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Wirtschaftsumfeld | Russland | Gegensanktionen, Kapitalverkehrskontrollen

Russland bedient Staatsanleihen nur noch in Rubel

Präsident Putin hat ein neues Verfahren für Zahlungen in Rubel auf Eurobonds der Russischen Föderation festgelegt. De facto entspricht dieses Vorgehen aber einem Zahlungsausfall.

Von Edda Wolf | Bonn

Russland zahlt trotz des angespannten Verhältnisses mit dem Westen weiter fällige Zinsen auf Staatsanleihen - allerdings nicht in Euro oder Dollar sondern in Rubel. Der russische Präsident Wladimir Putin hat dazu temporäre Sonderverfahren für das Erfüllen von Zahlungsverpflichtungen aus Euro- und Dollar-Staatsanleihen in Rubel festgelegt.

Die Bedienung russischer Staatsanleihen (im Folgenden - Eurobonds) wird durch vier Erlasse des russischen Präsidenten geregelt:

  • Präsidialerlass Nr. 95 vom 5. März 2022 "Über das temporäre Verfahren zur Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber bestimmten ausländischen Kreditgebern",
  • Präsidialerlass Nr. 394 am 22. Juni 2022 "Über das temporäre Verfahren zur Erfüllung von öffentlichen Schuldverpflichtungen der Russischen Föderation, die auf Staatspapiere lauten und deren Nennwert in ausländischer Währung angegeben ist, gegenüber Gebietsansässigen und ausländischen Kreditgebern",
  • Präsidialerlass Nr. 529 vom 8. August 2022 "Über das temporäre Verfahren der Erfüllung von Verpflichtungen aus auf Fremdwährung nominierte Bankkonten (Depots) und Verpflichtungen aus von ausländischen Organisationen ausgegebenen Anleihen",
  • Präsidialerlass Nr. 430 vom 5. Juli 2022 "Über die Repatriierung von Fremdwährungen und Währungen der Russischen Föderation durch Gebietsansässige - Teilnehmer an der Außenwirtschaftstätigkeit".

Zahlung in Rubel gilt als "ordnungsgemäße Erfüllung"

Gemäß den Erlassen Nr. 95, Nr. 394 und Nr. 529 gelten die Verpflichtungen aus Eurobonds gegenüber inländischen und ausländischen Gläubigern als ordnungsgemäß erfüllt, wenn sie in Rubel in einem Betrag gezahlt werden, der ihrem Wert in ausländischer Währung entspricht. Der Betrag wird zu dem Wechselkurs umgerechnet, der auf dem russischen Devisenmarkt an dem Tag gilt, an dem das Finanzministerium die Zahlung an die Zentralverwahrstelle leistet.

Regelungen für Rubelkonten des Typs "I"

Laut Erlass Nr. 394 werden die Gelder in Rubel auf Sonderkonten vom Typ I innerhalb der im Verkaufsprospekt festgelegten Fristen gutgeschrieben - für spätere Zahlungen an Inhaber von Eurobonds der Russischen Föderation. Diese Sonderkonten werden bei einer zentralen Verwahrstelle sowohl für russische Anleger als auch für ausländische Verwahrer eingerichtet. Die Funktionen der zentralen Verwahrstelle werden vom National Settlement Depository (NSD) wahrgenommen.

Die Russische Föderation ist laut Erlass berechtigt, bei der NSD die Eröffnung eines auf Rubel lautenden Sonderkontos vom Typ I auf den Namen einer ausländischen Verwahrstelle zu beantragen, ohne dass ein Vertreter des ausländischen Verwahrers persönlich anwesend ist. Dabei kann ein Konto vom Typ I auf den Namen mehrerer ausländischer Verwahrstellen eröffnet werden. Die NSD benötigt keine Zustimmung oder Anweisung ausländischer Verwahrer, um Buchungen auf Konten vom Typ I durchzuführen.

Die Zahlungen an Inhaber von Eurobonds der Russischen Föderation erfolgen unter Einbeziehung zugelassener russischer Kreditinstitute, deren Liste von der russischen Regierung festgelegt wurde. Der Zentralverwahrer NSD leistet seine Zahlungen an die russischen Kreditinstitute und diese leiten die Gelder weiter an die Eurobond-Inhaber. Diese Zahlungen erfolgen, nachdem die russischen Verwahrstellen (Kreditinstitute) die Informationen und Dokumente erhalten haben, die zur Bestimmung der Zahlungsbeträge erforderlich sind. 

Wie aus dem Erlass weiter hervorgeht, werden die Kontenregelung, das Verfahren zur Bestimmung der Personen, die berechtigt sind, Zahlungen auf die Eurobonds der Russischen Föderation zu erhalten, und das Verfahren zur Bestimmung der Höhe der Zahlungen gesondert von Zentralbank und Finanzministerium festgelegt. Die Regelung für die Rubelkonten vom Typ I hat die russische Zentralbank am 24. Juni 2022 getroffen: Anweisung der Zentralbank von Russland Nr. 6169-U vom 24. Juni 2022 „Zur Einrichtung des Kontomodus des Typs „I“ (registriert beim Justizministerium der Russischen Föderation am 30. Juni 2022, Registrierungsnummer 69077). Das Finanzministerium wurde ermächtigt, offizielle Klarstellungen zur Anwendung des Erlasses zu geben.

