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Branche kompakt | Schweden | Bauwirtschaft

Schwedens Baubranche strauchelt noch immer

Auch wenn Branchenverbände zaghaft eine Erholung der Industrie verlauten lassen, zeichnen die Zahlen noch ein anderes Bild. Gegenwärtig lautet das Stichwort Geduld.

Von Judith Illerhaus | Stockholm

Ausblick der Bauwirtschaft in Schweden

Bewertung:

  • Produktion im Baugewerbe ist noch immer stark rückläufig.
  • Insgesamt verzeichnet die Branche eine hohe Anzahl an Entlassungen und Insolvenzen.
  • Eine Erholung des Marktes wird frühestens ab 2025 erwartet. 
  • Für deutsche Unternehmen könnten sich Chancen im Infrastrukturbereich ergeben.

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Oktober 2024

  • Markttrends

    Die Bauindustrie bleibt Schwedens Sorgenkind. Doch im Wohnungsbau gibt es vermehrt Investitionen. Auch Infrastrukturprojekte könnten für deutsche Unternehmen interessant sein.

    Die Krise der Bauwirtschaft in Schweden entwickelt sich zunehmend zu einem politischen Thema. In einer Regierungsanfrage im November 2023 wurde darauf hingewiesen, dass in keiner anderen Branche die Wirtschaftskrise so stark zu spüren war wie im Baugewerbe. Die Beschäftigung sei um rund 5 Prozent zurückgegangen. Die Anzahl der Entlassungen hatte im September 2023 ihren Höchststand seit der Finanzkrise 2008 erreicht. Dem Wohnungsbau wurde der stärkste Rückgang seit der Krise in den 1990er Jahren attestiert. Die Auswirkungen auf die schwedische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt seien enorm. Nachdem sich diese Tendenzen auch im Verlauf des Jahres 2024 bestätigt hatten - beispielsweise gab es einen branchenspezifischen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von knapp 60 Prozent in den Monaten Januar bis April 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - wurde am 10. September 2024 ein Austausch der Minister bekanntgegeben.

    Wohnungsbaugenehmigungen bleiben weiterhin auf niedrigem Niveau

    Trotz der schwierigen Lage und eines noch immer schleppenden Marktes geht Byggföretagen, der schwedische Bauverband, von einer allmählichen Erholung des Marktes aus. Viel Hoffnung setzt die Branche auf die bereits angestoßenen Zinssenkungen durch die Riksbank. Und tatsächlich: Vorläufige Zahlen des nationalen Statistikamts SCB zeigen, dass im 1. Halbjahr 2024 mit dem Bau von rund 16.650 Neubauwohnungen begonnen wurde. Das sind 12 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, in dem der Bau von 14.821 Wohnungen gestartet wurde. In Gebäuden mit ein bis zwei Wohneinheiten wurde der Bau von lediglich 2.500 Wohnungen begonnen, das sind 31 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2023.

    Für den Verband Byggföretagen steht fest, dass vor allem die zuletzt straffe Geldpolitik sowie Leitzinserhöhungen den stärksten Rückgang der Wohnungsbauinvestitionen in Schweden seit 1995 verursacht haben. Obwohl sich andere Bereiche des Baumarktes gut entwickelt haben, gingen die Bauinvestitionen 2023 insgesamt um 5,6 Prozent zurück. 

    - 39 %

    ist die Produktion im Baugewerbe seit dem 2. Halbjahr 2023 gesunken.

    Unter der Voraussetzung, dass die Weltwirtschaft 2025 wieder ein stabiles Wachstum verzeichnet, kann auch der Bausektor in Schweden Fahrt aufnehmen. Die Ausweitung der Bauinvestitionen wird die negativen Auswirkungen des Rückgangs im Wohnungs- und Hochbau 2024 abfedern. Im nächsten Jahr hingegen werden die Bauinvestitionen, dank der Expansion aller Teilbereiche des Baugewerbes, deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft wachsen.

