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Rechtsbericht Welt Wirtschaftsverwaltungsrecht

Reallabore weltweit: Testräume für Innovation und Regulierung

Reallabore bieten eine Umgebung zur Erprobung innovativer Technologien und neuer Geschäftsmodelle. Staaten weltweit bedienen sich dieser Testräume.

Von Karl Martin Fischer, Julia Merle, Jan Sebisch

In diesen Testräumen haben Unternehmen und insbesondere Start-ups die Möglichkeit, neue Technologien und Geschäftsmodelle auszuprobieren - und das unter möglichst realen Bedingungen und mit behördlicher Begleitung.

Das nach eigenen Angaben erste Reallabor (regulatory sandbox) in Europa gab es im Vereinigten Königreich. Das Modell wird unter anderem ebenso genutzt in Australien, Singapur und den USA.

In Deutschland informiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz umfangreich zum Thema.

  • Reallabore in Australien: Experimentierfelder für Innovationen

    Australien will mit Reallaboren insbesondere Start-ups ermutigen, Innovationen zu erproben. Dabei spielt Künstliche Intelligenz (KI) eine entscheidende Rolle.

    Was sind Reallabore?

    Reallabore auch bekannt als „regulatory sandboxes“ sind kontrollierte Umgebungen, in denen Unternehmen unter behördlicher Aufsicht innovative Technologien und Geschäftsmodelle testen können, die im allgemeinen Rechtsrahmen an Grenzen oder auf offene Fragen stoßen. Dieses Konzept ermöglicht es praktische Erfahrungen zu sammeln und im frühen Stadium über die Chancen und Risiken einer Innovation zu lernen. Auf Basis der im Reallabor gewonnenen Erkenntnisse kann der Rechtsrahmen später gegebenenfalls entsprechend angepasst werden, um zum Beispiel eine Innovation zuzulassen.

    Welche Rolle spielen Reallabore in Australien?

    Die australische Regierung ist aktuell sehr bestrebt, dass australische Handelsumfeld zu modernisieren. Für die Förderung von Innovationen spielen in diesem Rahmen auch regulatory sandboxes eine entscheidende Rolle. Die australische Regierung ermutigt Start-ups aktiv, mit den Aufsichtsbehörden in Kontakt zu treten, und stellt Ressourcen und Anleitungen zur Verfügung, um regulatory sandboxes zu etablieren.

    Die Australian Securities and Investments Commission (ASIC) hat zum Beispiel im Jahr 2020 die Enhanced Regulatory Sandbox (ERS) ins Leben gerufen, um Finanzinnovationen in Australien zu erleichtern. Die ERS ermöglicht es Unternehmen, bestimmte innovative Finanzdienstleistungen (financial services) und Kreditgeschäfte (credit activities) zu testen, ohne zuvor eine australische Finanzdienstleistungslizenz oder Kreditlizenz einzuholen. Die Ausnahmen werden auf Grundlage der Corporations (FinTech Sandbox Australian Financial Services Licence Exemption) Regulations 2020 und/oder der National Consumer Credit Protection (FinTech Sandbox Australian Credit Licence Exemption) Regulations 2020 gewährt.

    Ferner hat unter anderem auch die Australian Competition & Consumer Commission (ACCC) die Consumer Data Right Sandbox eingeführt, um Unternehmen bei der Entwicklung und Erprobung von Lösungen zu unterstützen, die darauf abzielen, Verbraucherdaten zu nutzen.

    Mit welchen rechtlichen Herausforderungen sind Reallabore verbunden?

    Reallabore sind mit einigen rechtlichen Herausforderungen verbunden. Viele Reallabore erheben und verarbeiten eine Vielzahl personenbezogener Daten, zum Beispiel im Bereich des Gesundheitswesens. Hierbei müssen stets die einschlägigen Datenschutzgesetze berücksichtigt werden. Zur Erhebung und Nutzung von Daten kann unter anderem die Sicherstellung von Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Daten erforderlich sein. Ein weiteres zentrales Problem sind Genehmigungsverfahren, die zum Beispiel eingeholt werden müssen, wenn autonome Fahrzeuge in Städten im Straßenverkehr getestet werden sollen.

