Wirtschaftsausblick | Neuseeland
Neuseelands Wirtschaft stagniert
Die Zinspolitik der Zentralbank bremst die Konjunktur weiter. Seit einem Jahr gibt es kein Wachstum und die Arbeitslosigkeit steigt. Dafür sinkt die Inflation.
15.07.2024
Von Daniel Lenkeit | Sydney
Wirtschaftsentwicklung: Schwächer als erwartet
Die wirtschaftliche Entwicklung Neuseelands verläuft schwächer als erwartet. Für das Gesamtjahr 2024 bleiben Haushalte und Unternehmen pessimistisch: Vorlaufende Indikatoren wie der Einkaufsmanager- oder der Konsumklimaindex geben keine Hoffnung auf eine schnelle Besserung. Auch lokale Geschäftsbanken erwarten 2024 kein Wachstum und eine fallende Beschäftigungsrate.
Im 1. Quartal 2024 verzeichnete das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein winziges Plus von 0,2 Prozent. Einer weiteren technischen Rezession konnte Neuseeland damit nur knapp entkommen. Dennoch fiel das BIP in den letzten sechs Quartalen viermal.
Etwas Aufwind spürten die Immobilien- und Finanzwirtschaft, die Informations- und Kommunikationsbranche sowie die Versorgungswirtschaft. Aber die Ergebnisse des verarbeitenden Gewerbes, der Bauwirtschaft sowie des Groß- und Einzelhandels waren in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 deutlich rückläufig. Für das laufende Jahr bleibt die Situation angespannt.
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Top-Thema: Zinspolitik würgt Investitionen ab
Auf der Habenseite der Wirtschaftspolitik steht allein die sinkende Inflation. Mit ihren aggressiven Zinserhöhungen der letzten zwei Jahre drängte die neuseeländische Zentralbank (RBNZ) die Teuerungsrate Schritt für Schritt zurück.
Die Bedenken häufen sich, dass die restriktive Geldpolitik zu weit geht und der Wirtschaft bereits Schaden zufügt. Vor allem die zuletzt schwächer steigenden Löhne, die seit 2023 rasch expandierende Arbeitslosenquote sowie fallende Ausrüstungsinvestitionen sprechen dafür.
Die RBNZ signalisierte jedoch, dass die Inflationsrate noch nicht da ist, wo sie sie haben möchte – zwischen 1 und 3 Prozent. Zuletzt stieg der Konsumentenpreisindex um 3,6 Prozent.
Damit sind weitere Zinserhöhungen bei hartnäckiger Inflation nicht ausgeschlossen. Für neuseeländische Unternehmen und Konsumenten bedeutet die Haltung der RBNZ mittelfristig schlechte Finanzierungsbedingungen. Für deutsche Exporteure, vor allem von Ausrüstungsgütern, dürfte das Neuseelandgeschäft vorerst verhalten bleiben.
Unternehmen stellen Ausgaben zurück
Die Binnennachfrage wird nach Prognosen der Australia and New Zealand Bank im Jahr 2024 um etwa 1 Prozent sinken. Die Hauptgründe dafür sind geringere Staatsausgaben und stark fallende private Investitionen.
Die lokalen Geschäftsbanken Neuseelands und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erwarten für 2024 Rückgänge der Unternehmensinvestitionen um etwa 5 Prozent. Auch die Bruttoanlageinvestitionen sollen laut Zentralbank sinken - nicht nur 2024, sondern auch im darauffolgenden Jahr.
Das verarbeitende Gewerbe expandiert nicht mehr. Bereits 15 Monate in Folge steht der Einkaufsmanagerindex unter der 50-Punkte Marke. Werte unter dieser Schwelle kennzeichnen eine Kontraktion. Die Kombination aus schwachen Auftragsbüchern und steigenden Lagerbeständen ist kein gutes Zeichen für die Produktion im verarbeitenden Gewerbe. Die seit langem schwache Nachfrage nach Investitionsgütern wird somit auch 2024 nicht anziehen.
Neue Regierung reduziert öffentliche Ausgaben
Dazu sieht der im Mai 2024 vorgestellte Haushalt der neuen konservativen Regierung breite Einsparungen bei den Staatsausgaben vor. Unter anderem werden einige Regierungsressorts personell beschnitten, aber auch bereits laufende Klimaprogramme werden umstrukturiert oder gekürzt.
Die Stimulation des Arbeitsmarkts durch Regierungsprogramme dürfte damit enden und negative Auswirkungen auf die Beschäftigung werden folgen.
Private Haushalte können weniger ausgeben
Neuseelands private Haushalte sind im Verhältnis zu ihrem verfügbaren Einkommen hoch verschuldet. Seit fast 20 Jahren liegt diese Quote bei etwa 160 Prozent. Die aktuelle Mischung aus hohen Zinsen und hohen Schulden bremst auch das Konsumklima, denn die Sparneigung der Haushalte steigt. In der Folge sinkt der Spielraum für Ermessensausgaben, die sonst in langlebige Konsumgüter fließen würden.
Die aktuellen Vorhersagen erwarten für 2024 und 2025 stagnierenden privaten Konsum. Zudem soll die Arbeitslosenquote 2024 weiter steigen und mehr als 5 Prozent erreichen. Damit dürften Lohnzuwächse weiter abnehmen, womit ein wichtiges Gegengewicht fehlt zur zinsbedingten Zurückhaltung beim Konsum.
Deutsche Perspektive: Freihandelsabkommen mit EU könnte Handel beleben
Die Schwäche des Neuseeland-Dollars in den vergangenen Jahren verschlechtert die Terms of Trade und macht Einfuhren, die hauptsächlich aus China, Australien und den USA kommen, teurer.
Bei den Exporten werden die günstigeren Handelsbedingungen 2024 voraussichtlich nur zu einer leichten Stimulation des Bruttoinlandsproduktes (BIP) führen, da die gedämpfte Weltkonjunktur für wenig Impulse sorgt. Dennoch erwartet die Zentralbank einen Anstieg der Exporte um 6,5 Prozent. Gleichzeitig sollen die Importe um 2,2 Prozent fallen.
Mittelfristig sollte das im Mai 2024 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen Neuseeland und der EU eine Belebung des Handels zwischen der Bundesrepublik und dem Inselstaat geben.
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