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Branchen | Polen | Wasserstoff

Öffentlicher Nahverkehr kurbelt den Bedarf nach Wasserstoff an

Der große Wurf auf dem polnischen Wasserstoffmarkt lässt noch auf sich warten.  Fortschritte gibt es vor allem im öffentlichen Nahverkehr. Doch über allem schwebt die Kostenfrage.

Von Christopher Fuß | Warschau

Verkehrsbetriebe in Polen kaufen Wasserstoffbusse. Die Stadt Poznań wartet auf 25 Fahrzeuge des Herstellers Solaris. Der Ort Rybnik hat 20 Wasserstoffbusse vom Typ NesoBus bei der Firma PAK-PCE geordert. Und der lokale Linienbetreiber in Krakau will gleich bis zu 150 Wasserstoffbusse einkaufen. Tests mit verschiedenen Fahrzeugen laufen bereits, darunter mit einem Modell des deutschen Produzenten Arthur Bus.

Der Umstieg auf Wasserstoff könnte jedoch teurer werden als gedacht, stellen einige Gemeinden derzeit fest. Die Metropolregion Oberschlesien (Górnośląsko-Zagłębiowska Metropolia), ein Städteverbund mit Sitz in Katowice, hatte Anfang 2023 den Kauf von 20 Wasserstoffbussen ausgeschrieben. Alle Angebote lagen über dem Budget. Wie es weitergeht, stand Anfang August 2023 noch nicht fest. Rybnik musste eine Ausschreibung für die Lieferung von Wasserstoff zurückziehen. Das einzige Angebot lag rund 50 Prozent über Budget.

Produktionsanlagen entstehen

Der Verkehrssektor ist einer von mehreren Schwerpunkten in der offiziellen Wasserstoffstrategie Polens. Darin heißt es, das Land wolle bis 2030 rund 1.000 Busse auf die Straße bringen. Emissionsarme und emissionsfreie Produktionsanlagen mit einer Leistung von insgesamt 2 Gigawatt sollen den nötigen Treibstoff produzieren.

Ziele der polnischen Wasserstoffstrategie
  1. Nutzung von Wasserstoff in der Strom- und Wärmeversorgung
  2. Nutzung von Wasserstoff als alternativer Kraftstoff
  3. Dekarbonisierung der Industrie mithilfe von Wasserstoff
  4. Eigene Herstellung von Wasserstoff
  5. Transport und Lagerung von Wasserstoff sicherstellen
  6. Schaffung eines gesetzlichen Rahmens

Der Staatskonzern Orlen könnte in den Plänen eine führende Rolle spielen. Das Unternehmen hat sich als Ziel gesetzt, Kapazitäten von 0,5 Gigawatt für emissionsarmen Wasserstoff aufzubauen. Bei der Finanzierung helfen Fördergelder. Polens Regierung unterstützt den Bau eines 100-Megawatt-Elektrolyseurs in der Orlen-Raffinerie Gdańsk mit rund 158 Millionen Euro. Die Europäische Kommission gab im April 2023 grünes Licht für den Zuschuss. Ab 2027 soll die Anlage mithilfe von erneuerbaren Energien bis zu 13.600 Tonnen Wasserstoff pro Jahr ausstoßen.

Auch ZE PAK, der Eigentümer von NesoBus-Produzent PAK-PCE, steigt in die Herstellung von Wasserstoff ein. Im Laufe des Jahres 2023 will das Unternehmen in der Stadt Konin einen 2,5-Megawatt-Elektrolyseur in Betrieb nehmen. Der Energieversorger Polenergia wiederum hat einen Elektrolyseur für das 3. Quartal 2024 bestellt.

Suche nach Investoren

Darüber hinaus gibt es eine Reihe vollmundiger Ansagen. Der Projektentwickler Green Capital hat angekündigt, in der Region Żuławy mithilfe von Windrädern und Fotovoltaikanlagen Wasserstoff zu produzieren. Die Holding-Gesellschaft Westa Investments hingegen will nahe der Grenze zu Deutschland eines der größten Produktionszentren für grünen Wasserstoff in Europa aufbauen. Der Versorgungsbetrieb der Stadt Sanok wiederum arbeitet daran, die lokale Strom- und Wärmeversorgung auf Wasserstoff umzustellen. Allerdings fehlt den meisten Projekten die Finanzierung.

Gesichert scheint hingegen der Bau mehrerer Wasserstofftankstellen. ZE PAK-Tochtergesellschaften werden voraussichtlich bis 2024 mehrere Stationen in Betrieb nehmen. Polenergia hat angekündigt, bis 2025 in zwei Orten Wasserstofftankstellen aufzubauen. Orlen wiederum kann dank einer Finanzierung durch die staatliche Förderbank BGK (Bank Gospodarstwa Krajowego) weitere Tankstellen errichten.