    Ferner können Haftungsfragen eine Herausforderung darstellen: Da in Reallaboren Technologien oder Prozesse getestet werden, die noch nicht marktreif sind, ist die Frage der Haftung für Schäden und Fehlkonstruktionen besonders relevant.

    Welche Rolle können Reallabore in der Zukunft spielen?

    Angesicht der globalen Herausforderungen wie zum Beispiel der Digitalisierung und der einhergehenden Entwicklung von KI-Systemen sind neue Lösungsansätze gefragt. Reallabore können dabei helfen, nachhaltige Innovationen in Zukunft praxisnah zu testen und schneller zur Marktreife zu bringen. Durch den direkten Austausch von Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern können regulatorische Hürden frühzeitig identifiziert und beseitigt werden. Reallabore werden in kommenden Jahren daher wahrscheinlich eine immer wichtigere Rolle für die Wirtschaft spielen, um das volle Potenzial von zukunftsträchtigen Innovationen zu fördern.

    Von Jan Sebisch | Bonn

  • Spielraum für Innovationen in Singapurs Reallaboren

    In Singapur bestehen in verschiedenen Bereichen sogenannte regulatory sandboxes zum Erproben von Innovationen - neuerdings insbesondere auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz.

    Was versteht man unter einem Reallabor? 

    Ein Reallabor (dazu auch: Webseite des BMWK) ist ein Testraum, der es Unternehmen ermöglicht, Innovationen zu testen - und zwar unter realistischen Bedingungen, aber mit räumlicher und zeitlicher Beschränkung. Da für viele Innovationen noch kein passender rechtlicher Rahmen existiert, erlauben in der Regel Experimentierklauseln eine flexible Nutzung vorhandener regulatorischer Spielräume. Man spricht daher auch von einer "regulatory sandbox". In Reallaboren sollen also auch Erkenntnisse für (noch zu schaffende) künftige Regelungen gewonnen werden.

    Singapur hat in unterschiedlichen Bereichen bereits Erfahrungen mit Reallaboren gesammelt. Ausgewählte Beispiele werden nachfolgend beleuchtet.

    Singapurs erstes Reallabor im Finanzbereich

    Mittels Finanztechnologie und Innovationen will Singapur ein "Smart Financial Centre" als Teil der 2014 angestoßenen Smart Nation - Initiative werden. Für Experimente im Bereich FinTech gibt es daher seit 2016 die FinTech Regulatory Sandbox der Monetary Authority of Singapore (MAS; Finanzmarktregulierungsbehörde, Zentralbank). Die Sandbox ermöglicht insbesondere Finanzinstitutionen wie Banken das Testen innovativer, ansonsten von der MAS regulierter Finanzprodukte für einen gewissen Zeitraum in einer realen, kontrollierten Umgebung. Bezüglich Zielsetzung und Bewerbungsverfahren bestehen Guidelines der MAS. Für die festgelegte begrenzte Dauer der jeweils auf den Einzelfall angepassten Sandbox kann die MAS Unternehmen von bestimmten Regelungen ausnehmen.

    Das Reallabor wurde 2019 zunächst um die für gewisse Bereiche mit geringeren Risiken (darunter Versicherungsvermittlung) vordefinierte Sandbox Express mit einer schnelleren Möglichkeit der Markterprobung innovativer Finanzdienstleistungen und -produkte ergänzt. Ab 2022 folgte die Sandbox Plus für eine effektivere One-Stop-Unterstützung.

    Zudem setzte die MAS im Oktober 2024 das Global Finance & Technology Network auf. Dieses soll im Nachgang zu der Sandbox-Experimentierphase das FinTech-Ökosystem stärken, indem man etwa das Thema KI verstärkt in den Blick nimmt.

    Wie stellt sich die Situation im Gesundheitswesen dar?

