Branchen | Kolumbien | Medizintechnik
Marktentwicklungen und -trends
Die Medizintechnikbranche wird sich in den kommenden Jahren positiv entwickeln. Durch Investitionen in Telemedizin soll der Zugang zum Gesundheitssystem gerechter werden.
15.12.2021
Von Janosch Siepen | Bogotá
Nach einem Umsatzrückgang 2020 soll die Medizintechnik in Kolumbien im Jahr 2021 wieder um 10,9 Prozent wachsen. Grund ist der weiterhin hohe Modernisierungsbedarf. So setzt sich der Trend aufgrund von öffentlichen Investitionen und Verbrauchsmaterialien zur Behandlung von Covid-19 in den nächsten Jahren vermutlich fort. 2025 erreicht die Branche voraussichtlich ein Marktvolumen von rund 1,5 Milliarden US-Dollar (US$).
Chancen für deutsche Unternehmen
Die steigende Nachfrage nach Medizintechnik bedient vor allem auch Deutschland, das auf Rang 3 der wichtigsten Lieferländer Kolumbiens liegt. Knapp 10 Prozent aller Lieferungen kommen aus der Bundesrepublik. Vor allem im Bereich der diagnostischen Bildgebung und orthopädischen Produkten ist Deutschland ein wichtiger Handelspartner. Größte Importeure von Medizintechnik sind gemäß dem Fachverband Cámara Dispositivos Médicos e Insumos para la Salud die Unternehmen Baxter, Siemens Healthcare, GE Healthcare, Fresenius, Covidien, Johnson & Johnson sowie Philips.
Zwar übt die venezolanische Migration immer noch Druck auf das Gesundheitssystem aus und dessen Ineffizienz behindert ein höheres Wachstum. Doch bieten positive regulatorische Entwicklungen und steigende chronische Erkrankungen Marktchancen. Die Belastung des Sektors durch beispielsweise Krebs oder Diabetes wird laut Experten auch in den nächsten 15 Jahren hoch bleiben. Im Januar 2021 nahm der Ulmer Medizintechnikproduzent Beurer seinen Betrieb in Bogotá auf und plant in den kommenden Jahren rund eine Million US$ zu investieren sowie 40 Arbeitsplätze zu schaffen. Das Unternehmen stellt unter anderem Blutdruckmessgeräte und Sensoren her.
Coronapandemie betont Notwendigkeit für Ausbau des Gesundheitssystems
Das Dokument CONPES 4023 der nationalen Planungsbehörde DNP betont den Ausbau des Gesundheitssektors, mit einem besonderen Fokus darauf, den Zugang zum Gesundheitswesen im Land gerechter zu machen. Daneben ist auch dessen Belastbarkeit noch ausbaufähig: Im Global Health Security Index von 2019 lag Kolumbien zwar im oberen Drittel, doch bemängelte der Report vor allem das Fehlen von Notfallplänen und schlechte Biosicherheit. Gerade auch bei Kapazitäten in Krankenhäusern lag das Land vor der Pandemie bereits weit hinten auf Rang 142 weltweit.
Die Covid-19 Pandemie ist für die Medizintechnik im Land zweischneidig. Während die Nachfrage nach Verbrauchsmaterialien (Atemschutzmasken etc.), In-vitro-Diagnostika und Beatmungsgeräten kurzfristig deutlich zugenommen hat, leiden die Verkäufe anderer Produkte unter der Konzentration der Ressourcen auf Covid-19. Auch die deutliche Abwertung des kolumbianischen Peso gegenüber dem US$ und dem Euro in der 1. Jahreshälfte traf viele Medizintechnikunternehmen hart. Kolumbien importiert rund 80 Prozent seines Bedarfs aus dem Ausland.
Nähere Informationen finden Sie im Fragment Gesundheitswesen aus dem GTAI Corona-Special.
Großes Wachstumspotenzial
Der kolumbianische Markt für Medizintechnik ist abhängig von Lieferungen aus dem Ausland. Vor Ort werden lediglich Verbrauchsmaterialien und technologisch einfache Produkte hergestellt. Dadurch besteht weiterhin ein großes Wachstumspotenzial im Land. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Medizintechnik sind noch relativ gering.
Der Medizintechnikmarkt in Kolumbien wird hauptsächlich durch Handelsvertreter und Distributoren bedient. Der Transport findet zwar meist durch Luftfracht statt. Dennoch ist die Marktstruktur stark nach Regionen aufgeteilt. Dadurch empfiehlt sich ein Hauptvertreter in der Hauptstadt Bogotá mit Angestellten in den großen Städten. Für einzelne Produkte herrschen Preisobergrenzen (zum Beispiel Verhütungsmittel und Katheter). Eine Liste der Medizintechnikprodukte mit regulierten Preisen ist hier verfügbar. Zudem ist mitunter die Bewerbung von Medizintechnik teilweise reglementiert.
Die kolumbianische Regierung und Regierungsinstitutionen haben in den vergangenen Jahren ihr Interesse an Medizintechnik verstärkt. Zahlreiche Projekte wie das Salud para la Paz Programm laufen bereits. Neben nationalen Projekten fokussieren sich die Projekte auf den Ausbau des lokalen Gesundheitswesens, beispielsweise durch den Bau von Krankenhäusern im Bundesstaat Arauca.