Dass ausgerechnet das Tankstellennetz wächst, mag auch damit zusammenhängen, dass Polen hier rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen hat. Solche Vorgaben lassen an anderer Stelle auf sich warten. Bereits für 2022 versprach das Energieministerium, eine Definition verschiedener Wasserstofftypen in das Energierecht aufzunehmen. Ein Entwurf, der zusätzlich Konzessions- und Genehmigungspflichten enthält, befand sich Anfang August 2023 in der Beratungsphase.

Podiumsplatz bei der Wasserstoffproduktion

Polen ist laut Branchenverband Hydrogen Europe der drittgrößte Wasserstoffproduzent Europas. Fast der gesamte Wasserstoff fällt in der Chemieindustrie während der Umwandlung fossiler Brennstoffe an. Bei diesem Prozess gelangen Treibhausgase in die Atmosphäre, weshalb der so gewonnene Wasserstoff nicht als umweltfreundlich gilt. Emissionsfreie Produktionskapazitäten befinden sich im Aufbau.

Polen will Wasserstoff nicht nur im Verkehrssektor einsetzen, sondern auch in der Wärmeversorgung. Der Erdgasnetzbetreiber Gaz-System hält es für möglich, Erdgas mit 20 Prozent Wasserstoff zu vermischen. Allerdings müssen dafür Rohre und Anschlüsse modernisiert werden. Gut möglich, dass der Staatsbetrieb dabei von den Erfahrungen anderer Länder profitiert. Gemeinsam mit Netzbetreibergesellschaften aus Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Deutschland arbeitet Gaz-System an dem Pipeline-Projekt Nordic-Baltic Hydrogen Corridor. Die Leitung soll Wasserstoff zwischen Skandinavien, dem Baltikum und Zentraleuropa transportieren.

Mit EU-Unterstützung wäre mehr möglich

Polens Klimaministerium unterstützt den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Wichtigster öffentlicher Geldgeber ist der staatliche Umweltfonds NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej). Er verteilt Mittel aus nationalen und europäischen Töpfen. Fast alle Projekte rund um Tankstellen oder Busse haben Subventionen erhalten. Die NesoBus-Fabrik von PAK-PCE wiederum durfte sich über einen günstigen Kredit freuen.

Bis Mai 2023 konnten Gemeinden weitere 100 Millionen Euro für Elektro- und Wasserstoffbusse beantragen. Der Umweltfonds will das Programm auf knapp 450 Millionen Euro aufstocken, wenn die Europäische Kommission die Mittel aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds freigibt. Vorher muss Polen allerdings eine Justizreform umsetzen. Der Umweltfonds listet alle Programme auf seiner Internetseite.

Ein weiterer Geldgeber ist das nationale Forschungszentrum NCBR (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju). Es unterstützt mit EU-Geldern Projekte rund um Produktion, Transport, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff. Zwischen März und April 2023 konnten sich Unternehmen um insgesamt 170 Millionen Euro bewerben. Voraussetzung: Das geplante Vorhaben musste von strategischer Bedeutung für die EU sein. Weitere Ausschreibungen veröffentlicht NCBR auf seiner Internetseite. Das zuständige Ministerium informiert ebenfalls über EU-geförderte Programme.

Bereits heute forschen Unternehmen in Polen an neuen Wasserstofftechnologien. Beispielsweise will SES Hydrogen Energy bis 2025 einen Heizkessel auf den Markt bringen, der mit Wasserstoff und reinem Sauerstoff arbeitet. Polenergia wiederum forscht an Möglichkeiten, Wasserstoff in der Luftfahrt einzusetzen.

Lokale Wasserstoffnetzwerke entstehen

Netzwerk

Ausgewählte Mitglieder

Central Hydrogen Cluster

Columbus Energy, ENEA, Grupa Industria, ML System, SBB Energy

Hydrogen-Valley Dolnośląska

Grupa Azoty, KGHM, Linde Gaz Polska, Toyota

Hydrogen-Valley Mazowiecka

Orlen, Siemens Energy, Toyota

Hydrogen-Valley Podkarpacka

Autosan, ML System, Polenergia, Stadt Sanok

Hydrogen-Valley Pomorska

PKP Energetyka, Sescom

Hydrogen-Valley Śląsko-Małopolska

Columbus Energy, Grupa Azoty, JSW, KOMAG, Orlen, Polenergia

Hydrogen-Valley Wielkopolska

ZE PAK, Solaris

Hydrogen-Valley Zachodniopomorska

ENEA, Grupa Azoty, 

Quelle: Agentur für industrielle Entwicklung ARP 2023

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