Wirtschaftsumfeld | Norwegen | Wirtschaftsstruktur
Die Energiebranche bestimmt Norwegens Wirtschaftsstruktur
Norwegens Wirtschaft ist robust und innovativ. Der Ausbau deutsch-norwegischer Kooperationen lässt sich an politischen sowie wirtschaftlichen Initiativen ablesen.
05.02.2024
Von Judith Illerhaus | Stockholm
Norwegen ist unter den skandinavischen Ländern das mit Abstand wohlhabendste Land. Mit seinem Staatsfonds, der als der größte der Welt gilt, ist das Land für die Zukunft gut gerüstet. Aktuell speist sich der Fonds in großen Teilen aus den Gewinnen der Erdgas- und Erdölförderung. Aber auch alle übrigen Gewinne, die aus gemeinschaftlichen Ressourcen wie Wind oder den großen Fisch- und Meeresfrüchtevorkommen erwirtschaftet werden, fließen in diesen Topf. Der Fonds ermöglicht es Norwegen auch in schwierigen Zeiten notwendige Investitionen zu täigen.
Zuletzt haben die Erträge aus den Öl- und Gasexporten so stark zugelegt, dass es deutliche Abweichungen im nationalen BIP zu verzeichnen gab – je nachdem, ob die Offshore-Industrien hinzugezählt wurden oder nicht. Entsprechend geben nationale Wirtschaftsinstitute in der Regel zwei Kennzahlen an: eine für die Gesamtwirtschaft und eine für die Festlandwirtschaft. Deutsche Exporteure sollten sich an der Festlandwirtschaft orientieren. Norwegen importierte 2023 Waren im Gesamtwert von über 10 Milliarden Euro aus Deutschland - drei Viertel davon machten Chemieerzeugnisse, Maschinen und Transportmittel aus. Diese gingen überwiegend an Kunden auf dem Festland.
Der Regierung ist bewusst, dass ihre so florierende Wirtschaft - auch naturbedingt - endlich ist und hat die sogenannte grønt industriløft, die grüne Transformation der Industrie, eingeläutet. Das vorrangige Ziel des Prestigeprojekts der Regierung ist die massive Steigerung von alternativen Exporten, die sich aus grünen Wertschöpfungsketten ergeben sollen. Untermauert wird das Szenario von einer Untersuchung der Klassifikationsgesellschaft der maritimen Industrie, Det Norske Veritas (DNV). Laut den Beratern werden die Gewinne aus Gas- und Ölexporten bis 2050 um 35 Prozent beziehungsweise 93 Prozent zurückgehen.
Ausführliche Informationen zur norwegischen Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.
Deutsch-norwegische Kooperation floriert besonders in Energiethemen
In zwei gemeinsamen Erklärungen haben Deutschland und Norwegen die Fokusbereiche Wasserstoff, Batterien, Offshore-Windkraft und die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) benannt, um in den kommenden Jahren bei der Erzeugung erneuerbarer Energien und der Entwicklung grüner Industrien enger zusammenzuarbeiten.
Ganz konkret hat sich dies zum Beispiel im November 2023 in der Veröffentlichung einer Machbarkeitsstudie für eine gemeinsame Wasserstoffwertschöpfungskette zwischen den Ländern manifestiert. Der Aufbau einer solchen Wertschöpfungskette sei technisch umsetzbar, so das Fazit der Deutschen Energieagentur (DENA) und des norwegischen Gaslieferanten GASSCO, die die Studie im Auftrag der deutschen und norwegischen Regierung durchgeführt haben.
Bei Norwegens CCS-Prestigeprojekt Langskip ist ein deutsches Unternehmen von Anfang an mit an Bord. Heidelberg Materials ist einer der Projektpartner und baut im Rahmen der Initiative sein Zementwerk in Brevik so um, dass dort bis Ende 2024 die weltweit erste großtechnische CCS-Anlage in der Zementindustrie entsteht. Insgesamt stellt die Regierung für die Investition knapp 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die starke Verbindung beider Länder wurde nicht zuletzt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bewiesen. Mit Gaslieferungen konnte Norwegen die Bundesrepublik schnell in Richtung einer Unabhängigkeit von Russland unterstützen. Im Februar 2023 haben beide Länder außerdem ein Industriekooperationsabkommen beschlossen, das die Zusammenarbeit im Rahmen verteidigungspolitischer Angelegenheiten regelt.
