Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsstandort | Nigeria

Nigeria bleibt schwierig aber interessant

Nigeria ist ein Standort mit vielen Geschäftsrisiken. Der derzeitige Reformprozess hat erneut große Unsicherheiten ausgelöst.

Von Corinna Päffgen | Accra

Nigeria ist reich an Bodenschätzen. So verfügt das Land über die zehntgrößten Erdölreserven weltweit, zudem über Erdgas, Gold, Eisenerz, Kalkstein, Zinn und Lithium. Gute Bedingungen für Solar- und Windenergie und das Ziel für Netto-Nullemissionen bis zum Jahr 2060 machen Nigeria interessant für grüne Technologien und grünen Wasserstoff.

Trotz guter Bedingungen und Ressourcenreichtum leidet das Land an großen strukturellen Problemen. Die Wirtschaft hofft auf mehr Sicherheit und weitere Reformen.

  • Dienstleistungen prägen die Wirtschaftsstruktur

    Trotz starkem Dienstleistungssektor ist das Erdölgeschäft noch groß. Zur Verringerung der Rohstoff- und Importabhängigkeit muss die lokale Produktion zunehmen. 

    Nigeria ist mit gut 220 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land in Afrika. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die Volkswirtschaft die zweitstärkste auf dem gesamten Kontinent.  

    Viele Branchen mit Chancen für deutsche Produkte

    In zahlreichen Bereichen eröffnen sich Möglichkeiten für deutsche Produkte und Dienstleistungen. Dazu gehören die Bereiche Nahrungsmittel und Verpackung, der Ausbau erneuerbarer Energien, die Abfallwirtschaft und das Recycling sowie die Wasser- und Abwasserwirtschaft. Interessant für Liefergeschäfte können zudem die Bauwirtschaft, der Bergbau und die Textilwirtschaft sein.

    222,2 Mio.

    Personen lebten 2023 im Land.

    Quelle: IWF 2024

    390 Mrd.

    US-Dollar betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023.

    Quelle: IWF 2024

    1.760

    US-Dollar machte das BIP pro Kopf damit 2023 aus.

    Quelle: IWF 2024

    Rang 76

    belegte das Land 2023 unter den deutschen Exportzielen.

    Quelle: Destatis 2024

    Rang 145

    nimmt das Land im Corruption Perceptions Index 2023 ein (unter 180 Ländern).

    Quelle: Transparency International 2024

    Von der Agrar- zur Dienstleistungsökonomie

    In den vergangenen zehn Jahren hat Nigeria die Transformation von einer stark landwirtschaftlich geprägten Wirtschaft zu einer Dienstleistungsökonomie durchlaufen. Erwirtschaftete der Agrarsektor damals noch fast 40 Prozent des BIP, so sind es heute rund 25 Prozent. 

    Die wirtschaftlich stärksten Dienstleistungszweige sind der Groß- und Einzelhandel, der Bereich Informations- und Telekommunikation, die Finanzdienstleistungen (Banken und Versicherungen) und die Immobilienwirtschaft. 

    Der Anteil des Industriesektors an der Bruttowertschöpfung hat sich in den vergangenen zehn Jahren verringert. Betrug er im Jahr 2013 noch 22,2 Prozent, machte er 2023 nur 18,6 Prozent aus. Dies liegt vor allem am Rückgang des Anteils des Öl- und Gassektors am BIP von rund 12 Prozent auf 5,7 Prozent. Das verarbeitende Gewerbe konnte in der vergangenen Dekade seinen Beitrag zum BIP von rund 4 Prozent nur auf 8,6 Prozent ausbauen.

    Die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft haben seit den 1990er Jahren nicht zum Ausbau der Infrastruktur oder mehr lokaler Produktion geführt, sondern das Gegenteil bewirkt: Die heimische Fertigung und Agrargüter wurden zunehmend mit teuren Importen ersetzt. Der dadurch entstandenen hohen Abhängigkeit von teuren Importen und vom Öl- und Gassektor will die Regierung nun mit einer Reihe von Programmen zur Förderung der Diversifizierung der Wirtschaft entgegensteuern.

