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Special | Rumänien | Klimaschutz im Dialog

"Wasserstoff als Energieträger einzusetzen, finde ich kritisch"

Rumänien will Wasserstoff für die Stromerzeugung einsetzen, um ab 2050 klimaneutral zu werden. Mihai Constantin von der Energy Policy Group Romania analysiert dieses Vorhaben.

Von Dominik Vorhölter | Bukarest

Mihai Constantin, Senior Researcher, Energy Policy Group (EPG) - Experte für Energiepolitik und untersucht die Zielsetzungen und Aktivitäten der rumänischen Energiepolitik. Er war als Berater des rumänischen Parlaments tätig und arbeitete als Klima- und Energiemanager für WWF Romania. Dies ist ein eingebettetes Bild | © Mihai Constantin

Rumäniens Regierung muss noch eine Langzeitstrategie verabschieden, um das Ziel der Europäischen Union einzuhalten, bis 2050 klimaneutral zu werden. Seit April 2023 liegt ein Entwurf vor. Mihai Constantin, Senior Researcher beim Think Tank Energy Policy Group (EPG) und ehemaliger Regierungsberater, kennt die Stärken und Schwächen der rumänischen Energiepolitik. Er forscht bei der EPG zur Klimastrategie der rumänischen Regierung. Im Gespräch mit Germany Trade & Invest erläutert er, vor welche Herausforderungen die Dekarbonisierung die rumänische Wirtschaft und Gesellschaft stellt.

Herr Constantin, welche Rolle spielt der Klimawandel in der öffentlichen Wahrnehmung?

Das rumänische Umweltministerium versucht ab und zu, im Rahmen von Umfragen die öffentliche Wahrnehmung zum Klimawandel zu ermitteln. Laut der jüngsten Umfrage sind sich etwa zwei Drittel der Rumänen der Probleme bewusst und erkennen Klimaveränderungen innerhalb der Jahreszeiten an: etwa kaum Winterwetter, dafür aber mehr Dürre. Die meisten Menschen hier in Rumänien wissen aber nicht, wie sie den Klimawandel bremsen können. Sie nehmen zwar wahr, dass es Luftverschmutzung gibt, denken aber, dass, wenn sie einfach mit etwas Recycling anfangen, nichts passieren wird. Es gibt ein Bewusstsein für den Klimawandel. Das würde ich schon sagen. Aber die Rumänen haben noch eine verzerrte Vorstellung davon, was ihnen bevorsteht.

Wie meinen Sie das? 

In Rumänien sind beispielsweise die Prozesse der gesellschaftlichen Debatte verzerrt. Es gibt hier etwa so gut wie kaum öffentliche Konsultationen oder Möglichkeit für eine Teilhabe der gesamten rumänischen Gesellschaft am politischen Entscheidungsprozess. Ich nenne hier aktuell das Beispiel Dekarbonisierungsgesetz. Dieses Gesetz legt den Ausstieg Rumäniens vom Abbau und der Verstromung der Stein- und Braunkohle fest. 

Inwieweit beeinflusst der Kohleausstieg die Haltung der Rumänen zum Klimawandel?

Besonders in den Kohleregionen beobachten wir verstärkt Medienkampagnen, die die Angst vor Arbeitslosigkeit der Menschen, die dort leben, anheizen. Besonders in den Wintermonaten schüren Medien Angst vor Blackouts. Diese Kampagnen werden häufig von den Gewerkschaften finanziert. Dies erklärt das verzerrte Bild, das die Rumänen von der Energiepolitik und dem damit verbundenen Strukturwandel haben.

Die öffentliche Meinung zum Kohleausstieg konzentriert sich verstärkt auf die Probleme Energieknappheit und Arbeitslosigkeit. 

Die öffentliche Meinung zum Kohleausstieg konzentriert sich entsprechend verstärkt auf die Probleme Energieknappheit und Arbeitslosigkeit. Mit dem Strukturwandel in den Kohleregionen geht es aber um eine schrittweise Abschaltung der Kohlekapazitäten. Derzeit produziert Rumänien weniger als 1.000 Megawatt Strom aus Steinkohle. Im März 2023 waren es sogar nur 600 Megawatt. Wir hatten eine Kapazität von ursprünglich mehr als 3 Gigawatt. 