    Das Ministry of Health (MOH) brachte 2018 das Licensing Experimentation and Adaptation Programme (LEAP) als Regulatory Sandbox in Bezug auf innovative Gesundheitsdienstleistungen heraus.

    Im April 2018 wurde im Rahmen des LEAP eine Regulatory Sandbox für Telemedizin ins Leben gerufen, der sich Anbieter medizinischer Dienste, zum Beispiel Doctor Anywhere, anschlossen. So konnten sie in einem kontrollierten Raum ihre Dienstleistungen weiterentwickeln. Den beteiligten Akteuren sollte es innerhalb seitens des MOH definierter Parameter bezüglich Sicherheit und Wohlergehen der Patienten ermöglicht werden, innovative neuartige medizinische Dienstleistungen anzubieten. Im Februar 2021 endete die Sandbox, da man ein System der freiwilligen Auflistung von Telemedizindienstleistern geschaffen und die offizielle Lizenzierung solcher Anbieter schließlich nach dem Healthcare Services Act 2020 (HSA 2020) gesetzlich geregelt hat (dazu: Anhang 1 zu den lizenzierbaren Dienstleistungen; Definition "remote provision" in Sec. 2 Abs. 1 HSA 2020, hinzugefügt durch ein Änderungsgesetz 2023).

    Eine aktuelle Sandbox des MOH, die Community Pharmacist Influenza Vaccination Sandbox, hat am 28. Oktober 2024 begonnen. Teilnehmende Apotheken sollen nach entsprechenden Schulungen ("Pharmacist Vaccinator") Erwachsenen ohne bestimmte Erkrankungen Grippeschutzimpfungen verabreichen dürfen. Ziel der Sandbox soll die Lizenzierung dieser Impfleistungen durch örtliche Apotheken nach dem HSA 2020 sein.

    Gibt es eine Sandbox, die sich mit Datenschutz beschäftigt? 

    Die Infocomm Media Development Authority (IMDA) hat eine Data Regulatory Sandbox eingerichtet, die Unternehmen in ihren spezifischen, innovativen Anwendungsfällen unter anderem durch Prototypen von Richtlinien und Risikobewertungen bei der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen unterstützt. Ferner bietet die IMDA eine Privacy Enhancing Technology Sandbox (PET Sandbox) an. Dabei geht es etwa um die Entwicklung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs und mittlerweile auch um Datensammlung für generative KI. Unternehmen können darin ihre Anwendungsfälle gemeinsam mit Anbietern digitaler Lösungen pilotieren. In Zusammenarbeit mit Google hat die IMDA zum Beispiel die PET x Privacy Sandbox aufgesetzt.

    Die Personal Data Protection Commission (PDPC) bietet im Einzelfall Sandboxes im Zusammenhang mit dem Austausch von Daten (Data Sharing Arrangements).

    Welche Erfahrungen hat Singapur im Bereich KI gesammelt?

    Ende Oktober 2023 richtete die IMDA mit der AI Verify Foundation die erste Generative AI Evaluation Sandbox zur Sicherstellung einer verantwortungsvollen und sicheren Handhabung generativer KI ein. Darin sollten die teilnehmenden Unternehmen im Hinblick auf einen gemeinsamen Bewertungsstandard Fähigkeiten zur Erprobung und Bewertung generativer KI-Modelle aufbauen. Im Mai 2024 wurde ein Model AI Governance Framework for Generative AI herausgegeben.

    Die erste GenAI Sandbox für KMU verschiedener Branchen eröffnete die IMDA mit Enterprise Singapore Anfang Februar 2024. Sie betrifft die Erprobung unternehmerischer generativer KI-Lösungen in den Bereichen Marketing und Verkauf (etwa individualisierte Social-Media-Beiträge) sowie Interaktion mit Kunden (beispielsweise Chatbots) für einen Zeitraum von drei Monaten durch KMU in Singapur, die bestimmte Kriterien erfüllen. Durch die Sandbox sammelten über 150 KMU erste Erfahrungen mit KI-Lösungen.

