Zunehmend strenge EU-Auflagen wirken auch in Österreich als Motor der Kreislaufwirtschaft. In einigen Bereichen besteht besonders hoher Handlungsdruck.
Von der EU-Vorgabe, bis 2025 mindestens 50 Prozent der Kunststoffabfälle zu recyceln, ist Österreich weit entfernt. Im Jahr 2022 wurde laut dem aktuellen Statusbericht der Regierung erst eine Quote von 24,5 Prozent erreicht. Laut Branchenkennern reichen zum einen die Kapazitäten von Sortier- und Behandlungsinfrastruktur nicht aus und zum anderen sind viele Anlagen veraltet.
24,5
%
der Kunststoffverpackungen werden recycelt (2022).
Die landesweite Trennung von Leichtverpackungen soll vereinheitlicht werden. Ab 2024 können und ab 2025 müssen Kunststoff- und Leichtmetallverpackungen einheitlich über den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne gesammelt werden. Eine Ausnahmeregelung gilt im Bundesland Oberösterreich. Zudem kommt ab dem 1. Januar 2025 landesweit ein Pfandsystem für Einweggetränkebehälter. Dazu fördert Österreich die Anschaffung von Pfandautomaten.
Österreich benötigt mehr Sortiertechnik
Weiterhin besteht Bedarf an fortschrittlicher Sortiertechnik. Dies veranlasste die Altstoff Recycling Austria AG (ARA), Organisator des österreichischen Dualen Systems, und die deutsche PreZero dazu, jeweils in große Hightech-Sortieranlagen zu investieren. Die Sortieranlage "Triplast" für Leichtverpackungen in Ennshafen (Oberösterreich) von ARA ging im Juni 2024 in Betrieb.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in ÖsterreichProjekt | Investition (in Mio. Euro) | Stand | Projektträger |
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Sortieranlage für Leichtverpackungen in Sollenau (Niederösterreich) | 90 | Betriebsstart 1. Quartal 2025 | PreZero |
Gips-zu-Gips (GzG) Recyclinganlage in Stockerau (Niederösterreich) | 7 | Betriebsstart 2025 | Porr, Saint Gobain, Saubermacher |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Juni 2024
Ziel der neuen europäischen Verpackungsverordnung sind weniger Verpackungen insgesamt und gleichzeitig eine leichtere Trennung von Verbundstoffen. Langfristig dürfte sie das Aufkommen von Plastikabfällen senken. Ein großes Feld tut sich daher insgesamt auch in Österreich für Technologie zur Müllvermeidung auf.
Die Suche nach Sekundärmaterialien
Auch in Österreich wächst der Wunsch, strategische Rohstoffe aus Abfällen zurückzugewinnen. Dazu wird unter anderem Technik für Sammlung, Trennung und Aufbereitung, zum Beispiel für Kunststoffe, Batterien, Textilien, Kfz, Solarpanels oder Elektroaltgeräte benötigt.
Bei Textilien steigern nicht nur die EU-Auflagen an mehr getrenntes Sammeln das Potenzial für einen Einsatz als Sekundärrohstoff im Land, sondern auch die gesättigten Exportmärkte für österreichische Alttextilien. Rezyklierte Alttextilien können zum Beispiel bei der Herstellung von Chemiefasern und Garnen zum Einsatz kommen.
Beim Metall Wolfram ist Österreich sowohl bei Primärquellen als auch bei Sekundärquellen schon jetzt der größte Produzent in der EU. Im Bereich Bleibatterien erfolgt ebenfalls bereits ein hochwertiges Recycling in Österreich, wobei insbesondere das Halbmetall Antimon als Legierungsmetall in den Stoffkreislauf zurückkehren kann. Seltene Erden, zum Beispiel aus Elektroaltgeräten, werden laut Marktbeobachtern hingegen noch nicht ausreichend systematisch rezykliert.
In der Landwirtschaft könnten verstärkt Klärschlämme, die in Monoverbrennungsanlagen aufkonzentriert werden, als Substitut für Rohphosphat dienen. Zur Rückgewinnung von Magnesium sehen Experten, in Ergänzung zur vorhandenen Sekundärmetallurgie, die Notwendigkeit zu einer selektiven Rückgewinnung von Magnesiumschrotten aus der Nichteisen-Metallfraktion von Schredder-Anlagen, zum Beispiel bei der Altfahrzeugverwertung. Bedarf besteht zudem bei Technik zur Rückgewinnung von Kobalt und Silizium aus Batterien und Akkumulatoren sowie für Vanadium aus Katalysatoren. Ein weiteres Aktionsfeld mit ständigem Weiterentwicklungsbedarf ist die energetische Verwendung von Abfällen, sei es über Biogasanlagen oder über die Verbrennung von nicht weiterverwendbaren Stoffen und Sekundärabfällen.
Schrittweise Vereinheitlichung der Regeln
Das Sammeln und Behandeln von Abfällen ist in Österreich dezentralisiert geregelt und je nach Kategorie des Abfalls sind Bund, Länder, Gemeinden oder die Wirtschaft zuständig. Landesweite Grundlage der Abfallentsorgung in Österreich ist das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), das insbesondere Regeln zur Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, für Recycling, sonstige Verwertung und Beseitigung von Abfällen enthält. Es regelt weiterhin die Pflichten von Personen, die in der Abfallwirtschaft tätig sind und beinhaltet Vorgaben für Abfallbehandlungsanlagen. Eine Übersicht zu geplanten Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des AWG enthält der Bundesabfallwirtschaftsplan 2023 (BAWP).
Die Bundesländer regeln jeweils selbst die Müllgebühren und setzen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Organisation der Müllabfuhr. Die tatsächliche Organisation der Sammlung von Siedlungsabfällen obliegt dann in der Regel den einzelnen Gemeinden oder Gemeindeverbänden, daher kommt es bei Trennung und Sammlung von Abfällen zu unterschiedlichen Varianten. Weniger regionale Unterschiede gibt es bei der Sammlung von Altpapier, Kartonagen oder Altglas. Bei Metall- und Plastikmüll läuft eine Vereinheitlichung.
Nationale Kreislaufstrategie soll Materialverbrauch senken
Österreichs Regierung beschloss Ende 2022 eine nationale Kreislaufstrategie. Diese beinhaltet das Ziel, den inländischen Materialverbrauch (DMC) ab 2030 auf 14 Tonnen pro Kopf und Jahr zu begrenzen und einen Material-Fußabdruck (MF) von maximal 7 Tonnen pro Kopf und Jahr bis 2050 zu erreichen. Bis 2030 soll die Ressourcenproduktivität um 50 Prozent und die Zirkularitätsrate (CMU) auf 18 Prozent steigen. Der Konsum privater Haushalte soll hingegen um 10 Prozent sinken. Aus dem EU-Aufbau und Resilienzfonds hat Österreich 110 Millionen Euro für die Förderung von Leergutrücknahmesystemen für Getränkeverpackungen sowie zur Neuerrichtung, Erweiterung und Adaptierung von Wasch- und Abfüllanlagen für Mehrweg-Getränkegebinde reserviert. Die nationale Forschungsfördergesellschaft bietet zahlreiche Projekte im Rahmen der Kreislaufwirtschaft.
Von Oliver Döhne
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Bonn