    SWOT-Analyse Nigeria

    S

    Stärken Strengths

    • Reiche Erdöl- und Gasvorkommen
    • Relativ breit aufgestellte Industrie in Lagos
    • Größter Verbrauchermarkt in Afrika mit gut 220 Millionen Menschen
    • Großer Pool an motivierten Arbeitskräften
    W

    Schwächen Weaknesses

    • Schlechte Infrastruktur (Transport, Energie, Wasser)
    • Korruption und Vetternwirtschaft in der Verwaltung
    • Hohe Standortkosten, steigende Sicherheitskosten
    • Großteil der Bevölkerung mit rückläufiger Kaufkraft
    O

    Chancen Opportunities

    • Riesiger Bedarf an Infrastruktur (Energie, Wohnen, IKT, Verkehr)
    • Viele Branchen mit Potenzial und Beteiligungschancen
    • Industrie muss bei Digitalisierung aufholen
    • Größerer Spielraum für öffentliche Investitionen durch teilweise Abschaffung von Subventionen
    • Klimaschutz nimmt an Bedeutung zu 
    T

    Risiken Threats

    • Gefahr von Unruhen
    • Hohe Inflation (vor allem Lebensmittel)
    • Abwertung der nigerianischen Währung
    • Steigende Arbeitslosigkeit und Armut

    Abhängigkeit von Öl und Gas wird vorerst bleiben 

    Nigeria verfügt neben Erdöl- und Erdgasreserven über zahlreiche agrarische und mineralische Rohstoffe wie Soja, Sesam, Kakao sowie Eisenerz, Bauxit, Kupfer, Gold, Diamanten und Tantal. 

    Der Öl- und Gassektor dominiert seit Langem die nigerianische Wirtschaft. Obwohl der Sektor mit einem Beitrag zum BIP mit 5,7 Prozent nur etwas größer als zum Beispiel die Lebensmittel-, Getränke- und Tabakbranche (Beitrag zum BIP: 4,4 Prozent) ist, generiert er den mit Abstand größten Anteil an Devisen und mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen. Mit einem Anteil von zusammen 90 Prozent sind Erdöl (49 Milliarden US-Dollar, US$) und Erdgas (7 Milliarden US$) mit Abstand die wichtigsten Ausfuhrgüter. 

    Zudem ist der Sektor für die Stromgewinnung essenziell. Etwa 50 Prozent des Stroms generieren Gaskraftwerke und rund 30 Prozent Dieselgeneratoren. Auch der indirekte Beitrag zur Wirtschaftsleistung ist bedeutend: Die Öl- und Gasindustrie importiert teure Anlagen und Maschinen sowie Chemikalien und fragt Dienstleistungen nach.

    Mittel- und langfristig muss Nigeria jedoch umdenken und Strategien für die Zeit nach dem Öl entwickeln. So gilt es, die Diversifizierung der Wirtschaft weiter voranzutreiben und Alternativen für das Exportgeschäft zu suchen. Grundsätzlich würden sich hier andere agrarische und mineralische Rohstoffe anbieten, zudem würde sich Nigeria als Fertigungsstandort für die Region anbieten. Dazu muss die Regierung allerdings die regulatorischen Rahmenbedingungen schaffen beziehungsweise anpassen. Ein erster Schritt dürfte die Erklärung Nigerias sein, ab April 2024 als Mitglied der „Guided Trade Initiative“ der afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) den Handel unter den AfCFTA-Mitgliedern in der Praxis zu erproben. 

    Bedeutung der Wirtschaftszweige in Nigeria (Anteile in Prozent)

    Sektoren

    Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023

    Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

    25,2

    Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

    5,7

    Verarbeitendes Gewerbe

    8,6

    Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung)

    0,7

    Baugewerbe

    3,6

    Dienstleistungen

    56,2

    Quelle: National Bureau of Statistics Nigeria 2024

    Nigeria möchte grünen Wasserstoff produzieren

    Nigeria verfügt über gute Voraussetzungen für erneuerbare Energien, insbesondere für Solarenergie. Mit dem H2-Atlas-Africa werden die Potenziale für grünen Wasserstoff im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich, dem SASSCAL und WASCAL eruiert. Um die deutsch-nigerianische Wasserstoffkooperation voranzubringen, hat das Auswärtige Amt im November 2021 ein Wasserstoff-Büro in Nigerias Hauptstadt Abuja eröffnet.

    Nigeria hat in seinem Nigerian Energy Transition Plan 2022 und dem National Energy Master Plan 2022 einen Wasserstoffentwicklungsplan formuliert. Bislang steht die Wasserstoffwirtschaft in Nigeria jedoch noch ganz am Anfang.