    Wie erprobt Singapur Innovationen im Energiebereich?

    Die Energy Market Authority (EMA) stellt seit 2017 eine Regulatory Sandbox for Energy Sector Innovations zur Verfügung. Interessierte Unternehmen müssen unter anderem Technologien auf innovative Weise nutzen. Auch die Erforderlichkeit von Änderungen der bestehenden Regelungen ist im Bewerbungsprozess darzulegen. Seit dem Jahr 2019 existiert ein aktualisiertes Rahmenwerk.

    Von Julia Merle | Bonn

  • Reallabore in den Vereinigten Staaten von Amerika

    Reallabore haben sich in den USA als ein wertvolles Instrument zur Förderung von Innovationen etabliert und dienen der Überwindung starrer rechtlicher Rahmenbedingungen.

    Was sind Reallabore?

    Reallabore auch bekannt als „regulatory sandboxes“ sind kontrollierte Umgebungen, in denen Unternehmen unter behördlicher Aufsicht innovative Technologien und Geschäftsmodelle testen können, die im allgemeinen Rechtsrahmen an Grenzen oder auf offene Fragen stoßen. Dieses Konzept ermöglicht es praktische Erfahrungen zu sammeln und im frühen Stadium über die Chancen und Risiken einer Innovation zu lernen. Auf Basis der im Reallabor gewonnenen Erkenntnisse kann der Rechtsrahmen später gegebenenfalls entsprechend angepasst werden, um zum Beispiel eine Innovation zuzulassen.

    Wie weit sind Reallabore in den USA verbreitet?

    In den USA haben sich Reallabore auf Bundesebene sowie auf Ebene der einzelnen US-Bundesstaaten in diversen Bereichen etabliert, um die Kluft zwischen wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung zu überbrücken.

    Auf Bundesebene hat zum Beispiel das amerikanische Energieministerium (U.S. Department of Energy - DOE) das Grid Modernization Laboratory Consortium (GMLC) gegründet. Es handelt sich hierbei um eine strategische Partnerschaft zwischen dem DOE und den nationalen Laboratorien, um führende Expert:innen, Technologien und Ressourcen zusammenzubringen, die gemeinsam an der Modernisierung des nationalen Stromnetzes arbeiten. Zu den Vorteilen des GMLC gehören die effizientere Nutzung von Ressourcen, gemeinsame Netzwerke, die Verbesserung des Lernens und die Bewahrung von Wissen.

    Auf Ebene der US-Bundesstaaten sind regulatory sandboxes besonders im Finanzsektor weit verbreitet. Mehrere US-Bundesstaaten haben entsprechende Programme eingeführt, um FinTech-Unternehmen zu unterstützen. Beispielsweise hat der US-Bundesstaat Arizona durch die Verabschiedung der House Bill 2343 im Jahr 2018 das erste FinTech-Sandbox-Porgamm in den USA gestartet, gefolgt von US-Bundesstaaten wie Utah (Utah Office of Regulatory Relief) oder Wyoming (Financial Technology Sandbox). Diese Programme ermöglichen es Unternehmen, innovative Finanzprodukte und Dienstleistungen unter Aufsicht für einen begrenzten Zeitraum zu testen.

    Ein weiterer Bereich, in dem regulatory sandboxes in den USA Anwendung finden, ist die Künstliche Intelligenz (KI). Angesicht der rasanten Entwicklung von KI-Technologien bieten regulatory sandboxes die Möglichkeit, KI-Systeme in einer kontrollierten Umgebung zu erproben und verantwortungsvoll einen entsprechenden geeigneten Regulierungsrahmen zu erschaffen. Mit renommierten Institutionen, wie dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, ist zum Beispiel Massachusetts ein bedeutsamer US-Bundesstaat für KI-Forschung.

    Warum benötigen Unternehmen weniger Regularien?

