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Regionalbericht | Nordamerika | Elektromobilität

Chinesische Elektroautos klopfen auch in Nordamerika an die Tür

Im Norden Amerikas entsteht ein integrierter Markt für Elektroautos. Die US-Regierung will chinesische Anbieter fernhalten, diese könnten aber dennoch auf den Markt drängen.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Für das Zeitalter der Elektromobilität hat die US-Regierung eine klare Vision: eine robuste Lieferkette, die sich über den gesamten nordamerikanischen Kontinent erstreckt und Unabhängigkeit von China gewährleistet. Die Strategie zeigt erste Erfolge, denn in Nordamerika wird entlang der gesamten Wertschöpfungskette massiv investiert.

Allein in den USA wurden bis Anfang 2024 insgesamt 185 Elektromobilitätsprojekte mit einem Investitionsvolumen von 188 Milliarden US-Dollar (US$) bekanntgegeben, berichtet der Environmental Defense Fund. Die US-Regierung fördert diese Entwicklungen gezielt und stellt durch den Inflation Reduction Act (IRA) hohe Subventionen für den Bau von Elektroautos und Batterien bereit. 

Zwar ist der Großteil der Fördermittel für in den USA ansässige Unternehmen reserviert. Steuergutschriften für den Kauf von Elektroautos (Section 30D Tax Credits, bis zu 7.500 US$) sind jedoch bewusst grenzüberschreitend konzipiert. Dadurch werden auch Elektroautos mit Batteriekomponenten aus Kanada und Mexiko gefördert. Die Regierungen beider Staaten stellen ebenfalls beträchtliche Subventionen bereit.

Für eine hohe Integration im nordamerikanischen Automobilmarkt sorgt zudem das Handelsabkommen USMCA. Rund 80 Prozent der in Kanada hergestellten Kfz werden in die USA exportiert, in Mexiko sind es knapp 70 Prozent.

Zölle und Förderausschluss für China

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Elektroautos kamen 2023 aus China in die Vereinigten Staaten, darunter das Modell Polestar 2

Unerwünscht ist aus Sicht der US-Regierung jedoch, dass auch chinesische Anbieter auf diesem Markt Fuß fassen. E-Autos mit in China hergestellten Komponenten oder verarbeiteten Batteriematerialien werden deshalb seit 2024 schrittweise von den Steuergutschriften des IRA ausgeschlossen. 

Zudem schottet die Biden-Administration den Heimatmarkt mit neuen Strafzöllen ab. Wohl ab August 2024 steigen diese zusätzlichen Zölle für in China produzierte Elektroautos von 25 auf 100 Prozent. Batterien und kritische Rohstoffe werden ebenfalls mit höheren Zusatzzöllen belegt.

Bei den US-Autobauern stoßen die Maßnahmen nicht unbedingt auf Gegenliebe. Insbesondere deutsche Hersteller wie BMW und Mercedes-Benz fürchten, ins Kreuzfeuer chinesischer Gegenmaßnahmen zu geraten, da sie in US-Werken gebaute Elektromodelle auch in die Volksrepublik verschiffen. 

Chinesische Autohersteller peilen Mexiko an

Entmutigen lassen dürften sich Chinas Autobauer durch Strafzölle ohnehin nicht. "Mit Innovationen und einem hohen Vernetzungsgrad könnten chinesische E-Autos auch für US-Kunden attraktiv sein, zumal der Anteil der chinesischstämmigen Bevölkerung groß ist", mutmaßt Sven Beiker von der Beratungsfirma Silicon Valley Mobility. Es sei deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die Hersteller versuchten, auch auf dem US-Markt Fuß zu fassen.

Als Einfallstor bietet sich Mexiko an: Mit mehr als 20 Marken haben Hersteller aus dem Reich der Mitte im dortigen Kfz-Markt bereits einen Anteil von rund 10 Prozent erobert. Darauf aufbauend wollen die Firmen eigene Werke errichten.