    Agrarsektor leidet unter Extremwetterereignissen

    Nigerias Landwirtschaft trägt rund 25 Prozent zum BIP bei und beschäftigt die meisten Erwerbstätigen. Wichtigste Säule ist mit großem Abstand die Pflanzenproduktion (crop production). Nigeria exportiert unter anderem Kakao, Sesam, Palm- und Cashewnüsse.

    Die größten Herausforderungen für die Landwirtschaft sind zunehmende gewaltsame Konflikte, knappe Wasserressourcen und die Auswirkungen des Klimawandels. Wassersparende Bewirtschaftungskonzepte und entsprechende Technologien werden wichtiger. Zudem dürften Bauern künftig mehr trockenheitstolerante und schneller reifende Pflanzensorten anbauen. 

    Wirtschaft konzentriert sich auf wenige Regionen

    Die wirtschaftlich stärksten Bundesstaaten sind das Handels- und Industriezentrum Lagos, die "Ölstaaten" Rivers und Delta sowie die Hauptstadtprovinz Abuja. Die landwirtschaftliche Produktion findet vor allem im Nordwesten und Nordosten des Landes statt. Nigeria hat mit Lagos, Port Harcourt, Ibadan, Benin City, Kaduna, Kano und Maiduguri sieben Millionenstädte.

    Von Corinna Päffgen | Accra

  • Standort mit großem Aufholbedarf

    Das Investitionsklima hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert. Für die amtierende Regierung gilt es nun, das Vertrauen von Investoren zurückzugewinnen.

    Nigeria verfügt über eine relativ gut funktionierende Demokratie mit friedlichen Machtwechseln seit dem Ende der Militärherrschaft 1999. Das Land spielt eine wichtige Rolle für die Stabilität und Demokratie in der Region.

    Nigeria ist für Deutschland ein wichtiger Partner in Westafrika. Seit 2011 gibt es die deutsch-nigerianische Binationale Kommission mit Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen. Zudem besteht seit 2008 eine deutsch-nigerianische Energiepartnerschaft, die zuletzt 2021 um ein Wasserstoffbüro in Abuja erweitert wurde.

    Unternehmen hoffen auf Verbesserungen der Rahmenbedingungen

    Vor allem die Größe des Binnenmarktes mit mittlerweile gut 220 Millionen Einwohnern spricht für Nigeria als Investitionsstandort. Zwar hat Nigeria seinen Rang als größte Volkswirtschaft Afrikas eingebüßt, wird aber auch in diesem Jahr neben Südafrika und Ägypten zu den Top 3 gehören.

    Ausländische Investoren können grundsätzlich in allen Bereichen tätig werden, Beschränkungen gibt es wenige. Im Öl- und Gassektor sind Local-Content-Vorschriften zu beachten. Sie sehen bestimmte Beteiligungsquoten für lokale Unternehmen und die Anstellung von heimischen Arbeitnehmern vor.

    Die Regierung hat in den vergangenen Jahren einige Reformen zur Verbesserung des regulatorischen Umfelds für Investitionen angestoßen. Dazu gehören die Bereiche Landerwerb/-registrierung, Steuerverwaltung, Baugenehmigungen und Unternehmensgründungen.

    Wirtschaftsreformen setzen Unternehmen unter Druck

    Die starke Abwertung der lokalen Währung Naira im Juni 2023 und die hohe Inflation machen der Bevölkerung und Unternehmen zu schaffen. Nach einer weiteren Abwertung im Februar 2024 konnte der Naira gegenüber dem US-Dollar wieder zulegen und hat sich zunächst stabilisiert. Die nigerianische Zentralbank hat im März 2024 bekanntgegeben, dass der Devisenstau in Höhe von 7 Milliarden US$ abgearbeitet wurde - eine wichtige Voraussetzung für eine langfristige Stabilisierung. Analysten rechnen mit einer Stabilisierung des Naira und einer deutlichen Abschwächung der Inflation ab Mitte 2024.

    Herausforderungen sind groß – aber nicht unüberwindbar 

    Herausforderungen für Unternehmen gibt es viele. Korruption, Bürokratie, mangelnde Rechtssicherheit, Willkür und steigende Sicherheitsrisiken sind die meistgenannten Hürden von Unternehmen vor Ort. 

    Der als wirtschaftsnah geltende Präsident Tinubu hat der Korruption und dem Machtmissbrauch den Kampf angesagt. Eine erste Ministerin wurde bereits wegen der Veruntreuung von Geldern suspendiert. Unternehmen berichten zudem von ersten Verbesserungen, etwa bei der Zollabfertigung am Hafen in Lagos.