Staat und Kommunen dürfen bei Sanktionen in Rubel zahlen

Der Präsidialerlass Nr. 529 vom 8. August 2022 "Über das temporäre Verfahren der Erfüllung von ... Verpflichtungen aus von ausländischen Organisationen ausgegebenen Anleihen" sieht vor, dass der russische Staat und russische Kommunen (Moskau, Sankt Petersburg) im Falle von Sanktionen ihre Zahlungsverpflichtungen aus Eurobonds in Rubel bedienen können.

Demnach sind russische Schuldner berechtigt, auf der Grundlage einer entsprechenden Genehmigung auf den Namen eines gebietsansässigen oder gebietsfremden Eurobond-Inhabers, dessen Rechte von einer ausländischen Verwahrstelle verbucht werden, ein Rubelkonto vom Typ D bei einer russischen Bank zu eröffnen, um ihre Verpflichtungen aus Eurobonds zu bedienen. Zahlungen in Rubel werden mit Zustimmung des Eurobond-Inhabers auf dieses Konto überwiesen.

Zahlungen auf Eurobonds an gebietsansässige Personen und an gebietsfremde Personen aus befreundeten Ländern, deren Rechte von einer ausländischen Verwahrstelle verbucht werden, können in Rubel auf deren Konten bei russischen Banken gutgeschrieben werden.

Ein gebietsansässiger Anleihegläubiger, der aufgrund von Sanktionen keine Zahlungen von einer ausländischen Verwahrstelle erhalten kann, ist berechtigt, seinen Anspruch auf die Schuld an seine ausländischen Gläubiger abzutreten.

Regelungen für Rubelkonten des Typs "D"

Am 11. August 2022 fasste der Verwaltungsrat der russischen Zentralbank den Beschluss "Zur Einrichtung eines Kontoregimes vom Typ D in Rubel". Darin sind Details für die Rubel-Konten vom Typ D geregelt.

1. In Übereinstimmung mit Absatz 5 des Präsidialerlasses Nr. 529 vom 8. August 2022 wird die folgende Regelung für ein Rubelkonto des Typs D festgelegt, das bei einem russischen Kreditinstitut auf Antrag eines russischen Schuldners im Namen eines oder mehrerer gebietsfremder (ausländischer) Eurobond-Inhaber oder eines oder mehrerer gebietsansässiger Eurobond-Inhaber eröffnet wird, dessen/deren Rechte an Eurobonds bei einer ausländischen Verwahrstelle verbucht werden.

1.1 Auf einem Rubelkonto vom Typ D können Gelder gutgeschrieben werden, die:

  • von einem russischen Schuldner in den im Erlass Nr. 529 vorgesehenen Fällen erhalten wurden;
  • versehentlich auf ein Rubelkonto des Typs D überwiesen wurden.

1.2 Von einem Rubelkonto vom Typ D können Gelder abgebucht werden:

  • zur Gutschrift auf ein Bankkonto eines Inhabers von Eurobonds;
  • zur Konvertierung in Fremdwährung, um sie anschließend auf ein Bankkonto eines gebietsfremden (ausländischen) Inhabers von Eurobonds zu überweisen;
  • um einem russischen Schuldner die auf einem auf Rubel lautenden Konto gutgeschriebenen Beträge zurückzugeben, wenn die Verpflichtung, für die die Beträge gutgeschrieben wurden, auf eine andere Weise erfüllt wird, die nicht im Widerspruch zu den Gesetzen der Russischen Föderation steht;
  • zur Zahlung von Gebühren und Provisionen an die russische Bank, die das Rubelkonto vom Typ D betreut;
  • die versehentlich auf ein Rubelkonto des Typs D überwiesen wurden.

Zahlung auch mit Schuldverschreibungen zugunsten der Eurobond-Inhaber möglich

Der Präsidialerlass Nr. 430 vom 5. Juli 2022 "Über die Repatriierung von Fremdwährungen und Währungen der Russischen Föderation durch Gebietsansässige - Teilnehmer an der Außenwirtschaftstätigkeit" legt in den Artikeln 3 und 4 fest, dass:

3. Verpflichtungen gegenüber Inhabern von Eurobonds und Personen, die Rechte aus Eurobonds ausüben, als ordnungsgemäß erfüllt anerkannt werden, wenn:

 a) russische juristische Personen, die Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Eurobonds haben, Schuldverschreibungen (Anleihen) zugunsten der Inhaber von Eurobonds platziert haben, deren Zahlung bei ihrer Platzierung durch Eurobonds erfolgt (einschließlich im Falle der Übertragung/Abtretung aller Eigentumsrechte und anderer Rechte an Eurobonds an russische juristische Personen). Gleichzeitig müssen die Höhe der Erträge aus den Anleihen, die Zahlungsfrist dieser Erträge, die Laufzeit der Anleihen und ihr Nennwert den entsprechenden Kriterien für die Eurobonds ähnlich sein;

 b) russische juristische Personen haben Eurobonds auf Kosten der bei der Platzierung der Anleihen erhaltenen Geldmittel erworben.