    Marktvolumen der Bauwirtschaft in Schweden ¹)In Milliarden Euro; Veränderung in Prozent
    Kennziffer

    2022

    2023

    Veränderung 2023/222)

    Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon

    64,9

    56,7

    -5,6

    Wohnungsbau

    29,9

    21,5

    -22,2

      Neubauten

    15,4

    9,0

    -37,1

      Renovierungen

    10,3

    9,3

    -2,4

      Freizeithäuser

    2,1

    1,6

    -15,1

    Wirtschaftsbau

    21,3

    21,7

    10,0

      öffentlich

    6,9

    7,2

    12,9

      privat

    14,4

    14,5

    8,6

    Infrastrukturbau

    13,8

    13,5

    6,2

      öffentlich

    6,3

    6,2

    4,7

      privat

    7,4

    7,4

    7,5

    1 Umrechnung nach jeweiligem Jahresdurchschnittskurs der EZB - 2022: 1 Euro = 10,6296 Schwedische Kronen (skr), 2023: 1 Euro = 11,4788 skr; 2 auf Basis Landeswährung.Quelle: Schwedischer Bauverband (Byggföretagen) 2024

    Haushaltsplan sieht Investitionen vor

    Grundsätzlich hat Schweden einen massiven Aufhol- und Instandhaltungsbedarf bei seiner Infrastruktur. Als Paradebeispiel der maroden Infrastruktur gilt das Schienennetz, das es im vergangenen Jahr mehrfach in die internationale Presse geschafft hat. Große und für die schwedische Wirtschaft wichtige Industriezweige im Norden des Landes mussten massive Einnahmeverluste hinnehmen, weil der Verkehr auf der wichtigen Erzbahn im Norden zum Erliegen kam und auch während des Betriebs keine ausreichenden Kapazitäten gewährleisten kann. Die Betriebe können also derzeit die Kundennachfrage aufgrund der mangelhaften Infrastruktur nicht bedienen. Darüber hinaus dürfte dies auch auf neue Investoren abschreckend wirken.

    Der kürzlich vorgestellte Haushaltsplan für das kommende Jahr sorgt für Hoffnung unter einigen Marktteilnehmern. Insbesondere in den nördlichen Regionen plant der Staat, sich zu engagieren: In den Gemeinden in den Bezirken Norrbotten und Västerbotten soll vor allem der Wohnungsbau gefördert werden. Für den Zeitraum 2025-2028 werden knapp 140 Millionen Euro bereitgestellt. Darüber hinaus werden sowohl die Verteidigungs- als auch die Strafvollzugsdienste erheblich verstärkt, was zu einem steigenden Bedarf an Neubauten und Renovierungen führt. Mit Blick auf die Schieneninfrastruktur beklagt Tågföretagen, die Branchenorganisation der Bahnindustrie, die anvisierte Erhöhung um 20 Prozent im staatlichen Budget als deutlich zu niedrig - weder die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen, noch der steigenden Bedarf an Transportkapazitäten könne hierdurch gedeckt werden.

    Zudem hat die Regierung ein neues Investitionshilfeprogramm ausgerufen. Unter dem Namen "Kraftlyftet" werden bis 2035 mehr als 350 Millionen Euro bereitgestellt, die für Investitionen in die Stromerzeugung, Energiespeicherung und -effizienz, Flexibilitätsdienste und andere Hilfsdienste genutzt werden sollen. Auch sollen die Voraussetzungen für mehr fossilfreien Strom geschaffen werden - womit im konkreten Fall Schwedens der Windkraftausbau und die Kernkraft gemeint sind.  

    Das Licht am Ende des Tunnels

    Im Tiefbau dürften sich für deutsche Unternehmen Chancen auftun. Beim aktuell bis 2026 vorgesehenen Bau des Tunnels am West Link (Västlänken) ist das deutsche Unternehmen Wayss & Freitag aktiv und verantwortet den Bau eines zweigleisigen Eisenbahntunnels sowie eines unterirdischen Bahnhofs. Als nächstes Großprojekt dieser Art steht Ostlänken an, also die Ost-Verbindung. Hier soll Schwedens erste Hochgeschwindigkeitstrasse entstehen. Ostlänken ist Schwedens derzeit größte Infrastrukturinvestition, und die Vorarbeiten für den Bau der 160 km langen zweigleisigen Eisenbahnstrecke zwischen Järna und Linköping sind bereits im Gange. Darüber hinaus laufen die Ausschreibungen für die ersten Großaufträge in der Größenordnung von knapp 900 Millionen Euro, die sogenannten Volumenaufträge. Indem weniger, aber größere Aufträge vergeben werden, können bessere Voraussetzungen für einen zeit- und kosteneffizienten Bau geschaffen werden, so Magnus Sjöberg, Programmmanager für die Ostverbindung. Auf der Internetseite des Trafikverkets können anstehenden Ausschreibungen des Projekts, aber auch viele weitere Tender eingesehen werden.

    Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Schweden
    Akteur/ProjektInvestitionssumme (in Mio. Euro)ProjektstandAnmerkungen
    Projekt Stockholm Wood Cityn.n.geplanter Baustart 2025Entwickler: Atrium Ljungberg
    Projekt Norra Fäladen, Lundn.n.AnhörungsphaseBauherr: Kommune Lund
    Projekt Stadsljus, Stockholmn.n.geplanter Baustart 2026Entwickler: OBOS; Bauunternehmen: Skanska
    Science Village, Lundn.n.Baustart 2024, mehrere EtappenBauherr: Kommune Lund
     Projekt Magelungens Strand, Stockholmn.n.Detailplan soll voraussichtlich im Q4 2024 beschlossen werdenBauherr: Stadt Stockholm
    Ausbau Krankenhaus Hässleholm, Skåne geplanter Baustart 2024Bauherr: Region Skåne, Bauunternehmen: Skanska
    Ausbau Hafen, Skellefteå99Baustart 2024Bauunternehmen: Peab
    Neue Schleusen in Vänersborg, Trollhättan und Lilla Edet531Arbeit am Detailplan; Ausschreibungsstart 2025; geplanter Baustart 2027/28Bauherr: Trafikverket
    Södertörn-Querverbindung (E4/E20), Stockholm1.375geplante Ausschreibung Januar 2025Bauherr: Trafikverket
    Erneuerung Malmbanan, Etappe Boden - Harrträsk>100Projektstart Herbst 2024; geplante Ausschreibung 2025; geplanter Baustart 2026Bauherr: Trafikverket
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz

    Trotz kriselnder Konjunktur lässt sich das eine oder andere Vorzeigeprojekt in der nachhaltigen Bauindustrie in Schweden finden.

    Schweden gilt als einer der Vorreiter in der Verwendung von Holz als Baumaterial. Im Vergleich zu Deutschland ist die bewaldete Fläche Schwedens mehr als doppelt so groß und der Holzeinschlag lag im Jahr 2023 etwa 20 Prozent höher als in Deutschland. Auch architektonisch macht das Land von sich reden: Das Sara Kulturhus in Skellefteå, nahe dem Polarkreis, zählt nach wie vor zu den höchsten Gebäuden, die vollständig aus Holz gebaut wurden. Zahlreiche weitere aktuelle Projekte verdeutlichen den schwedischen Ehrgeiz, mithilfe des regional beschafften traditionellen Baumaterials nachhaltiger und emissionsärmer zu bauen. Ein Beispiel ist die Erweiterung des Flughafens Arlanda, die auf Holz basiert und in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro von der deutschen KfW-IPEX finanziert wurde. Die deutsche Kreditanstalt konnte damit ihre Positionierung als Infrastrukturfinanzierer auch in Nordeuropa weiter festigen.

    Es wird auf Holz gesetzt

    In Sickla, einem südlichen Stadtteil Stockholms, wird das weltweit größte städtische Holzbauprojekt umgesetzt. Der schwedische Bauentwickler Atrium Ljungberg plant hier auf über 250.000 Quadratmetern die Errichtung von Stockholm Wood City, einer Mischung aus Büroflächen, Wohnungen, Restaurants und Geschäften. Ziel ist die Umsetzung einer 5-Minuten-Stadt, in der alle wichtigen Einrichtungen des täglichen Lebens in fünf Minuten erreichbar sind, mit höchsten nachhaltigen Baustandards. Der erste Spatenstich ist für das Jahr 2025 anvisiert.

    Die schwedische Regierung fördert den Holzbau als Teil ihrer Strategie für eine nachhaltige Gesellschaft ohne fossile Brennstoffe. Die staatlich unterstützte Organisation "Holzstadt Schweden" treibt Wissen, Innovation und Entwicklung in diesem Bereich voran. Die Regierung plant, die Fortschritte im industriellen Holzbau zu beobachten und gemeinsam mit relevanten Akteuren Handlungsbedarf und passende Maßnahmen zu identifizieren.

