Wirtschaftsumfeld | Kolumbien | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Arbeitsmarkt
Firmen aus Deutschland finden üblicherweise geeignete Mitarbeiter, auch wenn die Zahl technischer Fachkräfte relativ gering ist. Englischkenntnisse sind oftmals ein Problem.
15.08.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
Spezialisiertes Personal seltener zu finden
In Kolumbien gibt es eine große Anzahl an Arbeitskräften mit geringer Ausbildung. Hinzu kommen viele Absolventen geistes- und humanwissenschaftlicher Studiengänge, auf die der Bildungsmarkt nach Aussage eines Personalers noch zu sehr fokussiert ist. Die Anzahl spezialisierter Fachkräfte und Techniker fällt dadurch geringer aus. Dennoch berichten deutsche Unternehmen, dass sie in der Regel gute Mitarbeitende finden. Das liege zum Teil an den renommierten Namen der Unternehmen.
Auch der Standort spiele eine Rolle. In Industriezentren wie Barranquilla sei es leichter, Personal zu finden. Generell gestalte sich die Personalsuche in Kolumbien einfacher als in europäischen Ländern: Eine junge Bevölkerung und viele Hochschulabsolventen sorgen für ein gutes Angebot an Arbeitskräften. Das Lohnniveau liege circa 40 Prozent unter jenem in Europa, berichtet ein Manager.
Der Arbeitsmarkt laufe aber in manchen Branchen auch in Kolumbien langsam heiß. Gerade im IT- oder Servicebereich sei es mitunter schwierig, geeignetes Personal zu finden. Man müsse vor allem ein Gefühl der Zugehörigkeit schaffen, um Mitarbeitende zu binden und die Fluktuation niedrig zu halten, berichtet eine Firma. Vorgesetzte sollten vor Ort sein und Zeit investieren.
Bevölkerung (2021, in Mio.) | 51,5 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, 2021, in Mio.) | 35,9 |
Erwerbstätige (2022, in Mio.) | 25,8 |
Arbeitslosenquote, offizielle (2022, in %, nach ILO-Definition) | 10,7 |
Analphabetenquote (2020, in %) | 4,4 |
Universitätsabschluss (2020, in %) *) | 12,8 |
Agenturen zur Personalvermittlung helfen
Personaler geben zu bedenken, dass gerade Englischkenntnisse oftmals ein Problem darstellen. Ein Unternehmen zahlt laut eigener Aussage in der Regel rund 40 Prozent mehr, falls ein Bewerber gutes Englisch spricht. Auch mangele es zum Teil an der Fähigkeit, analytisch und kritisch zu denken. In vielen Fällen könne die Bildung der öffentlichen Einrichtungen daher nicht die Bedürfnisse der Wirtschaft vor Ort bedienen.
Bei sehr speziellen Positionen wie beispielsweise im Vertrieb von onkologischen Geräten können Personalvermittlungsagenturen helfen. Die wichtigsten Agenturen in Kolumbien sind Michael Page und Hays, bei deutschen Unternehmen ist zudem Top Management beliebt.
Universitäten in Kolumbien unter den Besten der Region
Deutsche Unternehmen in Kolumbien sind in der Regel zufrieden mit dem Bildungsniveau ihrer Mitarbeitenden. Viele Angestellte würden sogar nebenberuflich weiterstudieren, um sich fortzubilden, berichtet ein Unternehmer. Laut dem QS Ranking der besten Universitäten Lateinamerikas 2023 liegen folgende drei kolumbianische Hochschulen unter den Top 20: Universidad de los Andes (privat, Rang 8), Universidad Nacional de Colombia (öffentlich, Rang 9), Pontifica Universidad Javeriana (privat, Rang 13).
Abgänger dieser Universitäten kommen als Angestellte für deutsche Unternehmen meist infrage. Auch kleinere, aber traditionsreiche Universitäten wie die Universidad del Rosario haben ein hohes Ausbildungsniveau. Bei Absolventen anderer, weniger bekannter Institutionen sollten Unternehmen das Niveau der Bewerber genau prüfen. Duale Ausbildungsprogramme werden in Kolumbien vom Servicio Nacional de Aprendizaje (SENA) organisiert. Hier wechseln Auszubildende rund alle drei bis sechs Monate zwischen Schule und Betrieb.
Vorteile | Nachteile |
Ausgebildete Arbeitskräfte oft gut qualifiziert | Viele Arbeitskräfte mit geringer Ausbildung |
Gute Arbeitsmoral | Mangelnde Englischkenntnisse und Analysefähigkeiten |
Einige sehr gute Bildungseinrichtungen | Angebot an technischem Fachpersonal gering |
Junge Bevölkerung | Großer Wettbewerb um Personal in bestimmten Branchen |
Arbeitsmoral im Land ist hoch
Unternehmen loben die Arbeitsmoral in Kolumbien. Die Bevölkerung gilt als motiviert und fleißig. Die Arbeitszeiten sind deutlich länger als in Deutschland, während jährlich nur 15 Urlaubstage üblich sind. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeiteten Angestellte in Kolumbien 2021 durchschnittlich 47,8 Stunden pro Woche. Das ist mehr als in jedem anderen der 39 untersuchten Länder (Deutschland: 34,6 Stunden).
Die Kolumbianer wechseln häufig den Job. Die Gesetzeslage erlaubt sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber kurzfristige Kündigungen. Zwar investieren Unternehmen nur ungern viel Zeit in eine teure Ausbildung ihrer Beschäftigten. Allerdings binden Firmen ihre Angestellten durch Sachleistungen oder Prämien an sich.
Gewerkschaften haben in Kolumbien wenig Einfluss. Nur 4,7 Prozent der Erwerbstätigen gehörten 2019 einer Gewerkschaft an, so der Internationale Verbund der Gewerkschaften ITUC. Oftmals vereinbaren Unternehmen mit ihren Angestellten, keiner Gewerkschaft beizutreten.
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Große regionale Unterschiede und Informalität sind Probleme
Der kolumbianische Arbeitsmarkt hat sich schneller als erwartet von den Auswirkungen der Pandemie erholt. Die Arbeitslosigkeit lag 2022 bei 10,7 Prozent. Strukturelle Probleme bestehen allerdings weiterhin. Regional herrschen deutliche Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit. Eingewanderte aus Venezuela haben zwar inzwischen ein vorläufiges Aufenthaltsrecht, doch die Integration in den Arbeitsmarkt verläuft oftmals schwierig.
Auch die Informalität auf dem Arbeitsmarkt ist in Kolumbien sehr hoch. Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge arbeiten 58 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung informell. Eigenständige Parkplatzwächter, Haushaltshilfen und Straßenverkäufer ohne formelles Arbeitsverhältnis sind allgegenwärtig. Wegen strikter regulatorischer Rahmenbedingungen rentiert es sich für viele Unternehmen ihr Personal informell zu beschäftigen und klein zu bleiben. Das drückt auf die Produktivität und Steuereinnahmen der kolumbianischen Wirtschaft, so die OECD.