienstleisters Sophos Solutions bekannt. 

  

Nähere Informationen zu Kolumbien finden Sie auf der GTAI-Länderseite.

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