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Schweden entdeckt Offshore-Wind

Der Ausbau der Windkraft auf See verlief in Schweden bisher eher schleppend. Angesichts des steigenden Bedarfs soll es nun schneller gehen.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Zurzeit gibt es in Schweden nur drei aktive Offshore-Windparks. Hinzu kommt ein Windpark auf dem Vänernsee, dem größten See des Landes. Einer der drei Offshore-Parks ist der Windpark Bockstigen, er wurde 1998 in Betrieb genommen und ist die drittälteste Anlage in der Welt. Im Jahr 2007 hat Schweden Lillgrun, die drittgrößte Anlage in der Welt, fertiggestellt. Im Jahr 2013 ist der Kåreham-Park, der zum deutschen RWE-Konzern gehört, mit 48 Megawatt installierter Leistung ans Netz gegangen.

Der Offshore-Ausbau ist im größten Land Skandinaviens zwar nicht ausschlaggebend für die grüne Wende in der Stromproduktion - bereits etwa 90 Prozent des Bedarfs werden fossilfrei (inklusive Atomkraft) gedeckt. Allerdings werden die Bedarfsprognosen immer höher geschraubt, dank der zügigen Elektrifizierung von Transport und Industrie. Anfang 2022 schätzte der schwedische Übertragungsnetzbetreiber, dass die Stromnachfrage zwischen 2022 und 2026 um 10 Prozent wachsen wird - auf 157 Terawattstunden. Laut dem teilstaatlichen Forschungsinstitut Schwedens RI.SE könnte der Bedarf bis 2050 jährlich sogar um etwa 6 bis 8 Terawattstunden zunehmen. "Onshore-Windenergie wird in den nächsten zehn Jahren eine wichtige Rolle spielen. Längerfristig, also in 10 bis 20 Jahren, ist die Offshore-Windenergie wahrscheinlich die beste Lösung", prognostizierte Caroline Haglund Stignor, Leiterin des Bereichs Robuste und flexible Energiesysteme bei RI.SE.

Offshore-Offensive der Regierung

Damit der Ausbau vorankommt, kündigte die schwedische Regierung im Frühjahr 2022 eine Offshore-Offensive an. Die entsprechenden Prozesse werden vereinfacht und beschleunigt. "Das ist gut fürs Klima, für Arbeitsplätze und für die Energiesicherheit", unterstrich Klima- und Umweltministerin Annika Strandhäll.

Sie stellte einen 4-Punkte-Plan vor, der den Ausbau der Windenergie auf See und an Land unterstützt: Die Umweltüberprüfung wird gestrafft und das kommunale Vetorecht für Windkraftinvestitionen werden den Plänen zufolge modifiziert werden. Zwar soll das Mitbestimmungsrecht der Selbstverwaltungen bestehen bleiben, aber "berechenbarer" gemacht werden, sagte Strandhäll. Zudem soll spätestens im 1. Quartal 2023 ein Vorschlag für größere "Anreize für Kommunen und Gemeinden zum Ausbau der Windenergie" gemacht werden. Darunter könnten beispielsweise finanzielle Mittel, wie eine Gewinnbeteiligung, fallen.

Ein wichtiger Zeitpunkt für Offshore-Projektentwickler wird der November 2022 sein. Bis Ende dieses Monats soll nämlich die See- und Wasserbehörde "ein System erarbeiten, wie Akteure exklusive Rechte erhalten, um Offshore-Windkraft in bestimmten Gebieten zu errichten", geht aus einem Regierungsauftrag hervor.

Auf der Suche nach neuen Gebieten

Damit es auch etwas zu verteilen gibt, hat die Energieagentur den Auftrag, Orte zu finden, an denen im schwedischen Meeresgebiet Offshore-Windkraftanlagen realisiert werden können. "Die heute identifizierten Gebiete, ermöglichen eine Offshore-Windenergieproduktion von 20 bis 30 Terawattstunden jährlich. [Die eingeleiteten Schritte werden] eine Gesamtstromproduktion aus dem Meer ermöglichen, die 120 Terawattstunden entspricht. Das ist fast so viel Strom, wie heute ganz Schweden in einem Jahr verbraucht", unterstrich Energie- und Digitalisierungsminister Khashayar Farmanbar.

Allerdings werden neue Lizenzvergaben wohl frühestens 2025 erfolgen. Die Energieagentur hat bis März 2023 Zeit, ihre Vorschläge zu erarbeiten. Auf deren Grundlage muss die See- und Wasserbehörde dann drei Meerespläne ändern, den für den Bottnischen Meerbusen, den für die Ostsee und den für die Nordsee, das bis Ende 2024.

RWE plant 1,6 Gigawatt-Windfarm

Nichtsdestotrotz bieten sich auch bis dahin Geschäftschancen. Bisher sind bereits mehr als 90 Windenergieprojekte angekündigt worden. Doch davon sind erst sechs aktiv auf den Weg gebracht. Bauarbeiten aber haben noch keine begonnen. Inhaber der Lizenzen sind skandinavische Firmen, wie Cloudberry Develop, Ørsted, Svea Vind oder Vattenfall, aber auch deutsch Unternehmen wie RWE.

Das größte Projekt des Essener Konzerns ist der Offshore-Windpark Södra Midsjöbanken. Derzeit laufen Antragsprozeduren für eine Umweltgenehmigung. RWE hofft, spätestens 2025 mit dem Bau an der schwedischen Südküste beginnen zu können. In den Betrieb gehen sollen die bis zu 120, jeweils knapp 300 Meter hohen Windräder Ende des Jahrzehnts. Die installierte Leistung könnte bis 1,6 Gigawatt betragen.

Vattenfall prescht voran

Nahezu doppelt so viel leisten sollen zwei Windparks, in die sich Ende Juni 2022 Vattenfall eingekauft hat. Die nördlich von Göteborg liegenden Projekte Vidar und Poseidon werden mit Zephyr Renewable entwickelt. Angepeilt sind 10,5 Terawattstunden jährlicher Stromproduktion. "[Die beiden Projekte] werden auch unsere Entwicklung der wichtigen schwimmenden Technologie unterstützen, die die Umweltauswirkungen der Windparks verringern und die Offshore-Energieerzeugung an weiter von der Küste entfernten Standorten ermöglichen soll“, sagt Helene Biström, Leiterin des Geschäftsbereichs Wind bei Vattenfall.

Ende Mai 2022 erhielt die Firma zudem die Baugenehmigung für den schwedischen Teil des Windparks Kriegers Flak. Binnen sechs Jahren sollen dort bis zu 50 Windräder aufgestellt werden, die jährlich 2,6 Terawattstunden Strom liefern. Die Firma erwartet, die meisten Beschaffungen dafür zwischen 2023 und 2025 durchzuführen. Bis 2030 soll ferner das etwa gleich große Projekt Kattegatt Syd realisiert werden.

Die Anlagen werden nicht nur Strom liefern. Ende Juni 2022 gab Vattenfall offiziell eine Zusammenarbeit mit der finnischen Raffinerie St1 bekannt. Erster Schritt ist eine Machbarkeitsstudie für "eine fossilfreie Wertschöpfungskette für die Produktion von E-Fuel". Vattenfall würde dabei den Aufbau der Produktion und Verteilinfrastruktur von Wasserstoff auf Offshore-Windstrom übernehmen. St1 soll daraus jährlich 1 Million Kubikmeter synthetischen Kraftstoff für die Luftfahrtindustrie produzieren.

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