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Wirtschaftsumfeld | Marokko | Investitionsklima

Investitionscharta muss sich erst beweisen

Private Investitionen sollen Marokko zu einem nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung führen. Ob dies gelingt, wird von der Umsetzung der neuen Investitionsstrategie abhängen.

Von Michael Sauermost | Casablanca

In Marokko ruhen die Hoffnungen auf der neuen Investitionscharta. Der Fahrplan für künftige Investitionen blickt bis zu seiner Veröffentlichung im Sommer 2022 auf eine mehrjährige Entstehungsgeschichte zurück. Umso mehr erwartet die Wirtschaft eine zügige beziehungsweise effiziente Umsetzung. In- und ausländische Investitionen sollen gleichermaßen angeschoben werden. Auch Kapitalanlagen marokkanischer Firmen im Ausland bleiben nicht unberücksichtigt.

Gewichtung privater und öffentlicher Investitionen umkehren

Das spektakulärste Ziel der Charte d´Investissement lautet, den Anteil der privaten Investitionen auf zwei Drittel der Gesamtinvestitionen im Königreich zu erhöhen. Derzeit ist das Verhältnis genau umgekehrt: Etwa zwei Drittel der Kapitalanlagen sind der Commission Spéciale sur le Modèle de Développement (CSMD) zufolge dem öffentlichen Sektor zuzurechnen. Bis 2035 könnten rund 35 Milliarden US-Dollar (US$) an privaten Investitionen generiert werden, kalkuliert die Regierung optimistisch.

Laut Finanzgesetz könnten die öffentlichen Investitionen im Jahr 2022 eine Summe von umgerechnet rund 24,5 Milliarden US$ erreichen. Darunter fallen neben den allgemeinen, im Staatshaushalt vorgesehenen Ausgaben auch Abwicklungen über den Fonds Mohamed VI pour l´investissement. Auch wenn unwahrscheinlich ist, dass die Ausgaben in dieser Höhe tatsächlich getätigt werden, so könnten erstmals die öffentlichen Investitionen mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen.

Die Investitionscharta, die stark von der CSMD geprägt wurde, will die privaten Investitionen wieder ins Rampenlicht führen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um lokale oder ausländische Investitionen handelt. Schließlich soll die Attraktivität des Königreichs als kontinentale und internationale Drehscheibe für Unternehmen gestärkt werden.

Incentives für Sektoren und/oder Standorte

Ein weiteres Ziel besteht in der gleichmäßigeren, regionalen Verteilung der Investitionen. Bislang herrschen große Unterschiede im Königreich. Provinzen und Präfekturen außerhalb der Ballungsgebiete ziehen nur unzureichend Investitionen an. Die Investitionscharta gewährleistet territoriale Prämien, die darauf abzielen, Investitionen in den am stärksten benachteiligten Provinzen zu fördern. Dabei ist das Königreich in drei verschiedene Sektoren eingeteilt.

Diese Bemühungen verfolgt die marokkanische Agentur für Investitionen und Exportentwicklung (AMDIE) bereits seit längerem. Im Jahr 2019 wurden Kompetenzen an die regionalen Investitionszentren (CRI; Centres Régionaux d´Investissement) abgegeben. Seitdem haben es Investoren bei verschiedenen bürokratischen Abläufen in den Regionen bereits leichter. Die Charta hebt die Rolle der CRI sowie der einheitlichen regionalen Investitionskommissionen hervor.

Mittelgroße Unternehmen sollen stärker am Investitionsgeschehen partizipieren. Die Regierung will die Mindestgröße von Kapitalanlagen für Investitionsförderung verringern. Vor allem sollen dadurch auch kleinere Unternehmen die Chance bekommen, von den Incentives zu profitieren. Die Messlatte soll von rund 50 Millionen auf 25 Millionen US$ herabgesetzt werden. Ebenfalls könnten bürokratische Hindernisse - vor allem unterstützt durch eine verstärkte Digitalisierung der Abläufe - schrumpfen.

Investitionsprojekte strategischer Natur sollen von verschiedenen, ausgehandelten Vorteilen profitieren. Ein Vorhaben wird als strategisch eingestuft, wenn es ein oder mehrere gesetzlich festgelegte Kriterien erfüllt. Allerdings gelten Projekte im Bereich der Verteidigungsindustrie automatisch als strategisch. Der Pharmasektor wird in diesem Zusammenhang ebenfalls genannt.

Verschiedene Schlüsselsektoren können auf Zuschüsse von 5 Prozent des Investitionsvolumens hoffen. Darunter fallen die Tourismusindustrie, alles, was mit Digitalisierung zusammenhängt, erneuerbare Energien sowie Offshoring. Auf bis zu 15 Prozent können Branchen spekulieren, die allgemeinen Nutzen für das Königreich versprechen.

Incentives können addiert werden

Die Schaffung von Arbeitsplätzen hat besonderen volkswirtschaftlichen Nutzen. Auch Unternehmen, die mit ihrer Produktion die Notwendigkeit zukünftiger Importe reduzieren, können profitieren. Außerdem werden Zukunftssektoren, unter anderem Biotechnologie sowie Künstliche Intelligenz (KI) bevorzugt behandelt. Sämtliche Incentives können bis zu maximal 30 Prozent des prämienfähigen Anlagebetrags aufaddiert werden. Die Regierung ist sich bewusst, dass der Erfolg der Erneuerung von Rechts- und Anreizmaßnahmen maßgeblich von der effizienten Umsetzung abhängt. Dafür soll ein regelmäßig einberufenes Kontrollgremium sorgen.

Bei Auslandsinvestitionen liegen Industrie und Frankreich vorne

Laut Office des Change beliefen sich im Jahr 2021 die Nettozuflüsse ausländischer Direktinvestitionen in Marokko auf umgerechnet rund 2,2 Milliarden US$. Etwa 27 Prozent davon fielen in die Rubrik Immobilien. Bei 17,3 Prozent handelte es sich um Investitionszuflüsse für die Industrie. Davon wiederum waren zwei Drittel dem Automobilsektor zuzurechnen. Rund 252 Millionen US$ fuhr die Branche netto an Kapitalanlagen ein.

Der Bestand an Direktinvestitionen erreichte zum Jahresende 2020 umgerechnet 67,6 Milliarden US$. In Landeswährung ergab sich gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 0,4 Prozent. Nach Sektoren betrachtet, lagen die Industrie mit einem Anteil von 23,7 Prozent sowie Immobilien (19,0 Prozent) in der Statistik vorne. Dahinter folgten die Telekommunikation (13,2) sowie der Tourismussektor (9,5). Mit 20,5 Milliarden US$ gingen rund 30 Prozent des Bestands auf das Konto von Investoren aus Frankreich. Die VAE (Anteil: 20,7 Prozent) sowie Spanien (8,3) schafften es ebenfalls in die Top 3 des Länderrankings. Dort rangierte Deutschland zum Jahresende 2020 auf Rang 9.

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