    Hohe Energiekosten schrecken ebenfalls ab. Eine regelmäßige Stromversorgung ist nicht gewährleistet, sodass Unternehmen auf teuren Dieselstrom zurückgreifen müssen. Dieselgeneratoren erzeugen 30 Prozent des Stroms im Land. Unternehmen investieren deshalb zunehmend in Solarstrom, dessen Kosten unter dem Netzstrom liegen.

    Mit der Verabschiedung des Electricity Act 2023 wurde die Befugnis zur Regulierung des Stromsektors auf die Bundesstaaten übertragen. Zwar dürfen nun grundsätzlich Private in allen Bereichen – Erzeugung, Übertragung und Verteilung – tätig werden, ob das zu einer Verbesserung der Stromversorgung beitragen wird, bleibt abzuwarten. Derzeit hat erst ein Bundesstaat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Weitere zehn Staaten arbeiten derzeit an entsprechenden Gesetzen. Entscheidend wird sein, dass die Behörden der jeweiligen Bundesstaaten Know-how aufbauen und dass kostendeckende Gebühren eingeführt und auch eingetrieben werden.

    Ausländische Investitionen sind gesunken

    Die Direktinvestitionen schwanken seit Jahren, sind aber innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 66 Milliarden US$ auf einen Bestand von 88 Milliarden US$ gestiegen. 

    Nach dem UNCTAD World Investment Report waren nach einem Zufluss von 3,3 Milliarden US$ im Jahr 2021 die Zuflüsse im Jahr 2022 mit minus 187 Millionen US$ aufgrund von Desinvestitionen im Öl- und Gassektor sogar negativ. Investitionen flossen unter anderem in den Bau eines Datenzentrums von Airtel Nigeria in Lekki und in den Bau einer 936 Megawatt-Solaranlage nebst 443 Megawatt-Batterieanlage. In Westafrika war Nigeria als Ziel für ausländische Direktinvestitionen bislang führend, gefolgt von Senegal, Côte d'Ivoire und Ghana.

    Deutsche Unternehmen noch zurückhaltend

    Etwa 80 bis 100 deutsche Unternehmen sind in Nigeria vertreten. Die Deutsche Bundesbank schätzt den Bestand an Investitionen für 2018 auf etwa 520 Millionen Euro. Eigene Produktionen bilden bislang die Ausnahme, allerdings planen einige Unternehmen eine eigene Produktionsstätte vor Ort aufzubauen.

    Das Interesse deutscher Unternehmen ist nach dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr wieder stärker geworden. Seitdem haben Reisen von deutschen Wirtschaftsdelegationen zugenommen. Auch wagen deutsche Unternehmen wieder den Markteintritt in Nigeria. 

     

    Größte deutsche Investoren in Nigeria (Auswahl; Stand: April 2024)

    Unternehmen

    Branche

    BoschMaschinenbau
    DHLLogistik
    KnaufBaustoffe
    KronesMaschinen- und Anlagenbau
    Siemens EnergyEnergietechnologie
    Quelle: Recherche von Germany Trade & Invest, Firmenwebsites 2024

    NIPC ist Anlaufstelle für Investitionsförderung

    Die Nigerian Investment Promotion Commission ist zentrale Anlaufstelle für Investoren. Investitionsförderung findet über eine Reihe von Anreizen statt. Dazu gehören Steuererleichterungen für bestimmte Branchen, welche die NIPC veröffentlicht.

    Interessant ist auch die Ansiedlung in einer Freizone oder Exportproduktionszone; auch hier winken zahlreiche Anreize. 

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Corinna Päffgen | Accra

  • Kontaktadressen

     

    BezeichnungAnmerkung
    Delegation der deutschen Wirtschaft in Nigeria (AHK)Anlaufstelle für deutsche Unternehmen
    Botschaft der Bundesrepublik DeutschlandDiplomatische Vertretung Deutschlands
    Deutsches Generalkonsulat LagosDiplomatische Vertretung Deutschlands in Lagos
    Deutsche Entwicklungs- und InvestitionsgesellschaftDEG ist eine Tochtergesellschaft der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und unterstützt den Privatsektor
    Nigerian Investment Promotion CommissionNationale Investitionsförderungsagentur
    National Bureau of StatisticsNationale Statistikbehörde

     

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.