    Die Innovationskraft von Unternehmen wird maßgeblich durch das regulatorische Umfeld beeinflusst. In den Vereinigten Staaten erlassen der Bundesgesetzgeber sowie die Gesetzgeber auf Ebene der einzelnen US-Bundesstaaten jährlich Tausende von Vorschriften. Allein der US Code of Federal Regulations enthält 50 Fachtitel, die einmal im Jahr gestaffelt aktualisiert werden. Diese Regulierungsdichte kann für Unternehmen hinderlich sein und Innovationsprozesse verlangsamen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen notwendiger Regulierung und unternehmerischer Freiheit ist essenziell, um Innovationen zu fördern.

    Reallabore sind in diesem Rahmen allerdings nicht als rechtsfreie Räume für innovative Unternehmen zu verstehen. Vielmehr bieten sie Unternehmen die Möglichkeit zu überprüfen, wie innovative Technologien im bestehenden regulatorischen Umfeld funktionieren und dem Gesetzgeber die Chance zu erkennen, ob und an welchen Stellen Regulierungsbedarf besteht.

    Mit welchen rechtlichen Herausforderungen sind Reallabore verbunden?

    Viele Reallabore erheben und verarbeiten eine Vielzahl personenbezogener Daten, zum Beispiel im Bereich des Gesundheitswesens. Hierbei müssen stets die einschlägigen Datenschutzgesetze berücksichtigt werden. Zur Erhebung und Nutzung von Daten kann unter anderem die Sicherstellung von Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Daten erforderlich sein. Ein weiters zentrales Problem sind Genehmigungsverfahren, die zum Beispiel eingeholt werden müssen, wenn autonome Fahrzeuge in Städten im Straßenverkehr getestet werden sollen.  

    Ferner können Haftungsfragen eine Herausforderung darstellen. Da in Reallaboren Technologien oder Prozesse getestet werden, die noch nicht marktreif sind, ist die Frage der Haftung für Schäden und Fehlkonstruktionen besonders relevant.

    Welche Rolle können Reallabore in der Zukunft in den USA spielen?

    Angesicht der globalen Herausforderungen wie zum Beispiel der Digitalisierung und der einhergehenden Entwicklung von KI-Systemen sind neue Lösungsansätze gefragt. Reallabore können dabei helfen, nachhaltige Innovationen in Zukunft praxisnah zu testen und schneller zur Marktreife zu bringen. Durch den direkten Austausch von Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern können regulatorische Hürden frühzeitig identifiziert und beseitig werden. Reallabore werden in kommenden Jahren daher wahrscheinlich eine immer wichtigere Rolle für die US-Wirtschaft spielen, um das volle Potenzial von zukunftsträchtigen Innovationen zu entfalten.

    Von Jan Sebisch | Bonn

  • Reallabore: Erfahrungen im Vereinigten Königreich

    Im Vereinigten Königreich (VK) gibt es schon seit 2016 Reallabore. Nach eigenen Angaben ist das VK damit das erste europäische Land, das dieses Instrument nutzt.

    Das erste Reallabor (regulatory sandbox) war dasjenige der Finanzaufsichtsbehörde FCA, danach folgte bei der Strom und Gas-Regulierungsbehörde Ofgem die Energy Regulation Sandbox. Beim staatlichen Gesundheitsdienst NHS gibt es seit kurzem das NHS AI Lab zur Erprobung der Nutzung von KI zum Beispiel bei der Diagnose mit Hilfe von Röntgenbildern, und bei der Food Standards Agency existiert seit Oktober 2024 sogar ein Reallabor für Fleisch aus dem Labor (Cell-cultivated Products Sandbox).  

    Was ist ein Reallabor?

    Unter einem Reallabor versteht man in der Regel einen begrenzten Testraum, in dem neue Produkte unter realen Bedingungen erprobt werden können. Dafür gibt es Ausnahmegenehmigungen und / oder Experimentierklauseln. Sie liefern wichtige Erkenntnisse, ob und wie der rechtliche Rahmen geschaffen oder weiterentwickelt werden muss.