BYD sucht nach einem Standort, um pro Jahr rund 150.000 E-Autos in Mexiko zu produzieren. Chery will über die Marke Jetour rund 3 Milliarden US$ in ein Montagewerk stecken, und auch seitens SAIC gibt es Interesse. Vertreter von BYD betonen zwar, sich mit der geplanten Investition ausschließlich auf Mexiko und Exportmärkte in Südamerika auszurichten. Branchenkenner gehen jedoch davon aus, dass zumindest langfristig auch der lukrative US-Markt ins Visier genommen wird.

Denn nach den Bestimmungen des USMCA könnten in Mexiko produzierte Autos sogar zollfrei in die USA gelangen. Voraussetzung wäre, dass die strengen Ursprungsregeln des USMCA eingehalten werden. Diese sehen für Kfz einen nordamerikanischen Wertschöpfungsanteil von mindestens 75 Prozent vor. Hinzu kommen weitere Bestimmungen wie Mindestlohnzahlungen.

Eine Mühe, die sich chinesische Anbieter unter Umständen ersparen können: Denn sind die Anforderungen des USMCA nicht erfüllt, gilt die Meistbegünstigungsklausel. Sie sieht für Kfz-Importe aus Mexiko in die USA überwiegend einem Zoll von 2,5 Prozent vor. Ein Zollsatz, der aufgrund des Kostenvorteils chinesischer Hersteller nach Ansicht von Analysten kein wirkliches Hindernis darstellt.

USA mit Druckmittel in der Hinterhand

Washington ist entsprechend alarmiert: Laut Reuters will die US-Regierung verhindern, dass chinesische Autobauer in Mexiko staatliche Fördermittel erhalten. Und ein Druckmittel ist schnell zur Hand: Das USMCA ist mit einer sogenannten "Sunset Clause" belegt – eine Auslaufklausel, wonach das Abkommen alle sechs Jahre überprüft und danach über eine Verlängerung entschieden werden muss. Da die ersten Verhandlungen im Jahr 2026 anstehen, kann es sich Mexiko kaum erlauben, die US-Regierung nachhaltig zu verärgern.

Gänzlich verhindern ließe sich die Ansiedlung der Chinesen durch diese Art der Einflussnahme aber aller Voraussicht nach nicht. Damit sind Washington jedoch keineswegs die Hände gebunden. Denn die US-Gesetzgebung offeriert eine ganze Reihe von Handlungsmöglichkeiten, um die chinesische Konkurrenz außen vor zu lassen.

Wie könnten die USA auf Importe chinesischer Elektroautos aus Mexiko reagieren?

Option 1: Antidumping- oder Ausgleichszölle (Section 781 Tariff Act)

Das US-Handelsministerium könnte Antidumping- oder Ausgleichszölle zur Vermeidung von Umgehungsmechanismen auf Elektroautos verhängen, die in Mexiko aus überwiegend chinesischen Komponenten gefertigt werden. In der Vergangenheit wurden entsprechende Zölle bereits auf chinesische Solarmodule verhängt, die über Drittländer wie Vietnam, Thailand oder Kambodscha in die USA gelangen.

Option 2: Safeguard Investigation (Section 201 Trade Act)

US-Unternehmen können bei der U.S. International Trade Commission (USITC) eine sogenannte "Safeguard Investigation" beantragen. Voraussetzung ist, dass bestimmte Güter in solchen Mengen und unter solchen Bedingungen importiert werden, dass der inländischen Industrie ein erheblicher Schaden entsteht oder zu entstehen droht.

Die USITC gibt im Anschluss eine Handlungsempfehlung an den Präsidenten. Dieser kann Zölle, Quoten oder andere Schutzmaßnahmen erlassen.

Option 3: Unilaterale Zollerhöhungen der USA

Die USA könnten unilateral den Zollsatz für bestimmte Kfz aus Mexiko erhöhen, z. B. für (chinesische) Elektroautos, welche nicht die Ursprungsregeln des USMCA erfüllen. Eine mögliche Rechtsgrundlage wäre die Section 301 des Trade Act (ähnlich den Strafzöllen für Elektroautos direkt aus China). Dies wäre mit erheblichen rechtlichen und diplomatischen Hürden verbunden und würde das Meistbegünstigungsprinzip der WTO und die Rechte Mexikos nach GATT verletzen. 