Für deutsche Anbieter von Medizintechnik ist Kolumbien generell ein spannender Markt. Allein die Größe des Landes mit 50 Millionen Einwohnern und einer wachsenden Bevölkerung ist ein starkes Argument. Die plastische Chirurgie und Zahnmedizin locken zudem immer mehr Gesundheitstouristen aus dem Ausland an und gelten als Zweige mit Zukunftspotenzial. Aufgrund der schlechten finanziellen Lage vieler öffentlicher und privaten Kliniken - verschärft durch die Covid-19-Pandemie - werden sich die Krankenhäuser mittelfristig mit neuen Investitionen jedoch zurückhalten.
Projekt | Investitionssumme | Anmerkung |
---|---|---|
Krankenhaus Bosa | 293,8 | Modernes Krankenhaus in Bogotá mit 215 Betten, mit einem besonderen Fokus auf die Behandlung von chronischen Krankheiten |
134,1 | 24 Gebäude und 312 Betten, Eröffnung voraussichtlich 2023 | |
67,5 | Krankenhaus im Süden Bogotás mit 221 Betten, Eröffnung voraussichtlich im Mai 2023 | |
2,8 | Zweite Phase des Programms zum Ausbau der Gesundheitsversorgung in benachteiligten und gewaltgeplagten Gebieten | |
San José de Cravo Norte Krankenhaus | 2,7 | Mitte 2020 wurde der Bau des neuen Krankenhauses im Bundestaat Arauca fertiggestellt |
0,4 | Kauf von Krankenhausausstattung eines Krankenhauses in Arauca |
Strukturreformen unwahrscheinlich
Gesundheit spielt im nationalen Entwicklungsplan PND 2018-2022 eine wichtige Rolle. Fitch Solutions geht davon aus, dass die kolumbianische Regierung in Zukunft die Gesundheitsausgaben deutlich erhöhen wird. Kolumbien zählt bereits jetzt fünf Fachkliniken (alle privat) in der Liste der zehn besten Kliniken Lateinamerikas. Führend dabei ist das kardiologische Institut der Klinik Fundación Cardioinfantil in Bogotá. Zudem arbeitet das kolumbianische Gesundheitsministerium weiter daran, spezifisch Infektionskrankheiten wie Dengue oder Malaria zu bekämpfen und startete in den letzten Jahren verschiedene Kampagnen. Dazu tragen auch zahlreiche Abkommen mit internationalen Geldgebern bei. Kolumbien unterzeichnete 2019 mit der interamerikanischen Entwicklungsbank und der panamerikanischen Gesundheitsorganisation ein Abkommen zur Bekämpfung von Malaria.
Durch das System ADRES des Gesundheitsministeriums wird für die Verteilung der Gelder an das Gesundheitssystem gesorgt. Das Versicherungssystem im Land wird durch sogenannte Entidades Promotoras de Salud (EPS) geregelt. Den Gesundheitssektor plagen schon seit geraumer Zeit Finanzierungsprobleme. Die Regierung versprach, den Gesundheitssektor durch den Beschluss "Acuerdo de Punto Final" mit Schuldenbegleichungen in Höhe von umgerechnet 1,8 Milliarden US$ zu sanieren - allerdings stockt dieses Vorhaben bislang. Zudem dürften die kürzlichen Proteste die kolumbianische Regierung davon abhalten, substanzielle Sektorreformen umzusetzen. Dadurch ist eine wachsende Privatisierung des Gesundheitssystems vorerst unwahrscheinlich.
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2020 in Mio.) | 50,9 |
Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.) | 0,9 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2020) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 22,2 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 9,1 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2019 in Jahren) | 77,3 |
Durchschnittseinkommen (2020 in US$) | 2.852 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2020 in US$) | 477,6 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2020 in %) | 9,0 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2020) | 220 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2020) | 90 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2020), davon | 110 |
privat | 33 *) |
öffentlich | 77 *) |
Digital Health für bessere Gesundheitsversorgung
Telemedizin und E-Health im Land haben Potenzial. Beide Bereiche gelten in Kolumbien als wichtige Mittel, um den ungleichen Zugang zum Gesundheitswesen zu reduzieren. Auf dem Land gibt es laut Fitch Solutions nur rund 60 Ärzte pro 100.000 Einwohner. In der Stadt ist die Zahl dreimal so hoch. Daher wird der Sektor von der Regierung gefördert: So erlaubte die Regierung im April 2020 mit dem Dekret 538 die Untersuchung von Patienten und die Ausstellung von Arzneimittelverschreibungen über digitale Kommunikationswege. Im Juli 2021 unterzeichneten das Technologie- und das Gesundheitsministerium die Resolution 866 zur Regulation von digitalen Krankenakten. Allerdings gilt die schwache digitale Infrastruktur in Kolumbien als Hürde. Dennoch ist Kolumbien dem Medizintechnikhersteller Philips zufolge bei der Digitalisierung des Gesundheitssektors weiter fortgeschritten als die anderen Länder der Region, einschließlich Brasilien.