Rekordjahr für die mexikanische Automobilindustrie

Der Aufschwung der Automobilproduktion in Mexiko hält an. Von Januar bis Juni 2024 liefen in den Werken knapp 2 Millionen Fahrzeuge vom Band. Das waren 5,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit ist Mexiko auf dem besten Weg, das bisherige Rekordjahr 2017 mit seinen 3,9 Millionen produzierten Pkw zu übertreffen. "Nachdem die Hürden der Post-Corona-Zeit überwunden sind, befindet sich der Sektor jetzt in einer Expansionsphase", erklärte Odracir Barquera, Leiter des Verbandes der Automobilindustrie AMIA (Asociación Mexicana de la Industria Automotriz) auf einer Pressekonferenz.

Kapazitäten sind hoch ausgelastet

Insgesamt rechnet AMIA 2024 mit 3,9 Millionen bis 4 Millionen produzierten Pkw. Damit werden in Mexiko ähnlich viele Autos hergestellt wie in Deutschland. Die Kapazität der Automobilwerke sei in der ersten Jahreshälfte zu etwa 91 Prozent ausgelastet gewesen, so Verbandschef Barquera. Auch dies sei ein rekordverdächtiger Wert. AMIA bietet eine Übersicht der insgesamt 37 Autofabriken im Land.

Tesla verschiebt Entscheidung über geplantes Werk

Bereits im März 2023 hatte der US-Autobauer Tesla eine Gigafabrik für Elektroautos angekündigt und ein Grundstück nahe der Stadt Monterrey erworben. Wegen der schwachen Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in den USA wurde der Baubeginn dann aber verschoben. Schließlich gab Elon Musk im Juli 2024 bekannt, eine Entscheidung über das geplante Werk falle erst nach den US-Wahlen im November. "Wir müssen abwarten, wie sich die Dinge in der Politik entwickeln", so Musk.

Ähnliche Überlegungen dürften auch die chinesischen Hersteller BYD, Chery Automobile, Great Wall Motors (GWM) und MG Motor (SAIC) anstellen. Alle vier Unternehmen haben bereits Werke in Mexiko angekündigt, ohne bislang konkrete Investitionssummen oder Standorte zu nennen.

MG Motor steht inzwischen auf Platz 10 der meistverkauften Automarken in Mexiko (Marktanteil 3,5 Prozent im 1. Halbjahr 2024). Im August 2024 gab das Unternehmen bekannt, zukünftig 100.000 Fahrzeuge jährlich in Mexiko montieren zu wollen, um damit ganz Lateinamerika zu beliefern. GWM zeigt Interesse an einem Werk in den nördlichen Bundesstaaten Coahuila und Durango als Ergänzung zu einem neuen Werk in Brasilien. BYD hat Presseberichten zufolge Interesse am Bundesstaat Jalisco und will ab 2027 rund 150.000 Elektroautos jährlich in Mexiko produzieren. Chery Automobile wiederum erwägt ein Produktionswerk in Durango oder im Bundesstaat Mexiko.

Wie Tesla dürften auch die Unternehmen aus China die Präsidentschaftswahl in den USA abwarten. Theoretisch gelten die Zollvorteile des USMCA-Handelsabkommens auch für in Mexiko hergestellte Autos chinesischer Firmen. Allerdings drohte Donald Trump bereits mit Zöllen von 100 Prozent, sollten chinesische Autobauer Mexiko als Schlupfloch nutzen wollen, um zollfrei in die USA zu gelangen.

Hersteller rüsten Werke auf Elektroautos um

Im Gegensatz zu Tesla und den chinesischen Herstellern produzieren andere Firmen bereits Elektroautos in Mexiko: Im 1. Halbjahr 2024 liefen bei Ford rund 23.000 Stück des vollelektrischen Modells Mustang Mach-E in einem Werk nahe Mexiko-Stadt vom Band. General Motors produzierte im gleichen Zeitraum 21.600 Stück des Modells Blazer EV und 20.100 Equinox EV. Zuvor hatte der US-Konzern rund 1 Milliarde US-Dollar (US$) in den Ausbau des Werks im nordmexikanischen Ramos Arizpe investiert. Toyota startete Mitte 2024 mit der Produktion der Hybridversion des Modells Tacoma im Werk in Guanajuato. Für die Anpassung der Produktionslinien gab das Unternehmen rund 330 Millionen US$ aus.

Die deutschen Hersteller Audi, BMW und Volkswagen dürften bald mit Elektroautos made in Mexiko nachziehen. Sie rüsten derzeit für hohe Summen ihre Werke auf Elektromobilität um. "Mit dieser Weiterentwicklung unseres Standorts bereiten wir uns auch in Mexiko auf den Start der nächsten BMW Modellgeneration vor“, wird Harald Gottsche, Präsident und CEO des BMW-Werks San Luis Potosí in einer Pressemitteilung anlässlich der Grundsteinlegung des neuen Batteriewerks im Mai 2024 zitiert.

ZF Friedrichshafen expandiert weiter

Auch die Herstellung von Autoteilen befindet sich auf Rekordkurs. Für 2024 erwartet der Autoteileverband INA einen Produktionswert von 126,1 Milliarden US$, rund 4,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit liegt die Autoteileproduktion gut 50 Prozent über dem Niveau von vor der Pandemie. Rund 87 Prozent der produzierten Autoteile werden ins Ausland exportiert, vor allem an die USA. Im weltweiten Vergleich ist Mexiko viertgrößter Hersteller.

ZF Friedrichshafen eröffnete im April 2024 einen neuen Komplex in der nördlichen Industriemetropole Monterrey, wo das Unternehmen 200 Millionen US$ investierte. Neben einer Produktionsstätte für intelligente Kameras für das assistierte Fahren beherbergt die Anlage auch das erste Forschungs- und Entwicklungszentrum des Unternehmens in Mexiko. Landesweit kommt ZF Friedrichshafen bereits auf 20 Werke und über 25.000 Mitarbeiter, und ist damit einer der größten deutschen Arbeitgeber. Auch die Zulieferer Continental, Bosch, Leoni, Dräxlmaier, Schaeffler, Mahle, Brose und ThyssenKrupp sind in Mexiko stark vertreten.

Timm Jenisch, Geschäftsführer für Nordamerika beim Automobilzulieferer Kern-Liebers, äußerte sich im Gespräch mit GTAI zur aktuellen Lage in Mexiko wie folgt: "Das Wachstum (..) hat sich weiter beschleunigt. Was sich aber vor allem verändert hat, sind die Unternehmen, die sich ansiedeln. Waren früher die US-Amerikaner oder beispielsweise auch die Deutschen sehr stark in den Investitionsstatistiken, sind zwischenzeitlich (..) die asiatischen, vor allem auch die chinesischen Unternehmen viel präsenter."