4. Russische juristische Personen, die Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Eurobonds haben, gewährleisten die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber den Inhabern von Eurobonds, deren Rechte von russischen Verwahrstellen verbucht werden, durch die Überweisung von Geldern in einem vom Direktorium der russischen Zentralbank festgelegten Verfahren oder durch Übertragung der ausstehenden Anleihen an diese Inhaber.

Neues Zahlungsverfahren nach US-Finanzsanktionen notwendig

Am 23. und 24. Juni 2022 sind die Kupons auf drei in den Jahren 2027 und 2047 fällige Staatsanleihen (Eurobonds) gezahlt worden, teilte das Finanzministerium in Moskau mit. Die Zinsen von umgerechnet 235 Millionen US-Dollar und 159 Millionen US-Dollar wurden an den russischen Zentralverwahrer NSD gesendet. Damit sei die Zahlung erfüllt, erklärte das Ministerium.

Das Problem ist jedoch, dass die Zahlungen von dort aus kaum an westliche Zahlungsstellen und damit letztlich an die westlichen Gläubiger weitergeleitet werden können, da die NSD unter die Finanzsanktionen von USA und EU fällt.

Alexander Schurakow, Analyst für den Anleihemarkt bei Otkritie Investments, weist darauf hin, dass das russische Finanzministerium nach Ablauf der Interimslizenz des Office of Foreign Asset Control (OFAC) der USA keine Zahlungen für Staatsanleihen in Fremdwährung (US-Dollar oder Euro) gemäß den Emissionsunterlagen leisten kann, weil die ausländischen Banken die Annahme von Zahlungen verweigern. "Daher ist ein neues formalisiertes Verfahren erforderlich, auf das sich das Finanzministerium beziehen kann", erklärte der Experte.

Auf Wunsch können die erhaltenen Rubel sofort an der russischen Börse in Devisen umgetauscht werden, wenn dies für einen Anleger wichtig ist, so Dmitrij Alexandrow, Geschäftsführer von Ivolga Capital. Gleichzeitig, so Alexander Schurakow, können ausländische Verwahrstellen infolge der Sanktionen gegen die NSD keine Konten bei der Zentralverwahrstelle eröffnen, so dass ausländische Investoren noch nicht in der Lage sein werden, die neuen Regeln für den Empfang von Zahlungen zu nutzen. Darüber hinaus berücksichtigt die vorgeschlagene Regelung keine Anleger russischer Herkunft, die in den Rechtsordnungen von Staaten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben, registriert sind. "So könnten zum Beispiel zyprische Unternehmen, deren Begünstigte Russen sind, keine Zahlungen auf Staatsschulden erhalten, sondern müssten diese erst repatriieren", erklärte Aleksandrow.

Zahlung in Rubel verstößt gegen Verkaufsprospekt und ist Vertragsverletzung

Experten weisen darauf hin, dass die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen auf Eurobonds in Rubel gegen den Emissionsprospekt verstößt und technisch gesehen eine Vertragsverletzung darstellt. Das kann Klagen nach sich ziehen, warnen sie.

Die Zahlung auf russische Eurobonds in Rubel ist formal ein Zahlungsausfall (technischer Default), da nach den gesetzlichen Standards für die Rückzahlung von Eurobonds die Zahlungen in der vereinbarten Währung erfolgen müssen. Die Möglichkeit rechtlicher Schritte wird jedoch davon abhängen, wie das Zahlungsverfahren genau festgelegt wird und zu welchem Wechselkurs der zu zahlende Betrag berechnet wird, so Elina Koskina.

Es ist unwahrscheinlich, dass ein solcher Rechtsstreit in größerem Umfang stattfinden wird, sagt Sergej Uchitel, Partner der Anwaltskanzlei Pen & Paper. Nach dem russischen Verfahrensrecht würden solche Streitigkeiten vor russischen Gerichten verhandelt, die russisches Recht anwenden. Auch in ausländischen Gerichtsbarkeiten können Verfahren eingeleitet werden, was für die Russische Föderation mit Problemen verbunden wäre (mögliche Beschlagnahme von Vermögenswerten im Ausland). Solche Verfahren können zudem langwierig sein, wie Sergej Uchitel betont.

Fraglich ist derzeit, wann von weitergehenden Konsequenzen wie einer Staatspleite gesprochen werden kann. Einerseits will Russland seine Schulden bedienen und könnte dies angesichts vorhandener Devisenreserven auch. Andererseits stehen dem die Finanzsanktionen des Westens entgegen, die Russland den Zugriff auf seine im Westen lagernden Devisenreserven verwehren.


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