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Nigerias Großfirmen bauen auf Solar- und Hybridstrom
Wegen ständiger Stromausfälle ist in Nigeria ein Back-up ein Muss. Fotovoltaik plus Batterien sind dafür inzwischen billiger als Diesel. Auch die Lagos Free Zone investiert.
19.09.2023
Von Ulrich Binkert | Bonn
In Nigeria floriert das Geschäft mit Fotovoltaikanlagen für gewerbliche Kunden, die damit Strom für den Eigengebrauch erzeugen. Brauereien und Getränkeabfüller, Nahrungsmittelhersteller, Banken, Tankstellen oder Krankenhäuser haben bislang rund 200 Megawatt Leistung installiert, so Angaben eines wichtigen Anbieters, die sich allerdings nicht unabhängig überprüfen lassen. Bei einem Teil davon handelt es sich um hybride Systeme, bei denen Batterien den Strom speichern können. Der Markt für solche Systeme ist damit dynamischer als in der öffentlichen Stromversorgung, wo Investitionen nur schleppend laufen.
Größte Anlage bei Pepsi in Betrieb
Wichtige Kunden sind die lokalen Ableger internationaler Multis wie Nestlé. Auch der nigerianische Coca-Cola-Abfüller nutzt den Angaben zufolge an allen acht Standorten im Land Fotovoltaikanlagen, deren Kapazität sich auf rund 20 Megawatt summiere. Mit einer Kapazität von 5 Megawatt steht das größte einzelne Fotovoltaiksystem demnach bei einem Betrieb von Pepsi in Lagos. Den Großteil der anderen kommerziell und für den Eigengebrauch genutzten Fotovoltaik-/Hybridanlagen hätten große nigerianische Firmengruppen installiert.
Branchenvertretern zufolge gibt es aber auch großes Kundeninteresse von Seiten etwas kleinerer Unternehmen und insofern noch ein beträchtliches Absatzpotenzial. Bestehende Kunden wiederum fragten tendenziell immer größere Anlagen nach. Dies sei auch im benachbarten Ghana so. Subventionen oder öffentliche Unterstützung gebe es keine in dem Geschäft.
Die Kunden nutzen die Fotovoltaikanlagen als Backup für die Stromversorgung. In Nigeria hat die Netzabdeckung Lücken, gerade im Norden. Vor allem jedoch fällt ständig der Strom aus, und zwar im ganzen Land und auch in der Wirtschaftsmetropole Lagos. Bei Fabriken und anderem Gewerbe wie auch besser betuchten Privatverbrauchern rattern deshalb immerfort Generatoren.
Die gesamte Kapazität der Generatoren schätzten die Behörden bereits 2016 auf 8 bis 14 Gigawatt und die Betriebskosten auf jährlich - je nach zugrundegelegtem Wechselkurs - rund 15 Milliarden US-Dollar. Neuere belastbare Zahlen liegen Branchenexperten zufolge nicht vor. Den benzin- oder dieselbetriebenen Stromerzeugern stellen die Nutzer nun zunehmend Fotovoltaikanlagen zur Seite, weil die billiger sind.
Shell kaufte Fotovoltaik-Marktführer
Größter Anbieter von Fotovoltaik- und Hybridsystemen ist Marktinformationen zufolge Daystar. Das 2022 von Shell übernommene Unternehmen, das ein deutsches Management hat, installierte demnach bislang (Mitte September 2023) 75 Megawatt. In einer Presseinformation vom Dezember 2022 nannte die Firma Pläne, bis 2025 auf 400 Megawatt zu kommen.
Die Firma StarSight dürfte diesen Angaben zufolge auf knapp 40 Megawatt kommen. StarSight nannte in einer Pressemitteilung vom Mai 2021 ein Vorhaben mit knapp 1 Megawatt Kapazität als ihr bis dato größtes Projekt. Chinesische Anbieter sind den Informationen zufolge nicht als Systemintegratoren tätig. Die verbauten Fotovoltaikpaneele stammen zumindest bei einem großen Anbieter aus China, Wechselrichter und auch Batterien jedoch zu guten Teilen aus Deutschland.