    Typischerweise haben britische Reallabore im Wesentlichen zwei Mittel, für sich und das regulierte Unternehmen Erkenntnisse zu gewinnen: 

    • Anleitung sowie Dialog zu bestimmten Regulierungsthemen, und zwar durch regelmäßiges Feedback oder sogar direkten Zugang zu den Aufsichtsbehörden; 

    • Erprobung unter realistischen Bedingungen bei gleichzeitigen zeitweisen Abweichungen von bestimmten Vorschriften. 

    Allen Sandboxes gemeinsam ist, dass die zuständigen Regulierungsbehörden immer nur die von ihnen verantworteten Regulierungen zur Disposition haben. Sie haben keine Möglichkeit, über Gesetze, Rechtsverordnungen oder die Regulierungen anderer Regulierungsbehörden zu disponieren. 

    Ziel ist es, möglichst frühzeitig regulatorische Herausforderungen zu erkennen und einen klugen Umgang damit zu finden (regulatorisches Lernen).  

    Welche Erfahrungen mit Reallaboren gibt es?

    Zunächst einige Beispiele für Produkte, denen die FCA-Sandbox einen erheblichen Schub geben konnte: 

    • Krypto- und Blockchain: Die Bank “Revolut” hatte im Jahr 2017 Fragen zur Regulierung von Krypto-Transaktionen. Viele Banken blockierten solche Zahlungen. Revolut nutzte die FDA-Sandbox, um den Krypto-Handel sicher in seine Finanz-App zu integrieren. 

    • KI-gestützte Finanzberatung: Die App “Cleo” hatte 2018 Fragen zur Regulierung von Finanzberatung durch KI. Cleo testete ihre KI-Finanzberatung, die Budgets optimiert und Sparpotentiale aufzeigt. Nach den erfolgreichen Sandbox-Test durfte Cleo legal am Markt operieren. 

    • Versicherungen auf Abruf: Das Insure-Tech “Zego” entwickelt 2019 Versicherungen für flexible Arbeitsmodelle. Dazu gehört eine “pay-as-you-go"-Versicherung, die einzelne Fahrten minutengenau absichert. Nach erfolgreichem Test wurde Zego als erstes britisches InsureTech mit eigener Lizenz zugelassen. 

    Der erste FCA-Report, mit dem die Reallabore evaluiert wurden, stammt bereits aus dem Jahr 2017. Außerdem beschäftigt sich der Kalifa-Review aus dem Jahr 2021 mit Reallaboren. Die FCA geht davon aus, dass 

    • die Reallabore dazu beigetragen haben, dass Unternehmen innovative Lösungen entwickeln und schnell auf den Markt bringen konnten; 

    • die teilnehmenden Unternehmen bessere Finanzierungsmöglichkeiten finden konnten, weil sie Investoren weniger regulatorische Unsicherheit bieten konnten; 

    • durch die kontrollierte Testumgebung Risiken für den Verbraucherschutz frühzeitig erkannt und minimiert werden konnten; 

    • die Zusammenarbeit zwischen der FCA und regulierten Unternehmen zu einem besseren Verständnis für neue Technologien und Geschäftsmodelle führte. 

    Zu den Herausforderungen gehörte die Tatsache, dass der personelle und finanzielle Ressourcenbedarf erheblich ist. Außerdem ist ein Reallabor nicht dazu geeignet, regulatorische Fragen verbindlich zu klären. Schließlich kann es bei der Skalierung beziehungsweise der Integration der getesteten Lösungen in den regulären Markt zu Problemen kommen, die die Sandbox nicht antizipieren konnte. 

    Insgesamt ist die Resonanz jedoch positiv. So wurde die Verfügbarkeit der FCA-Sandbox gemäß den Vorschlägen des Kalifa-Berichts ausgedehnt. Sie war zuvor nur zu bestimmten Zeitslots (cohorts) verfügbar, jetzt ist sie es dauerhaft. Auch der Umstand, dass viele andere Behörden mittlerweile Sandboxes eingeführt haben, spricht für ein positives Fazit. 

    Von Karl Martin Fischer | Bonn

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