Programme aus dem Modernisierungsfonds stoßen auf Interesse. Gelder fließen in den Umbau von Kraftwerken, in Stromleitungen oder in Heiztechnik. Auch deutsche Firmen profitieren.
Energieerzeuger und energieintensive Unternehmen müssen im Rahmen des Emissionshandels der Europäischen Union (EU ETS) CO2-Zertifikate kaufen. Bis zum Jahr 2030 fließen die Einnahmen aus dem Verkauf von 4,5 Prozent aller Emissionszertifikate in den europäischen Modernisierungsfonds (MF). Auf den Fördertopf können 13 Länder zugreifen, darunter Polen.
Der MF ist an den aktuellen Preis für CO2-Zertifikate gekoppelt. Es gibt Kursschwankungen. Wenn die Konjunktur schwächelt, drosseln Unternehmen ihre Produktion. Sie verbrauchen dann weniger Energie und benötigen weniger Emissionszertifikate. In einer solchen Situation sinkt der Preis für CO2-Zertifikate. Anfang März 2024 kostete ein Zertifikat rund 41,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Je nachdem wie sich der Kurs entwickelt, könnte Polen bis 2030 zwischen 6 Milliarden und 10 Milliarden Euro in Anspruch nehmen.
Die wichtigsten Zielgruppen der Fördermaßnahme sind Energieerzeuger, Energienetzbetreiber und industrielle Großunternehmen. Der MF unterstützt Investitionen, die mit den Klima- und Energiezielen der EU in Einklang stehen. Dabei müssen 80 Prozent aller Fördergelder in mindestens eine von sechs sogenannten Prioritäten nach ETS-Richtlinie der EU fließen. Das übergeordnete Ziel ist eine nachhaltigere Energieversorgung in Unternehmen, in Privathaushalten und im Transportsektor.
Prioritäten des Modernisierungsfonds nach ETS-Richtlinie
- Erzeugung und Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen
- Heizen mit Energie aus erneuerbaren Quellen
- Verbesserung der Energieeffizienz
- Bau von Energiespeichern und Modernisierung der Energienetze
- Unterstützung von einkommensschwachen Haushalten, um Energiearmut zu bekämpfen
- Gerechter Strukturwandel in Kohleregionen
Projekte im Wert von über 5 Milliarden Euro bestätigt
Polens staatlicher Umweltfonds (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej; NFOŚIGW) verteilt die Einnahmen des MF auf nationale Programme. Je nach Themenschwerpunkt müssen die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Kommission und ein Investitionsausschuss die Projekte freigeben.
Im Februar 2024 schlug der Umweltfonds zusammen mit dem Klimaministerium drei weitere Projekte vor. Zu den neuen Initiativen gehören Zuschüsse für emissionsfreie Lkw und für Lkw-Ladesäulen. Eine dritte Maßnahme richtet sich an Besitzer von Einfamilienhäusern. Eigentümer dürfen sich auf Kaufprämien für Mini-Windkraftanlagen in Höhe von bis zu 6.900 Euro freuen. Voraussetzung: Die Leistung der Windkraftanlagen liegt nicht über 20 Kilowatt. Außerdem darf die Anlage nicht höher größer als 30 Meter sein
Darüber hinaus will der Umweltfonds mehrere bereits laufende Initiativen aufstocken. Einer der Nutznießer ist das Programm Energie für das Dorf. Es unterstützt Landwirte beim Bau neuer Biogasanlagen oder anderer klimaneutraler Kraftwerke.
Alle neuen Vorschläge des Umweltfonds haben ein Volumen von zusammen 1,6 Milliarden Euro. Im Umweltministerium geht man davon aus, noch im 1. Quartal 2024 eine Freigabe der EIB zu erhalten. Das Gesamtbudget aller bislang genehmigten Programme beläuft sich auf 5,1 Milliarden Euro.
Erste Ausschreibungen starteten bereits im Dezember 2021. Viele Programme werden nach Ablauf mit einigem zeitlichen Abstand neu aufgelegt. Weitere Informationen und Termine veröffentlicht der Umweltfonds.
Neue Möglichkeiten für deutsche Unternehmen
Es gibt bereits eine ganze Reihe von Nutznießern. Polens größter Energieversorger PGE (Polska Grupa Energetyczna) erhält beispielsweise rund 10 Millionen Euro, um in den Orten Warta, Jeziorsko und Cisna jeweils einen Energiespeicher zu bauen. Die Großbatterien sollen dabei helfen, das Netz zu stabilisieren. Außerdem darf sich das Unternehmen über 19,5 Millionen Euro freuen, um Privathaushalte mit intelligenten Stromzählern auszustatten. Bis 2030 sollen alle Haushalte in Polen über einen intelligenten Stromzähler verfügen. Auch Stoen Operator, eine Tochtergesellschaft der deutschen E.ON, hat Zuschüsse für den Zählerwechsel erhalten.
Dank der Gelder aus dem Modernisierungsfonds entstehen neue Müllverbrennungsanlagen in Städten wie Lublin oder Opole. Auch Produktionsunternehmen nutzen die Förderprogramme. Velvet Care, einer der größten Hersteller von Hygieneartikeln in Polen, erhält einen Zuschuss in Höhe von 7,4 Millionen Euro. Damit finanziert das Unternehmen den Bau eines Kraft-Wärme-Kopplungssystems auf der Basis einer Gasturbine. Dank der Investition sinkt der Energiebedarf des Herstellers. Ähnlich ist es bei einer polnischen Tochtergesellschaft der deutschen Südzucker. Das Unternehmen will Kohleöfen im Werk in Strzelin durch Gasöfen ersetzen und erhält dafür einen Niedrigzinskredit in Höhe von 29,8 Millionen Euro.
Fast alle Maßnahmen des MF eröffnen deutschen Technologieanbietern Geschäftschancen. Dank der Projekte steigt der Bedarf an Heiz- und Kraftwerkstechnik, intelligenten Mess- und Steuerungssensoren sowie an Energiespeichern.
Polen arbeitet an einem eigenen Fonds
Sowohl Polens alte Regierung unter Führung der PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość), als auch die seit Dezember 2023 amtierende neue Regierung kritisieren, dass die Förderkriterien des MF zu unflexibel seien. Ursprünglich wollte Polen daher schon 2022 einen staatlichen Fonds zum Umbau der Energiewirtschaft (Fundusz Transformacji Energetyki; FTE) ins Leben rufen. Das Projekt scheiterte zunächst aber an einem Streit innerhalb der PiS-Regierung. Ähnlich wie der MF würde sich auch der FTE über Einnahmen aus Zertifikatsauktionen speisen. Förderprojekte des FTE müssten nicht von der EIB genehmigt werden.
Polens neue Regierung wagt nun einen weiteren Anlauf. In den FTE sollen 40 Prozent aller verfügbaren Emissionsscheine fließen und ab 2026 sogar 100 Prozent. Das entspräche einem Budget von bis zu 25 Milliarden Euro, also deutlich mehr als beim MF. Das Klimaministerium will noch im März 2024 einen Gesetzesentwurf in das Kabinett einbringen.
Während ein Teil der Gelder Projekten zugutekäme, die auch mit dem MF kompatibel wären, gibt es einige wichtige Unterschiede zwischen den beiden Fonds. Der FTE soll Fördermittel für die Kernenergie und die Abscheidung respektive Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage) bereitstellen. Solche Projekte könnte der MF nicht unterstützen.
Von Christopher Fuß
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Warschau