    Trendwende in Sicht

    Aller Euphorie zum Trotz, hat aber auch die Holzbranche zuletzt unter der schwächelnden Konjunktur gelitten. Die jüngsten Quartals- und Halbjahresstatistiken von Swedish Wood, Teil des schwedischen Forstindustrieverbandes, zeigen 2024 einen Rückgang der Brettschichtholzlieferungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In den ersten sechs Monaten des Jahres sank der Absatz von Balken und Trägern um 16,1 Prozent, was eine deutliche Abschwächung des Marktes widerspiegelt. 

    Der Rückgang der Nachfrage nach Brettschichtholz steht im Zusammenhang mit der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit, weniger Baubeginnen und einem schwächeren Privatkonsum aufgrund hoher Zinsen und Inflation. Erste Zinssenkungen der Riksbank, eine allmählich sinkende Inflation und auch zunehmend strengere Nachhaltigkeitsanforderungen im Bausektor lassen die Branche aber hoffnungsvoll in die nahe Zukunft blicken. 

    Fossilfreies Schweden auch in der Industrie

    Schweden hat sich äußerst ambitionierte Ziele in puncto Nachhaltigkeit gesetzt. Unter dem Dach der staatlichen Initiative "Fossilfritt Sverige" fasst das Land zahlreiche Maßnahmen und maßgenschneiderte Strategien für diverse Industriesparten zusammen. Hier findet sich auch eine konkrete Strategie für die Gesteinsindustrie. Die eigentliche Produktion des Gesteinsmaterials ist lediglich für 6 Prozent der Emissionen innerhalb der Bauwirtschaft verantwortlich. Allerdings müssen auch die sogenannten versteckten Emissionen, die durch Schwertransporte anfallen, mit einberechnet werden, so die Verfasser der Studie. Im September 2024 wurde die Strategie aktualisiert, denn aktuell werden beispielsweise statt möglichen 25 Prozent weniger als 5 Prozent des Gesteins wiederverwendet. Mögliche Lösungen für die Erreichung des Ziels, einer emissionsfreien Gesteinsindustrie bis 2045, sieht der Verband Schwedischer Gesteinsindustrien (SBMI) vor allem in einer verstärkten Nutzung digitaler Anwendungen für effizientere logistische Lösungen. Aber auch Zirkularität und Regionalität sollen mehr in den Fokus rücken und zu geringeren Transportwegen beitragen. Zudem werden sich Abnehmer auf höhere Anforderungen und strenger Regularien einstellen müssen. Pilotprojekte konnten zeigen, dass es möglich ist, den Einfluss auf das Klima um die Hälfte zu reduzieren.

    Darüber hinaus gibt es für die Baubranche noch relevante Fahrpläne für die Betonindustrie sowie die Zementindustrie. Als Zwischenziel plant man bis 2030 den Bau des ersten klimaneutralen Zementwerk auf der schwedischen Insel Gotland. Insgesamt sollen ab 2030 etwa 1,8 Millionen Tonnen CO2 abgeschieden werden können, womit Schweden die Gesamtemissionen um etwa drei Prozent senken könnte. Ebenfalls Teil des Projekts ist eine Kohlenstoffsenke mit einer Speicherkapazität von mehr als 300.000 Tonnen CO2. Maßgeblicher Akteur ist hier, wie beim norwegischen Vorzeigeprojekt Brevik, Heidelberg Materials. 

    Leuchtturmprojekt Nobel-Center

    Die Forderung, nachhaltig zu bauen, eint die nordischen Länder. Wirklichkeit wird dieser Anspruch derzeit in der Umsetzung des Neubaus des Stockholmer Nobel-Centers: Mithilfe des Net-Zero-Betons von Heidelberg Materials aus Norwegen macht die schwedische Hauptstadt von sich reden. Das neue Nobel Center in Stockholm, dessen Bau für 2027 geplant ist, setzt auf Verantwortung für Umwelt und Klima. Es wird den weltweit ersten Carbon Capture and Storage (CCS)-basierten Net-Zero-Beton von Heidelberg Materials verwenden. Ab 2025 soll evoZero-Beton auf dem Markt sein. Dieser Beton verbindet Wissenschaft und grünen industriellen Wandel. Vidar Helgesen, Exekutivdirektor der Nobel-Stiftung, betont die Bedeutung wissenschaftlicher Innovationen im Kampf gegen die Klima- und Umweltkrise. Das Nobel Center will neue Ansätze bei der Nutzung und Wiederverwendung von Materialien verfolgen, um die Auswirkungen auf das Klima zu minimieren.

