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Montenegro erweitert und modernisiert seine Verkehrsinfrastruktur
Montenegro investiert massiv in seine Straßen, Schienen und Häfen. Die EU übernimmt einen Teil der Kosten. Deutsche Anbieter von Baudienstleistungen haben Chancen in Nischen.
07.03.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Bis Anfang der 2030er Jahre sollen in Montenegro rund 9 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte fließen. Im Fokus steht der Bau neuer Autobahnen und Schnellstraßen, wie zwischen der Hafenstadt Bar und Boljare. Weiterhin plant das Land an der Adria, die Schienenstrecke von Vrbnica nach Bar zu modernisieren und den Hafen Bar zu erweitern. Damit will Montenegro besser in das Transeuropäische Transportnetzwerk (TEN-T) eingebunden werden, seine Konnektivität in der Region steigern und die EU-Integration durch neue physische Verbindungen untermauern.
Montenegro sieht in seiner Fiskalstrategie bis 2027 Investitionen von 2 Milliarden Euro in die genannten Projekte vor. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und die Europäische Investitionsbank (EIB) tragen einen Teil der Kosten. Die Mittel sind gekoppelt an die Einhaltung europäischer Nachhaltigkeitsstandards. Zudem stellt die EU technische Unterstützung bereit.
Hoher Modernisierungsbedarf bei Schienentrassen
Montenegro will seine Schienenwege erneuern. Der Sanierungsdruck ist hoch – in den letzten 40 Jahren flossen Investitionen meist in Autobahnen. Ziel der Modernisierung bilden die EU-Standards bei Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Die Gesamtlänge des Schienennetzes in Montenegro beträgt rund 330 Kilometer. Davon sind rund zwei Drittel elektrifiziert.
Das wichtigste Projekt ist die abschnittsweise Modernisierung der Schienentrasse von Bar nach Vrbnica. Bis 2028 sollen 10 Stahlbrücken und 20 Tunnel für rund 40 Millionen Euro instandgesetzt werden. Für die Sanierung des rund 40 Kilometer langen Streckenabschnitts von Golubovci nach Bar stehen weitere 220 Millionen Euro bereit. Dabei ist die Erneuerung von vier Tunneln und elf Brücken sowie der Oberleitungen geplant. Weiterhin soll der rund 20 Kilometer lange Streckenabschnitt von Lutovo nach Bioče für rund 17 Millionen Euro saniert werden. Die Projektdokumentation wird abschnittsweise erstellt. Die ersten Tender der EIB werden im 2. Quartal 2025 eröffnet.
Das zweite Projekt betrifft die Modernisierung der Schienenstrecke von Podgorica nach Tuzi an der albanischen Grenze. Die 25 Kilometer lange Trasse hat 40 Jahre auf dem Buckel und kann stellenweise nur mit 30 Kilometer pro Stunde befahren werden. Die Machbarkeitsstudie ist bereits erstellt. Für rund 70 Millionen Euro soll die Strecke interoperabel gemacht werden. Einen Teil der Finanzierung übernimmt die EBRD.
Chancen für deutsche Unternehmen ergeben sich bei beiden Projekten bei der Abdichtung der Tunnelauskleidung, bei Beton- Bewehrungs-, sowie Entwässerungsarbeiten. Zudem ist Expertise bei Stahlbauarbeiten und Korrosionsschutz bei der Erneuerung von Brückensegmenten gefragt. Während der Arbeiten soll der Zugverkehr fahrplanmäßig weiterlaufen.
Neue Autobahnen erhöhen Konnektivität mit Nachbarländern
Beim Straßenbau sind die wichtigsten Vorhaben der Bau von Autobahnen in Nord-Süd sowie Ost-West-Richtung. Daneben werden weitere Schnellstraßen gebaut. Die Autobahnbetreibergesellschaft Monteput bereitet 17 Autobahnsektionen mit einer Gesamtlänge von 500 Kilometern vor, die in den kommenden acht Jahren realisiert werden sollen.
Das wichtigste Straßenbauprojekt ist der Ausbau der Autobahn von Bar nach Boljare. Auf rund 150 Kilometern sollen bis 2035 für rund 2,6 Milliarden Euro insgesamt fünf Teilabschnitte neu gebaut und erweitert werden. Anspruchsvollstes Teilstück ist die 22 Kilometer lange Trasse von Mateševo nach Andrijevica, die rund 550 Millionen Euro kostet. Dafür müssen bis zu 4 Kilometer für den Trešnjevik-Tunnel gebohrt werden, der aus zwei Röhren bestehen soll. Die Projektdokumentation liegt für einige Abschnitte bereits vor, für andere wird sie noch erstellt. Die Ausschreibung soll im Laufe des Jahres 2025 veröffentlicht werden. Das Projekt wird von der EBRD kofinanziert.
Das zweite wichtige Projekt ist der Ausbau der adriatisch-ionischen Autobahn von der montenegrinisch-kroatischen Grenze zur montenegrinisch-albanischen Grenze. Auf rund 85 Kilometern sollen für rund 1,9 Milliarden Euro drei Teilabschnitte modernisiert werden.
Daneben werden die Schnellstraßen B1 bis B5 ausgebaut. Für die 59 Kilometer lange Strecke B1 von Budva zur kroatischen Grenze sind 1,5 Milliarden Euro geplant. Für die 94 Kilometer zwischen Crnča und der bosnisch-herzegowinischen Grenze (Strecke B2) fließen 1,3 Milliarden Euro. Für die Trassen B3 (Smokovac – Bozaj), B4 (Podgorica – Pljevlja) und B5 (Andrijevica – Grenze mit Kosovo) stehen insgesamt rund 2,8 Milliarden Euro bereit. Bei den Straßenbauprojekten ergeben sich vor allem Absatzchancen für Produzenten von Baumaschinen.
Hafen Bar soll regionales Drehkreuz werden
Montenegro möchte seinen größten Hafen in Bar zur Drehscheibe in der Adriaregion weiterentwickeln. Aktuell werden nur gut 3 Prozent des Güteraufkommens aus Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie Ungarn über Bar umgeschlagen. Das Potenzial wäre bis zu 30-mal größer, wenn die geplanten Schienen- und Straßenwege realisiert würden. Mittelfristig soll Bar zu einem wichtigen Hub zwischen Europa und Asien werden. Projektchancen ergeben sich bei der Modernisierung und Digitalisierung der Hafeninfrastruktur.
Chinesische Staatskonzerne konkurrieren um Aufträge
Die Infrastrukturprojekte werden international ausgeschrieben. Neben Unternehmen aus der Türkei und Aserbaidschan hat sich zum Beispiel für den Ausbau der Autobahn Bar-Boljare wieder die chinesische CRBC beworben. Genau dieser Konzern hatte Montenegro 2014 trotz Kritik wegen Intransparenz beim Ausschreibungsverfahren sowie möglicher Korruption mit dem Bau des ersten Teilstückes dieser Autobahn beauftragt. Dafür nahm das Land einen Kredit von 944 Millionen US-Dollar von der chinesischen Exim-Bank auf. Rund zwei Drittel der Arbeitskräfte sowie der Großteil der Baumaschinen kamen aus China. Nur dank einer Hedging-Vereinbarung mit europäischen und US-Banken konnten die Zinsaufwendungen mehr als halbiert werden. Die Tilgung der Schulden belastet Montenegros Staatshaushalt noch heute.