Dekarbonisierung steht oben auf norwegischer Agenda
Ein wichtiger Aspekt, der eine Veränderung der norwegischen Wirtschaftsstruktur befeuert, ist die hohe Elektrifizierung der Gesellschaft. Bereits 2023 waren 83 Prozent aller neuzugelassenen privaten Fahrzeuge elektrisch betriebene Pkw. Während Norwegen heute noch einen Teil seines Stroms exportieren kann, geht DNV davon aus, dass es bereits 2028 zu einem nennenswerten Stromdefizit kommen wird. Der Grund hierfür ist jedoch nicht im privaten Bereich zu verorten, sondern vielmehr in der Industrie.
Ein Beispiel hierfür ist die ambitionierte Wasserstoffstrategie Norwegens. Bis zum Jahr 2030 könnte die energieintensive Wasserstoffproduktion schon 2 bis 3 Gigawatt betragen, 10 bis 15 Gigawatt sind bis 2040 möglich. Auch die Bestrebungen im CCS-Bereich sind ambitioniert: Bis 2030 soll das Geschäft mit Offshore-CCS-Infrastruktur auf mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz wachsen und sich die Anzahl der Beschäftigten bis dahin von derzeit 300 Personen auf zukünftig 2800 Angestellte etwa verneunfachen.
Die Offshore-Windenergie und hierbei insbesondere schwimmende Windkraftanlagen haben wohl das größte Potenzial, in den 2030er-Jahren zusätzlichen Strom in das norwegischen Stromnetz zu speisen.
Sektoren | Anteil am BIP 2022 | Anteil an den Beschäftigten 2022 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 1,8 | 2,3 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 38,9 | 2,2 |
Verarbeitendes Gewerbe | 5,3 | 7,5 |
Energieversorgung | 3,7 | 0,6 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen | 0,5 | 0,6 |
Baugewerbe | 4,8 | 8,8 |
Dienstleistungen | 45,1 | 77,9 |
Region Oslo punktet mit Cluster-Vielfalt
Neben den großen wirtschaftlichen Zentren Oslo, Trondheim, Bergen und Stavanger punktet das Land mit einer Vielzahl an kleineren Clustern.
Als Cluster-Kategorien hat die nationale Innovationsbehörde verschiedene Level festgelegt. Dabei beschreiben "Arenas" Clusterregionen im Anfangsstadium, "Arena Pros" befinden sich bereits in einer weiteren Entwicklungsphase. "Global Centres of Expertise" (GCE) stellen weit entwickelte Ökosysteme mit globaler Relevanz dar. GCE kommen drei Mal in Norwegen vor, wobei auffällig ist, dass sich alle der maritimen Wirtschaft widmen: GCE Node im südlichen Kristiansand, GCE Ocean Technology in Bergen und GCE Blue Maritime in Ålesund.
Die meisten Cluster, nämlich 13, sind rund um Oslo angesiedelt. Die hier vertretenen Branchen sind sehr vielfältig und arbeiten unter anderem an der Verpackungsindustrie, der Gesundheitswirtschaft, der künstlichen Intelligenz oder auch der Bauindustrie. Weitere Informationen finden sich auf der Seite von Innovasjon Norge.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in Euro) 1) | Bevölkerung (in Mio.) 2) |
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Hauptstadt- und Zentralregion (Provinzen Oslo und Viken (2020-2023; seit 1.1.2024 Akershus, Buskerud und Østfold)) | 41,3 | 61.319 | 1,95 |
Südnorwegen (Provinzen Rogaland, Agder und Vestfold og Telemark (seit: 1.1.2024 Vestfold und Telemark)) | 21,0 | 50.084 | 1,21 |
Westnorwegen (Provinzen Vestlandet und Møre og Romsdal) | 15,8 | 50.603 | 0,90 |
Trøndelag | 8,1 | 49.980 | 0,47 |
Nord-Norwegen (Provinzen Nordland, Troms und Finnmark) | 8,1 | 48.736 | 0,48 |