    Das Nobel Center wird in prominenter Lage in Slussen, Stockholm, gebaut und soll einem breiten Spektrum öffentlicher Veranstaltungen zur Förderung von Wissenschaft, Kultur und Dialog dienen.

     

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Branchenstruktur

    Einheimische Unternehmen spielen im Norden die erste Geige. Chancen bieten sich vor allem im Infrastrukturbau. Der Fachkräftemangel ist jedoch eine Herausforderung.

    Der schwedische Bausektor hat in den vergangenen zwei Jahren tiefe Einschnitte erleiden müssen. Überproportional viele Insolvenzen haben politische Diskurse angeheizt und überschatten die Stärken der heimischen Baubranche. Denn nichtsdestotrotz gilt die Branche als Säule der schwedischen Wirtschaft und genießt einen hohen Stellenwert - immerhin trägt der Bau- und Immobiliensektor zu knapp 12 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. 

    Insgesamt gab es nach Angaben des schwedischen Statistikamtes SCB im Jahr 2023 knapp 123.000 Bauunternehmen, davon rund 28.000 im Hochbau und mehr als 4.000 im Tiefbau. Mehr als 87 Prozent der Baufirmen hatten maximal vier Angestellte und nicht mal 1 Prozent machten jene Firmen mit 50 oder mehr Angestellten aus. Laut Byggföretagen, dem Verband der Bauindustrie, ist der Bausektor nach wie vor weitgehend lokal und national geprägt, auch wenn der Markt zunehmend von internationaler Konkurrenz beeinflusst wird.

    Die schwedische Verkehrsbehörde ist ein wichtiger Akteur

    Laut nationaler Verkehrsbehörde Trafikverket erwirtschaftet der gesamte schwedische Baumarkt 2023 einen Umsatz von knapp 66 Milliarden Euro. Ungefähr 17 Milliarden Euro entfallen davon auf den Tiefbaumarkt. Das Einkaufsvolumen von rund 5 Milliarden Euro entspricht somit etwas weniger als einem Drittel und macht die Behörde zu einem wichtigen Teilnehmer am Markt. Nach Angaben von Byggföretagen beläuft sich der Umsatz der gesamten Bauinvestitionen auf knapp 53 Milliarden Euro. Die gesamten Bauinvestitionen umfassen den Bau neuer und die Renovierung bestehender Wohnungen und Gebäude sowie Investitionen in den Tiefbau.

    Der große Instandhaltungsdruck von Anlagen und Infrastrukturausgaben macht sich bei Betrachtung der Investitionen im Tiefbau bemerkbar: Hier lag der Umsatz laut Byggföretagen in den letzten Jahren jeweils bei mehr als 17,5 Milliarden Euro pro Jahr. Neben Straßen und Schieneninfrastruktur zählen hierzu auch die Wartung und der Neubau von Fernwärmeanlagen sowie Wasser- und Abwasseraufbereitung. Zu den großen Auftragnehmern gehören die schwedischen Unternehmen Svevia, Peab, NCC, Infranord, Infrakraft/Entry, Implenia und Skanska, die den Tiefbausektor in diesen Bereichen dominieren. In der Vergangenheit haben diese Unternehmen eine größere Kontrolle über die gesamte Produktionskette angestrebt, um ihre Rentabilität zu erhöhen. Strategisch bedeutet dies, dass die Unternehmen mit Zulieferern zusammenarbeiten und in die Eigenproduktion wichtiger Rohstoffe investieren. Einige der Unternehmen besitzen Asphaltwerke, Betonmischanlagen und Steinbrüche. Bei den Ausschreibungen der schwedischen Verkehrsverwaltung im Jahr 2023 waren Svevia und Peab die Bieter mit den meisten Angeboten unter den Bauunternehmen. Es folgten NCC, GRK und Infrakraft/Entry.

    Insgesamt wird dadurch die Effizienz der Produktionskette erhöht und der Wettbewerb eingeschränkt. Gleichzeitig ist ein Konsolidierungstrend im Gange, bei dem kleine und mittlere Unternehmen aufgekauft und in größere Industriekonzerne integriert werden. Aufgrund der geplanten großen Infrastrukturinvestitionen in Schweden haben ausländische Anbieter in den letzten Jahren verstärkt Interesse am schwedischen Baumarkt gezeigt. Insbesondere bei großen und komplexen Infrastrukturprojekten mangelt es in Schweden teilweise an Kompetenz und Ressourcen, sodass zukünftige Projekte international vermarktet werden müssen.