Solarstrom kommt Nutzer derzeit um rund ein Viertel billiger als Netzstrom, reklamiert der befragte große Anbieter solcher Fotovoltaiksysteme für seine Kunden. Hybridlösungen (Fotovoltaik plus Batterie) seien noch deutlich teurer - allerdings, anders als Netzstrom, zuverlässig. Mit Abstand am kostspieligsten sind dieser Rechnung zufolge Dieselgeneratoren. Dies werde auch so bleiben, wenn, wie absehbar, der Strom aus anderen Quellen teurer wird.
Quelle | Mitte 2023 | Mitte 2024 (Schätzung) |
---|---|---|
Netz | 60 | 85 3) |
Dieselgenerator | 250 | 250 |
Fotovoltaik | 45 | 65 4) |
Hybrid (Fotovoltaik + Batterie) | 100 | 150 4) |
Im Vergleich zu Netzstrom blieben Hybridsysteme auch dann attraktiv, wenn die öffentliche Stromversorgung stabiler wird, so der Technologieanbieter. Zu beobachten sei dies bereits in Ghana, Cote d'Ivoire und Senegal. Dort würden diese Systeme trotz einer im Vergleich zu Nigeria stabileren Netzversorgung im Markt bestehen. Zudem verbilligten sich laufend die Batterien, auf die etwa die Hälfte der Systemkosten entfielen.
Ein Selbstläufer sind Hybridsysteme trotz ihrer geringeren Kosten dennoch nicht. Multis und große nigerianische Firmengruppen, die bisherigen Hauptkunden, sind den Angaben des großen Anbieters zufolge zwar offen für die neue Technik. Kleinere Unternehmen jedoch würden oft gar nicht die Struktur ihrer eigenen Kosten kennen, zum Beispiel des Stroms aus ihrem Dieselgenerator. Dieser Kundschaft seien die Vorteile von Alternativen naturgemäß nur schwer zu vermitteln. Dies relativiert auch das beträchtliche Absatzpotenzial von Fotovoltaik- oder Hybridsystemen unter den kleineren nigerianischen Unternehmen.
Techniklieferant kümmert sich um alles
Das Geschäft läuft oft auf Basis von Stromabnahmeverträgen. Die Laufzeit beträgt in der Regel rund zwölf Jahre. Der Lieferant installiert auf eigene Kosten die Technik, wartet sie und schult die Nutzer. Später erhebt er einen festgelegten Preis pro abgenommener Kilowattstunde Strom. Er kümmert sich um den möglichst reibungslosen Betrieb der Anlage, weil er bei einem Ausfall nichts verdient. Dem Vernehmen nach akzeptieren die Kunden üblicherweise nur Zahlungen in Naira, womit der Lieferant das Abwertungsrisiko trägt.
Auch Tolaram will sich Fotovoltaiksysteme installieren lassen: Der aus Singapur stammende Betreiber der Lagos Free Zone nahe dem neuen Tiefseehafen Lekki sucht dafür nach eigenen Angaben Investoren. Die sollen Dächer der Fabrik- und Lagerhallen in der Freizone mit Fotovoltaik-Modulen bestücken und den Strom dann an Nutzer liefern ("pay as you go"). Hierfür stünden 100.000 Quadratmeter Dachfläche zur Verfügung. Am Stromnetz hängt laut Tolaram-Management übrigens keine einzige der rund 20 Fabriken in der Freizone. "Ein Viertel des Stroms müssten die Kunden wegen der ständigen Ausfälle doch selbst beisteuern. Damit hätten sie eine teure Doppelstruktur zu bezahlen." Die Freizone betreibt deshalb ein eigenes Minikraftwerk, das 7 Megawatt Leistung aus CNG (verdichtetes Erdgas) bringt. Tolaram will nach eigenen Angaben diese 7 Megawatt ersetzen und mit 3 Megawatt erweitern. Brennstoff sei künftig Erdgas, das über eine nahegelegene Pipeline herangeführt wird. |
Zuständig von staatlicher Seite ist bei Projekten für den Eigenverbrauch privater Kunden nach Anbieterinformationen ausschließlich die Nigerian Electricity Regulatory Commission (NERC). Die Behörde, die verlässlich sei, müsse größere Fotovoltaikanlagen auch genehmigen. Demnach gibt es bei den Vorhaben bislang keine Probleme seitens regionaler Stromversorger. Deren Genehmigung ist bei größeren Projekten für die öffentliche Stromversorgung einzuholen.