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Wirtschaftsausblick | Kroatien

Konsum beflügelt Konsum in Kroatien

Kroatiens Wirtschaftswachstum ist eines der stärksten der EU. Der Tourismus sorgt für steigenden Verbrauch, die Inflation geht zurück. Aber der Wirtschaft fehlen Fachkräfte.  

Von Kirsten Grieß | Zagreb

Top-Thema: Fehlende Fachkräfte werden zum Wachstumsrisiko

In fast allen Branchen Kroatiens fehlen qualifizierte Arbeitskräfte. Für die Wirtschaft ist das inzwischen ein Wachstumsrisiko. Der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt treibt zudem die Löhne nach oben: Im Jahr 2023 stiegen die Lohnkosten um 14,5 Prozent im Euroraum ein Rekordwert. 

Vor allem seit dem EU-Beitritt 2013 hat Kroatien viele qualifizierte Arbeitskräfte an EU-Länder mit deutlich höherem Lohnniveau verloren. Gleichzeitig ist die Beschäftigungsquote mit 65,3 Prozent eher gering und liegt 5 Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt.

Die Unternehmen drängen die kroatische Regierung nach Lösungen und hoffen auf Erleichterungen der Arbeitsmigration. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt seit Februar 2024 vor. Nach dem Eintritt der EU-skeptischen Heimatbewegung (DP) Mitte April 2024 in die Regierung ist allerdings fraglich, ob Lockerungen rasch umgesetzt werden.

Wirtschaftsentwicklung: Starkes Wachstum für das Gesamtjahr erwartet 

Das kroatische Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im 1. Quartal 2024 real um 3,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Nach Malta liegt Kroatien damit weiter an der Spitze der EU-Staaten und deutlich über dem EU-Durchschnitt von 0,1 Prozent BIP-Wachstum. Für das Gesamtjahr 2024 geht die Europäische Kommission von einem realen Wachstum von 3,3 Prozent und für 2025 von einem Plus von 2,9 Prozent aus.

Der private Konsum verzeichnete im 1. Quartal 2024 einen Zuwachs von 6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Dynamik soll laut Analysten über das gesamte Jahr anhalten. Eine wichtige Rolle spielt dabei der starke Tourismus. In den ersten vier Monaten 2024 lag die Zahl gemeldeter Touristen schon 4,7 Prozent über dem Wert der Vorjahresperiode. Noch kräftiger als der private Verbrauch stiegen im 1. Quartal 2024 die Bruttoanlageinvestitionen mit einem Plus von 10,8 Prozent.

Die Industrie bleibt in der Rezession

Weniger gut läuft es in der industriellen Produktion. Sie ging nach einem Minus von 0,3 Prozent im Vorjahr in den ersten vier Monaten 2024 um weitere 2,2 Prozent zurück. Mit einem Minus von 19,6 Prozent war die Produktion im Maschinenbau stark rückläufig. Im 2. Halbjahr hängt die Entwicklung von der Nachfrage in wichtigen EU-Märkten ab. Bleibt die konjunkturelle Entwicklung in Europa schwach, schlägt sich das auch auf die kroatische Industrieproduktion und den Warenexport nieder. Gewachsene Lagerbestände deuten darauf hin, dass im verarbeitenden Gewerbe keine unmittelbare Erholung zu erwarten ist.

Sinkende Inflation im Jahresverlauf

Kroatien kämpft weiter mit einer hohen Inflation. Im Mai 2024 lag die Preissteigerung bei 6,1 Prozent. Die kroatische Nationalbank erwartet für das Gesamtjahr eine Drosselung auf 3,8 Prozent und für 2025 eine Absenkung auf 2,6 Prozent. Die steigende Nachfrage nach touristischen und tourismusnahen Dienstleistungen in den Sommermonaten könnte die Preise zwischenzeitlich aber in die Höhe treiben.

Eine stärkere Tourismussaison kann als Konsumtreiber das BIP-Wachstum weiter beschleunigen, zu viel kann die Inflation erneut anheizen. Die Balance bleibt schwierig und Kroatien ist gut beraten, die hohe Abhängigkeit vom Tourismus zu reduzieren und für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen.

Stefanie Ziska Geschäftsführerin, Deutsch-Kroatische Industrie- und Handelskammer (AHK Kroatien)

Die durchschnittlichen realen Bruttolöhne stiegen im 1. Quartal 2024 um 10 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Zu Jahresbeginn trat außerdem eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um 20 Prozent in Kraft. Im öffentlichen Sektor gab es im April 2024 kräftige Gehaltssteigerungen. Die Lohnzuwächse geben der Kaufkraft zusätzliche Impulse. Für die Wettbewerbsfähigkeit Kroatiens sind steigende Lohnkosten aber ein Problem. 

Deutsche Perspektive: Importe aus Deutschland ziehen zu Jahresbeginn an

Der steigende öffentliche und private Konsum treibt auch den Import von Waren aus Deutschland in die Höhe. Im 1. Quartal legten die deutschen Warenlieferungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent zu. In die Gegenrichtung verzeichnete Eurostat einen Rückgang der Warenexporte nach Deutschland um 2,2 Prozent. Im März erfolgte ein Einbruch, der den Beginn eines Negativtrends einläuten könnte.

Deutsche Unternehmen schätzen das Geschäftsumfeld

Die Mitglieder der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer (AHK Kroatien) zeigten sich in der jüngsten Konjunkturumfrage zufrieden mit ihren Geschäften im Land. Wichtigster Standortvorteil ist für sie Kroatiens Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt. Das Wirtschaftsumfeld wird geschätzt. Das größte Geschäftsrisiko birgt für die Befragten der Mangel an Fachkräften. Für Unzufriedenheit sorgen seit Jahren die unzureichende Korruptionsbekämpfung und eine ineffiziente Verwaltung. 

87,7 %

der befragten AHK-Mitglieder würden wieder in Kroatien investieren.

Quelle: Konjunkturumfrage der AHK Kroatien, Mai 2024

Ein Korruptionsfall war Auslöser der vorgezogenen Neuwahlen im April 2024. Trotz zahlreicher Skandale hat die konservative Regierungspartei HDZ die Parlamentswahl aber klar gewonnen. Ernsthafte Reformen des Justizsystems und eine effektive Korruptionsbekämpfung sind damit kaum mehr zu erwarten. Der neue Koalitionspartner DP wird wichtige Reformen etwa mit Blick auf Arbeitsmigration eher blockieren als vorantreiben.

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