    Generalunternehmer haben die Nase vorn

    Im Wohnungsbau müssen sich deutsche Unternehmen auf eine andere Situation einstellen als in Deutschland. Insbesondere im Wohnungsbau ist es üblich, Verträge mit Generalunternehmen statt mit einzelnen Gewerken abzuschließen. Kenner des Systems weisen darauf hin, dass es keine Leistungsverzeichnisse oder Preisspiegel wie in Deutschland gibt, sondern mit Pauschalpreisen gearbeitet wird. Außerdem besteht weder eine Honorarordnung für Architekten, noch eine Gewerbeordnung und insgesamt gibt es im Vergleich zur Bundesrepublik weniger Bauregeln. Es wird aber durchaus auf sogenannte Handbücher zurückgegriffen, die auch Auskunft über standardisierte Verträge geben können.

     

     

    Wichtige Branchenunternehmen in SchwedenUmsatz in Milliarden Euro

    Unternehmen

    Umsatz (2023)

    Skanska

     

    13,7

    Peab

    5,4

    NCC

    5,0

    Veidekke

    3,8; davon 1,3 auf dem schwedischen Markt

    JM

    1,4; davon 0,8 auf dem schwedischen Markt

    AF Gruppen

     

    2,7; davon 0,7 auf dem schwedischen Markt

    Serneke

     

    0,7

    Quelle: Recherche von GTAI (Jahresberichte)

    Hauptstadtregion ist Fokus der Investitionen

    Die mit Abstand meisten Investitionen der Baubranche werden laut Branchenverband Byggföretagen in der Region Stockholm getätigt. Eine regionale Aufschlüsselung zeigt, dass 27,9 Prozent der gesamten Bauinvestitionen des Landes im Jahr 2023 in die Region Stockholm fließen. Auf Västra Götaland entfallen 18,2 Prozent und auf die südliche Region Skåne 11,6 Prozent. Die Wachstumsregionen Uppsala und Östergötland erhalten 4,3 beziehungsweise 3,8 Prozent. Gotland hatte mit 0,4 Prozent den geringsten Anteil.

    Allein für die Region Stockholm stehen bis zum Jahre 2040 etwa 115 Milliarden Euro für Projekte im Bereich Infrastruktur und Bau zur Verfügung.

    Fachkräftemangel auch in Schweden ein Problem

    Kürzlich bestätigte die Wirtschaftsförderung der Stadt Stockholm, Stockholm Business Region, dass der Fachkräftemangel insbesondere in der Bauindustrie enorm sei. Insgesamt fehlten etwa 40.000 Fachkräfte, um die angestrebten Bauprojekte in der Hauptstadtregion umsetzen zu können. Bei den Ingenieuren ist der Bedarf am höchsten: Laut nationalem Statistikamt SCB werden im Jahr 2035 etwa 12.000 Ingenieure fehlen. An zweiter Stelle folgen die Bauarbeiter. Aber auch in spezialisierten Berufsgruppen wie Elektrikern, Anlagenmechanikern oder Architekten wird ein konkreter Bedarf bestehen. Das schwedische Start-Up Flexy Finder versucht an dieser Stelle anzusetzen: hierbei handelt es sich um ein Matchmaking-Tool, das Unternehmen und Auftragsnehmer schneller zusammenbringen soll.

    Produktion ausgewählter Bauprodukte in SchwedenIn Millionen Euro 1); Veränderung in Prozent

    Sparte

    2023

    Veränderung 2023/2022 2)

    Steine, Gips, Zement, Asbest, Glimmer o.ä. Stoffe

    1.574

    -11,6

    Keramik

    121

    -7,5

    Glas und Glaswaren

    748

    3,7

    Eisen und Stahl

    8.941

    -9,1

    Waren aus Eisen und Stahl

    5.103

    -3,4

    Kupfer und Kupferwaren

    3.131

    5,3

    Aluminium und Aluminiumwaren

    2.427

    -0,6

     Metall und Metallwaren

    658

    7,2

    1 Umrechnung nach jeweiligem Jahresdurchschnittskurs der EZB 2023: 1 Euro = 11,4788 skr; 2 auf Basis der Landeswährung.Quelle: Nationales Statistikamt SCB 2024

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Rahmenbedingungen

    Trotz Fachkräftemangel und steigender Qualitätsansprüche ist die Dominanz einheimischer Unternehmen nicht leicht zu durchbrechen. Gründe dafür liegen im administrativen Bereich.