Aber: Das Berufungsgremium der WTO (Appellate Body) ist seit 2019 nicht mehr handlungsfähig. Dadurch kann es keine rechtskräftigen Entscheidungen in Berufungsverfahren geben.

Es könnte auch ein Verstoß gegen die Nichtdiskriminierungsregeln des USMCA vorliegen. Aber Mexiko ist sehr abhängig vom Fortbestand des Abkommens. Hier könnte es darauf hinauslaufen: wo kein Kläger, da kein Richter.

Option 4: Schutzmaßnahmen aus Gründen der nationalen Sicherheit

Auf der Grundlage der Section 232 des Trade Expansion Act kann der US-Präsident Schutzmaßnahmen wie Zölle und Quoten im Namen der nationalen Sicherheit verhängen. Voraussetzung ist die Feststellung durch das Handelsministerium, dass bestimmte Importe die nationale Sicherheit gefährden. 

Ein Beispiel sind die 2018 von der Trump-Regierung verhängten Aufschläge auf bestimmte Stahl- und Aluminiumimporte.

Bauen chinesische Hersteller Werke in den USA?

Aber auch die chinesischen Herausforderer wären mit ihren Optionen noch nicht am Ende. "Die Erfolgsgeschichte der japanischen, koreanischen und letztlich auch deutschen Hersteller könnte sich wiederholen, indem auch chinesische Anbieter versuchen, Autofabriken in den USA zu bauen", so Berater Sven Beiker. 

BYD stellt im kalifornischen Lancaster bereits Elektrobusse her. Geely will in den USA noch 2024 die ersten Fahrzeuge der Elektromarke Polestar vom Band laufen lassen. Dafür nutzt Geely das Werk des 2010 übernommenen schwedischen Herstellers Volvo in Ridgeville (South Carolina).

Auch chinesische Batteriehersteller gehen bereits diesen Weg. Der VW-Partner Gotion plant in Big Rapids (Michigan) für 2,4 Milliarden US$ eine Fertigungsstätte für 50 Gigawattstunden pro Jahr. Eine Anlage des chinesischen Eigentümern gehörenden Unternehmens Envision AESC wird das Mercedes-Benz-Werk in Alabama beliefern.

Wie würden die USA auf chinesische Großinvestitionen antworten?

Die Reaktionen auf den Bau großer Werke für Elektroautos durch chinesische Hersteller in den USA lassen sich schwer abschätzen. 

Szenario 1:

Die politische Debatte ist in den USA häufig vom Thema Arbeitsplätze bestimmt. Einige Bundesstaaten könnten chinesische Hersteller durchaus willkommen heißen.

Selbst US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump lud auf einer Wahlkampfrede in Ohio im März 2024 chinesische Hersteller dazu ein, eigene Automobilwerke in US-Bundesstaaten wie Michigan, Ohio oder South Carolina zu bauen.

Szenario 2:

Es sind aber auch Szenarien denkbar, in denen sich wirtschaftliche und nationale Sicherheitsinteressen zum Nachteil chinesischer Anbieter vermischen. Im Februar 2024 leitete die Biden-Regierung durch das Handelsministerium eine Untersuchung ein, ob vernetzte Autos chinesischer Hersteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen.

Dabei geht es um Fragen wie Datenschutz, Cybersecurity und die Sammlung von Informationen über die kritische Infrastruktur. Chinesische Elektroautos sind im besonderen Maße betroffen, da deren hohe Vernetzung ein wichtiges Verkaufsargument darstellt.

Wie das Beispiel von Huawei und ZTE im 5-G-Netz zeigt, hätte die US-Regierung Mittel zur Verfügung, um bestimmte Anbieter komplett vom Markt zu verbannen. Mögliche Rechtsgrundlagen bieten unter anderem der International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) oder der National Emergencies Act (NEA).

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