In den Fällen, in denen eine deutsche Entscheidung in Polen (2a) anerkannt und vollstreckt werden muss, ist aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters zunächst die europarechtliche Ebene zu berücksichtigen. Diese ist bestimmt durch die bereits oben erwähnte EuGVVO oder auch Brüssel-I-Verordnung, die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbar gilt. Neben der hier thematisierten Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im jeweils anderen EU-Mitgliedstaat, beinhaltet die EuGVVO auch Regelungen zu der internationalen Zuständigkeit von Gerichten bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten. Ausführungen zum Thema der Zuständigkeit von Gerichten, finden Sie in unserer Rubrik "zuständigen Gerichte".
Der Begriff "Gerichtsentscheidung" bezieht sich dabei nicht nur auf Urteile, sondern auch auf Beschlüsse, Zahlungsbefehle oder Vollstreckungsbescheide. Die jeweilige Entscheidung des ausländischen Gerichts wird im anderen Mitgliedstaat ohne ein weiteres besonderes gerichtliches Verfahren durch Vorlage einer beweiskräftigen Ausfertigung der ausländischen Gerichtsentscheidung anerkannt. Diese darf dann im Anerkennungsstaat nicht mehr in der Sache selbst nachgeprüft werden (sogenanntes Verbot der révision au fond). Nur wenige schwerwiegende Versagungsgründe wie etwa ein der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechendes Urteil, können dabei die Anerkennung einer Gerichtsentscheidung noch verhindern.
Voraussetzung für die Vollstreckung von anerkannten Gerichtsentscheidungen ist, dass sie im Staat der Gerichtsentscheidung (so beispielsweise in Deutschland) vollstreckbar sind und dass im Vollstreckungsstaat (so beispielsweise in Polen) einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung stattgegeben wurde.
Für die Vollstreckbarerklärung deutscher Entscheidungen in Polen, so etwa im Fall der Vollstreckung einer Schadensersatzklage des deutschen Dienstleistungsempfängers, muss der Vollstreckungsantrag an das zuständige polnische Bezirks-/Landgericht (Sąd Okręgowy-Wydział Cywilny) gestellt werden.
Bei der Suche nach dem für die Anerkennung und Vollstreckung örtlich zuständigen polnischen Gericht kann auf das Europäische Justizportal zurückgegriffen werden. Dort stehen neben weiteren Informationen auch die für Polen relevanten Formblätter in deutscher Sprachfassung zur Verfügung.
Hat eine Partei in der Gerichtsverhandlung die Forderung der anderen Seite ausdrücklich anerkannt oder haben sich die Parteien vor Gericht gütlich geeinigt und einen Vergleich geschlossen, geht es sogar noch etwas einfacher.
Denn bei unbestrittenen Forderungen (wie den eben genannten Anerkenntnissen vor Gericht oder gerichtlichen Vergleichen) wird das Vollstreckungsverfahren durch Beantragung eines Europäischen Vollstreckungstitels nach der europäischen Verordnung (EG) Nr. 805/2004 weiter vereinfacht. Zu beachten ist aber, dass der Europäische Vollstreckungstitel kein selbständiger Vollstreckungstitel ist. Es wird nur die Vollstreckbarkeit eines bestehenden Vollstreckungstitels auf die anderen Mitgliedsstaaten erweitert.
Im oben dargestellten Beispielsfall des deutschen Dienstleistungsempfängers, der einen Rechtsstreit mit dem polnischen Dienstleistungserbringer wegen einer Schadensersatzforderung führt, bedeutet dies:
Wird ein gerichtlicher Vergleich zwischen diesen beiden Parteien geschlossen und erfüllt der polnische Dienstleistungserbringer seine Verpflichtung aus diesem Vergleich nicht, so wird das deutsche Gericht auf Antrag den Vergleich bestätigen. Mit dieser Bestätigung des Vergleichs als Europäischer Vollstreckungstitel kann in Polen ohne den Zwischenschritt der Vollstreckbarerklärung vollstreckt werden.
Den gleichen Vorteil genießt natürlich auch der polnische Dienstleistungserbringer, wenn er und der deutsche Dienstleistungsempfänger vor einem polnischen Gericht einen Vergleich geschlossen haben.
Weiterführende Informationen zum Europäischen Vollstreckungstitel enthält ein Beitrag auf dem EU-Portal EUR-Lex - Der Zugang zum EU-Recht mit Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung.