Rechtsbericht Singapur Wirtschaftsverwaltungsrecht
Spielraum für Innovationen in Singapurs Reallaboren
In Singapur bestehen in verschiedenen Bereichen sogenannte regulatory sandboxes zum Erproben von Innovationen - neuerdings insbesondere auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz.
18.03.2025
Von Julia Merle | Bonn
- Was versteht man unter einem Reallabor?
- Singapurs erstes Reallabor im Finanzbereich
- Wie stellt sich die Situation im Gesundheitswesen dar?
- Gibt es eine Sandbox, die sich mit Datenschutz beschäftigt?
- Welche Erfahrungen hat Singapur im Bereich KI gesammelt?
- Wie erprobt Singapur Innovationen im Energiebereich?
Was versteht man unter einem Reallabor?
Ein Reallabor (dazu auch: Webseite des BMWK) ist ein Testraum, der es Unternehmen ermöglicht, Innovationen zu testen - und zwar unter realistischen Bedingungen, aber mit räumlicher und zeitlicher Beschränkung. Da für viele Innovationen noch kein passender rechtlicher Rahmen existiert, erlauben in der Regel Experimentierklauseln eine flexible Nutzung vorhandener regulatorischer Spielräume. Man spricht daher auch von einer "regulatory sandbox". In Reallaboren sollen also auch Erkenntnisse für (noch zu schaffende) künftige Regelungen gewonnen werden.
Singapur hat in unterschiedlichen Bereichen bereits Erfahrungen mit Reallaboren gesammelt. Ausgewählte Beispiele werden nachfolgend beleuchtet.
Singapurs erstes Reallabor im Finanzbereich
Mittels Finanztechnologie und Innovationen will Singapur ein "Smart Financial Centre" als Teil der 2014 angestoßenen Smart Nation - Initiative werden. Für Experimente im Bereich FinTech gibt es daher seit 2016 die FinTech Regulatory Sandbox der Monetary Authority of Singapore (MAS; Finanzmarktregulierungsbehörde, Zentralbank). Die Sandbox ermöglicht insbesondere Finanzinstitutionen wie Banken das Testen innovativer, ansonsten von der MAS regulierter Finanzprodukte für einen gewissen Zeitraum in einer realen, kontrollierten Umgebung. Bezüglich Zielsetzung und Bewerbungsverfahren bestehen Guidelines der MAS. Für die festgelegte begrenzte Dauer der jeweils auf den Einzelfall angepassten Sandbox kann die MAS Unternehmen von bestimmten Regelungen ausnehmen.
Das Reallabor wurde 2019 zunächst um die für gewisse Bereiche mit geringeren Risiken (darunter Versicherungsvermittlung) vordefinierte Sandbox Express mit einer schnelleren Möglichkeit der Markterprobung innovativer Finanzdienstleistungen und -produkte ergänzt. Ab 2022 folgte die Sandbox Plus für eine effektivere One-Stop-Unterstützung.
Zudem setzte die MAS im Oktober 2024 das Global Finance & Technology Network auf. Dieses soll im Nachgang zu der Sandbox-Experimentierphase das FinTech-Ökosystem stärken, indem man etwa das Thema KI verstärkt in den Blick nimmt.
Wie stellt sich die Situation im Gesundheitswesen dar?
Das Ministry of Health (MOH) brachte 2018 das Licensing Experimentation and Adaptation Programme (LEAP) als Regulatory Sandbox in Bezug auf innovative Gesundheitsdienstleistungen heraus.