Soviel ich informiert bin, sollte Rumänien bereits Ende 2022 damit beginnen, den Kohleabbau zu stoppen und Kraftwerke zu schließen, richtig?

Ja, genau. Die festgelegten Ausstiegsfristen wurden aber auf Herbst 2023 verlängert. Den politischen Handlungsträgern ist es aktuell wichtiger, die Jobs zu erhalten, als Maßnahmen gegen den Klimawandel umzusetzen. 

Nun gibt es eine Langzeitstrategie, mit der sich Rumänien Ziele setzt, wie das Land bis 2050 klimaneutral werden will. Wie bewerten Sie diese Strategie?

Ich finde es wichtig, dass wir endlich eine Strategie haben. Es war ein langer Weg, der zugegeben etwas chaotisch war. An der neuen Strategie finde ich die Pläne für den Einsatz von Wasserstoff als Energieträger für die Stromerzeugung in Dampf- und Kombi-Kraftwerken kritisch. Wasserstoff soll demnach die Gaskapazitäten ersetzen. Es gibt aber in der Strategie keine Antwort auf die Frage, woher der Wasserstoff kommen soll. 

Wie meinen Sie das?

Um Wasserstoff zu produzieren, benötigen wir ja auch Strom. In der Strategie wird nicht erwähnt, welche installierte Kapazität benötigt wird, um den Strom zu erzeugen, mit dem Wasserstoff hergestellt werden soll, um dann in den Kraftwerken verbrannt zu werden. Wenn wir uns die Strategie ansehen, könnten wir sagen, dass die Leute, die die Strategie ausgearbeitet haben, glauben, dass Wasserstoff in der Natur als Öl oder Gas vorkommen kann. Das ist aber nicht der Fall. Um Wasserstoff zu gewinnen, muss Energie eingesetzt werden, und die rumänischen Behörden berücksichtigen nicht, woher diese Energie kommen wird. Eine bessere Lösung wäre meiner Meinung, den Strom einfach direkt zu nutzen. 

Welche Chancen ergeben sich für Unternehmen daraus?

Wir arbeiten beispielsweise an einem Projekt, bei dem es darum geht, gemeinsam mit Bulgarien eine Energieinsel im Schwarzen Meer zu bauen. Dabei handelt es sich um eine Investition in Höhe von 7 bis 8 Milliarden Euro, an der sich Unternehmen beteiligen können. Unser Vorbild ist die Entwicklung von Offshore-Windparks in der Nordsee.

Wo sehen Sie Hindernisse oder Risiken für den Klimaschutz in Rumänien?

Die größte Herausforderung ist die Dekarbonisierung der Energiequellen, insbesondere der Ausstieg aus der Kohleverstromung und dann der Abschied vom Gas. Wir haben ja hier in Rumänien reiche Gasvorkommen. Der Gasausstieg wird sehr hart zu erreichen sein. Es gibt auch ein Problem mit der Infrastruktur. Der Strom aus erneuerbaren Energien entsteht nicht dort, wo am meisten verbraucht wird. Im Südosten des Landes gibt es etwa mehr Windkraft. Dort müssen die Speicherkapazitäten ausgebaut werden. Mit künftig mehr Offshore-Kapazitäten im Schwarzen Meer muss parallel das Stromnetz ausgebaut werden. Damit hätte die Regierung früher beginnen sollen. Energieeffizienz in Gebäuden ist eine weitere große Herausforderung. Wir haben bereits Programme, um Wohngebäude energetisch zu sanieren. Wohnblöcke und Hausgemeinschaften haben Schwierigkeiten, sich um Fördergelder zu bewerben, weil ihnen die administrativen Prozesse zu kompliziert sind. Es gibt viel zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch. 

Weitere Informationen:
  • Die Energy Policy Group (EPG) ist ein gemeinnütziger, unabhängiger Think Tank mit Sitz in Bukarest, der sich auf die Erforschung der Energie- und Klimapolitik und die Energiestrategie auf nationaler und EU-Ebene spezialisiert hat. Die EPG finanziert sich durch private Spenden und durch Forschungsstipendien aus dem öffentlichen und privaten Sektor.
  • Mehr Informationen zum Klimaschutz in Rumänien finden Sie in unserem Klimaschutzreport und unserem Special Klimawandel lokal


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