Branchen | Kolumbien | Öl, Gas
Wettlauf gegen schwindende Ölreserven bietet Chancen
Kolumbiens Öl- und Gasreserven neigen sich dem Ende zu. Zahlreiche Projekte sollen Abhilfe schaffen.
02.02.2022
Von Janosch Siepen | Bogotá
Kolumbiens Erdölförderung sinkt seit Jahren. Im vergangenen Jahr hat das Land so wenig produziert wie noch nie seit 2013. Geht es so weiter, sind die bestehenden Reserven in sechs Jahren verbraucht. Ähnlich sieht es beim Erdgas aus. Hier reichen die Reserven momentan noch für rund sieben Jahre. Fest steht: Kolumbien braucht neue Förderquellen und diese sollen nun erschlossen werden. Denn Kolumbiens förderbares Ölpotenzial ist mit mindestens 20 Milliarden Barrel weiterhin groß. Um das Potenzial auszunutzen, müsse das Land laut dem kolumbianischen Öl- und Gasverband ACP die Produktion wieder vorantreiben und die hohen Rohstoffpreise ausnutzen. Daher will Kolumbien seine Ölreserven bis 2040 um 3 Milliarden Barrel erhöhen.
Zahlreiche Vorhaben geplant
Kolumbien arbeitet bereits an der Umsetzung dieses Ziels. In der Projektrunde 2021 wurden 30 Verträge für Investitionen von rund 148 Millionen US-Dollar (US$) vergeben. Später im Jahr 2022 soll es eine weitere Vergabe geben. Auch Ecopetrol, das wichtigste Unternehmen im kolumbianischen Öl- und Gassektor, will 2022 über 4 Milliarden US$ investieren. Bis 2023 möchte der Staatskonzern allein 1,3 Milliarden US$ in Gasprojekte fließen lassen sowie neue Explorationsprojekte im Osten Casanares starten. Die Investitionen in Exploration und Produktion werden im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent steigen, so ACP. Dadurch fließen rund 4,4 Milliarden US$ in den Sektor, vor allem an der Karibikküste.
Neben diesen konventionellen Vorhaben will das Land auch Offshore-Förderung und Fracking vermehrt ermöglichen. ExxonMobil und Ecopetrol warten auf die Umweltgenehmigung, um mit Fracking-Pilotprojekten im mittleren Magdalenabecken beginnen zu können. Die Lizenzen dürften Mitte 2022 ausgestellt sein, die Projekte dann in der zweiten Jahreshälfte beginnen. Aus dem Kongress kommen allerdings einige Initiativen, um Fracking zu stoppen. Bereits 2018 verhängte das oberste Verwaltungsgericht im Land ein Moratorium für Fracking aufgrund von sozialen und Umweltbedenken. Die Pilotprojekte waren jedoch von der Entscheidung ausgenommen. Das Gericht hat noch keine finale Entscheidung bezüglich des kommerziellen Frackings abgegeben.
Jahr | in Milliarden US$ |
---|---|
2015 | 11,97 |
2016 | 7,31 |
2017 | 9,43 |
2018 | 13,52 |
2019 | 11,93 |
2020 | 6,94 |
Verschiedene Firmen wollen im Offshore-Bereich an der Karibikküste Investitionen im Wert von 1,4 Milliarden US$ tätigen. Shell und Ecopetrol haben die Explorationsbohrungen an ihrer Offshore-Quelle Gorgon 2 beinahe abgeschlossen. Auch andere Unternehmen wie Petrobras, Repsol, Occidental, Hocol und Chevron planen Tiefseeprojekte. Anfang 2022 verfügt Kolumbien über acht Offshore-Verträge mit Investitionen für 1,6 Milliarden US$. Die Extraktionskosten in Kolumbien gelten als wettbewerbsfähig. Doch Experten bezweifeln die Rentabilität, Gas aus der Tiefsee ins Land zu transportieren.
Dynamik bei Weiterverarbeitung und Infrastruktur
Vor allem im Raffineriebereich sind hohe Investitionen geplant. Die sechs Milliarden US$ schwere Sebastopol Raffinerie soll bis Ende 2026 in Betrieb sein. Projektvergabe ist voraussichtlich im Februar 2022. Sobald das Projekt fertiggestellt ist, wird die Raffinerie rund 100.000 Barrel/Tag verarbeiten. Zudem investiert der Staatskonzern Ecopetrol knapp 800 Millionen US$ in die Modernisierung der Raffinerie in Barrancabermeja. Die Weiterverarbeitung von Öl soll nach Fertigstellung deutlich umweltfreundlicher stattfinden. Ecopetrol baut zudem seine Raffinerie in Cartagena aus, um täglich 50.000 Barrel mehr zu verarbeiten. Das Vorhaben ist zu knapp 80 Prozent abgeschlossen. Die Regasifizierungsanlage am Pazifik wird trotz eines fehlgeschlagenen Vergabeverfahrens im Oktober 2021 weiterverfolgt. Das Projekt für 700 Millionen US$ soll Ende 2026 fertiggestellt sein.
Um die schwache Energieinfrastruktur in Kolumbien zu verbessern, ist auch der Bau diverser Pipelines vorgesehen. Gasleitungen in den Bundesstaaten Atlántico und Quindío sind Teil des Regierungsplans, um das Land künftig besser zu versorgen. Zukünftige Gasreserven liegen in einem Streifen zwischen Córdoba und Cesar und müssen ins Landesinnere transportiert werden, woher 62 Prozent der Nachfrage kommt. Das Land plant daher auch die Gaspipeline Jobo-Medellín zwischen dem Norden und Zentrum des Landes für rund 500 Millionen US$.
Projektname | Investitionssumme (Mio US$) | Projektstand | Anmerkung |
Sebastopol Raffinerie | 6.000 | Das Vergabeverfahren ist noch nicht abgeschlossen, Projekt soll aber im Februar 2022 vergeben werden; Baubeginn ist für November 2024 geplant, Betriebsbeginn ab November 2026 | Raffinerie in Antioquia, die 150.000 Barrel pro Tag verarbeiten und 8.000 Arbeitsplätze schaffen soll; Betreiber: Refinería Colombiana Sebastopol |
Sucre LNG Terminal | 4.000 | Projektkapazität: 550.000 m³ Flüssiggas, 90 km Übertragungsleitungen; Betrieb ab Ende 2022 geplant | Bau eines Offshore Flüssiggas Terminals und eines angebundenen thermoelektrischen Komplexes; Betreiber: GIEPSA |
Andes Energy Terminal | 1.000 | Machbarkeitsstudien fast abgeschlossen, Baubeginn ab Oktober 2023, Betrieb ab Mitte 2025 geplant | Terminal für Import von Flüssiggas und Regasifizierung an der Pazifikküste bei Buenaventura; Betreiber: Andes Energy Terminal |
Barrancabermeja Raffinerie Modernisierung | 777 | Bis 2023 will Ecopetrol in die Modernisierung der fast 100-jährigen Raffinerie investieren; die Arbeiten sollen unter anderem die Wassernutzung verbessern und die Emissionen senken | Die Modernisierung soll die Kapazität erhöhen und schwereres Rohöl verarbeiten können; 300.000 Barrel pro Tag; Betreiber: Ecopetrol |
Buenaventura Regasifizierungsanlage | 700 | Projekt soll ab Mitte 2026 in Betrieb sein, Vergabeverfahren im Oktober 2021 schlug fehl, Finanzierung und Umsetzung ist unsicher | Anlage und Pipeline an der Pazifikküste; Betreiber: Minenergía, Konsortien Sener Pacífico und Delvasto & Echeverría- HNA Ingeniería |
Jobo Station-Medellín Pipeline | 500 | Sechs Unternehmen gaben bereits Angebote ab, Vergabe voraussichtlich im März 2022, Betrieb ab Ende 2024 | 300 km lange Pipeline zwischen der Jobo Gasanlage nahe der Karibikküste und Medellín, Betreiber: Canacol Energy |
Yumbo-Vasconia Pipeline | 105 | Teil des langfristigen Gasversorgungsplans der Regierung, Betrieb ab Anfang 2024 geplant, Umsetzung unsicher | Gaspipeline in Quindío soll täglich 7,7 Millionen m³ Gas befördern; Betreiber: Minenergía |
Barranquilla-Ballena Pipeline | 90 | Eine von 6 Pipelines, die die Regierung priorisiert; Betrieb ab Dezember 2022 geplant | Pipeline an der Karibikküste (Atlántico) soll täglich 4,8 Millionen m³ Gas befördern, Betreiber: Minenergía |
Außerdem besteht - wie in anderen Ländern - auch in Kolumbien ein hoher Bedarf, die Branche nachhaltiger zu machen. Ecopetrol will beispielsweise rund 50 Millionen US$ in Schadstoffreduzierung investieren. Der Staatskonzern möchte künftig insgesamt eine Million Barrel an CO₂-neutralem Öl verkaufen. Experten gehen zudem davon aus, dass Prozessautomatisierung und Datenanalyse in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.
Sicherheitsrisiken bestehen
Kolumbien ist stark abhängig von seiner Öl- und Gasbranche. Der Sektor macht rund 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus. Allein der Ölsektor sorgt für ein Drittel der kolumbianischen Exporte und bringt rund 30 Prozent der Fremdwährungseinnahmen des Landes ein. Zu Beginn des Jahres 2022 profitiert die Branche vom hohen Ölpreis, der auch im Verlauf des Jahres weiter steigen soll. Der Brent könnte 2022 laut Goldman Sachs 110 US$ pro Barrel erreichen. Der hohe Preis führt zu einem erhöhten Förderniveau, da die Förderung rentabler ist: Laut dem Industrieverband Campetrol erreichen Bohrungsaktivitäten zu Beginn 2022 ein Zweijahreshoch. Allerdings bestehen Sicherheitsrisiken durch Sabotageakte und Angriffe auf Pipelines sowie wachsenden Öldiebstahl. Da die Angriffe oftmals auf tiefliegende politische Konflikte im Land zurückzuführen sind, dürfte es schwierig sein, eine kurzfristige Lösung zu finden. So besteht wohl auch in Zukunft ein gewisses Risiko für Investoren.
Bezeichnung | Anmerkung |
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Nationale Behörde für Kohlenwasserstoff | |
Kolumbianischer Öl- und Gasverband | |
Bergbau- und Energieministerium | |
Nationale Planungseinheit für Bergbau und Energie |