Im April 2018 wurde im Rahmen des LEAP eine Regulatory Sandbox für Telemedizin ins Leben gerufen, der sich Anbieter medizinischer Dienste, zum Beispiel Doctor Anywhere, anschlossen. So konnten sie in einem kontrollierten Raum ihre Dienstleistungen weiterentwickeln. Den beteiligten Akteuren sollte es – innerhalb seitens des MOH definierter Parameter bezüglich Sicherheit und Wohlergehen der Patienten – ermöglicht werden, innovative neuartige medizinische Dienstleistungen anzubieten. Im Februar 2021 endete die Sandbox, da man ein System der freiwilligen Auflistung von Telemedizindienstleistern geschaffen und die offizielle Lizenzierung solcher Anbieter schließlich nach dem Healthcare Services Act 2020 (HSA 2020) gesetzlich geregelt hat (dazu: Anhang 1 zu den lizenzierbaren Dienstleistungen; Definition "remote provision" in Sec. 2 Abs. 1 HSA 2020, hinzugefügt durch ein Änderungsgesetz 2023).
Eine aktuelle Sandbox des MOH, die Community Pharmacist Influenza Vaccination Sandbox, hat am 28. Oktober 2024 begonnen. Teilnehmende Apotheken sollen nach entsprechenden Schulungen ("Pharmacist Vaccinator") Erwachsenen ohne bestimmte Erkrankungen Grippeschutzimpfungen verabreichen dürfen. Ziel der Sandbox soll die Lizenzierung dieser Impfleistungen durch örtliche Apotheken nach dem HSA 2020 sein.
Gibt es eine Sandbox, die sich mit Datenschutz beschäftigt?
Die Infocomm Media Development Authority (IMDA) hat eine Data Regulatory Sandbox eingerichtet, die Unternehmen in ihren spezifischen, innovativen Anwendungsfällen unter anderem durch Prototypen von Richtlinien und Risikobewertungen bei der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen unterstützt. Ferner bietet die IMDA eine Privacy Enhancing Technology Sandbox (PET Sandbox) an. Dabei geht es etwa um die Entwicklung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs und mittlerweile auch um Datensammlung für generative KI. Unternehmen können darin ihre Anwendungsfälle gemeinsam mit Anbietern digitaler Lösungen pilotieren. In Zusammenarbeit mit Google hat die IMDA zum Beispiel die PET x Privacy Sandbox aufgesetzt.
Die Personal Data Protection Commission (PDPC) bietet im Einzelfall Sandboxes im Zusammenhang mit dem Austausch von Daten (Data Sharing Arrangements).
Welche Erfahrungen hat Singapur im Bereich KI gesammelt?
Ende Oktober 2023 richtete die IMDA mit der AI Verify Foundation die erste Generative AI Evaluation Sandbox zur Sicherstellung einer verantwortungsvollen und sicheren Handhabung generativer KI ein. Darin sollten die teilnehmenden Unternehmen im Hinblick auf einen gemeinsamen Bewertungsstandard Fähigkeiten zur Erprobung und Bewertung generativer KI-Modelle aufbauen. Im Mai 2024 wurde ein Model AI Governance Framework for Generative AI herausgegeben.
Die erste GenAI Sandbox für KMU verschiedener Branchen eröffnete die IMDA mit Enterprise Singapore Anfang Februar 2024. Sie betrifft die Erprobung unternehmerischer generativer KI-Lösungen in den Bereichen Marketing und Verkauf (etwa individualisierte Social-Media-Beiträge) sowie Interaktion mit Kunden (beispielsweise Chatbots) für einen Zeitraum von drei Monaten durch KMU in Singapur, die bestimmte Kriterien erfüllen. Durch die Sandbox sammelten über 150 KMU erste Erfahrungen mit KI-Lösungen.
Wie erprobt Singapur Innovationen im Energiebereich?
Die Energy Market Authority (EMA) stellt seit 2017 eine Regulatory Sandbox for Energy Sector Innovations zur Verfügung. Interessierte Unternehmen müssen unter anderem Technologien auf innovative Weise nutzen. Auch die Erforderlichkeit von Änderungen der bestehenden Regelungen ist im Bewerbungsprozess darzulegen. Seit dem Jahr 2019 existiert ein aktualisiertes Rahmenwerk.