    Die Dominanz einheimischer Unternehmen auf dem schwedischen Markt hat mehrere Ursachen. Der relativ hohe Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern begünstigt die Beauftragung lokaler Firmen. Skandinavische Unternehmen haben auch mehr Erfahrung mit dem spezifischen Klima, was ihnen zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus Kontinentaleuropa beschert.

    Lokale und langjährige Geschäftsbeziehungen werden bevorzugt

    Ein weiterer Faktor ist die im Vergleich zu Deutschland niedrigere Bauqualität, die sich im Preis widerspiegelt. Deutsche Unternehmen, die nach den ihnen bekannten Standards bauen wollen, haben bei der Kostenkalkulation somit von Anfang an einen Nachteil. Dieser wird durch die üblichen Rabattkriterien noch verstärkt: Zulieferer, Ausstatter und Unterauftragnehmer honorieren vor allem Kundentreue. Langjährige Geschäftsbeziehungen können somit zum Beispiel den Preis für Baumaterial oder Projektarbeiten wesentlich senken.

     Zum 1. Januar 2024 wurde eine vorübergehende Anhebung der Obergrenze für den sogenannten ROT-Avdrag, eine Art steuerlicher Abzug bei Renovierungsarbeiten, eingeführt. Auf diese Weise sollten Sanierungsarbeiten forciert werden. Ob diese Regelung auch im kommenden Jahr bestehen bleiben wird, ist noch unklar.

    Hürden für ausländische Unternehmen

    Experten der schwedischen Baubranche haben tatsächlich sowohl die Unterschätzung der Kosten als auch der schwedischen Bürokratie als die größten Herausforderungen benannt. Auf den ersten Blick wirke Schweden sehr unkompliziert und sei auch bekannt für verhältnismäßig überschaubare Verträge und wenige Arbeitsrechte. Doch die Gewerkschaften spielen im Land, ähnlich wie in Deutschland, eine starke Rolle, die nicht unterschätzt werden sollte. Sie legen nicht nur den Mindestlohn fest, der Kostenvorteile beim Personal egalisiert. Auf ihr Wirken ist auch die Registrierungspflicht für ausländische Bauarbeiter und -handwerker zurückzuführen. Jede Person, die auf schwedischen Baustellen tätig ist, muss über eine ID06-Karte verfügen. Diese muss über einen der ausgewiesenen Partner beantragt werden, von denen nur einer über ein Büro in Deutschland verfügt.

    Bei Ausschreibungsverfahren sei es außerdem wichtig, zwischen den Zeilen lesen zu können, um zu erkennen, was der Auftraggeber tatsächlich erwartet. Deutsche Unternehmen tun also gut daran, sich einen marktkundigen Experten an die Seite zu holen. Über die Seite der schwedischen Verkehrsbehörde Trafikverket können beispielsweise laufende Projekte aber auch kommende Vergaben eingesehen werden. 

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Schweden

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Portal 21

    Informationsangebot zu Dienstleistungen in Schweden

    Finanzministerium

    Zuständig unter anderem für Wohnungsbau und Stadtplanung

    Infrastrukturministerium

    Zuständig für Transportinfrastruktur und Verkehr; Übersicht staatliche Infrastrukturverwalter

    Boverket

    Schwedische Zentrale für Wohnwesen, Bauwesen und Raumordnung

    Statens Bostadsomvandling

    Staatsunternehmen zuständig für Revitalisierung im Hochbau

    Byggföretagen

    Schwedischer Bauverband

    Sweden Green Building Council

    Zertifiziert Gebäude nach unterschiedlichen Umweltstandards

    Byggindustrin

    Führendes Magazin des Bauingenieurswesens

    ByggNyheter

    Internetportal mit Informationen und Neuigkeiten zur schwedischen Baubranche

    Byggsök

    Onlinedatenbank mit Bauprojekten

    Nordbygg

    Führende Messe der Bau- und Immobilienindustrie, zweijährig in Stockholm; nächster Termin April 2024

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