Rechtsbericht | Singapur | Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Primäre Rechtsgrundlage des singapurischen Arbeitsrechts ist der "Employment Act 1968" (EA). Darin werden wesentliche Arbeitsbedingungen geregelt.
21.09.2023
Von Julia Merle | Bonn
Vergütung: Laut Vereinbarung im individuellen Arbeitsvertrag. |
Mindestlohn: Kein gesetzlicher Mindestlohn; bei Reinigungs-, Sicherheits- und Gartendienstleistungen sowie Aufzuginstandhaltung für Staatsangehörige oder Personen mit unbefristetem Aufenthaltstitel bestimmte Mindestvorgaben. |
Arbeitsstunden pro Woche: Grundsätzlich maximal 44 Stunden pro Woche, acht Stunden pro Tag (Sec. 38 EA); zwölf Stunden bei Schichtarbeit oder schriftlichem Einverständnis des Arbeitnehmers (Sec. 40 EA). |
Zulässige Überstunden: Nach Sec. 38 EA grundsätzlich maximal 72 Stunden pro Monat zulässig (Überschreitung möglich mit Ausnahmegenehmigung, Sec. 41A EA), Vergütung mindestens eineinhalbfacher Stundenlohn. |
Bezahlte Feiertage: Elf. |
Bezahlte Urlaubstage: Sieben Tage ab dem 1. Jahr und ein weiterer Tag für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zu höchstens 14 Tagen (Sec. 88A EA). |
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): Nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber auf freiwilliger Basis oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung möglich. |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Ab einer Beschäftigungszeit von sechs Monaten bis zu 14 Tage pro Jahr, wenn Krankenhausaufenthalt nicht erforderlich, bei Krankenhausaufenthalt bis zu 60 Tage pro Jahr; bei Beschäftigungszeit zwischen drei und sechs Monaten pro rata zur Beschäftigungsdauer (Sec. 89 EA). |
Probezeit: Gesetzlich nicht festgelegt, aber vertragliche Vereinbarung möglich; drei bis sechs Monate üblich. |
Rechtsgrundlagen
Zu den wichtigsten Rechtsgrundlagen gehört der Employment Act 1968 (EA). Dieses Gesetz ist grundsätzlich auf lokale und ausländische Arbeitnehmer anwendbar. Ab 1. April 2019 wurde die Anwendbarkeit des EA auf alle Arbeitnehmer erweitert, auch Manager und leitende Angestellte mit einem monatlichen Grundeinkommen von über 4.500 Singapur-Dollar werden seitdem erfasst. Der die Arbeits- und Ruhezeiten betreffende Teil IV des EA findet allerdings weiterhin keine Anwendung auf Führungskräfte (Sec. 35 EA). Ausgenommen vom Anwendungsbereich des EA bleiben weiterhin Haushaltshilfen, Seeleute sowie Angestellte der Regierung und staatlicher Einrichtungen.
Bestimmungen bezüglich der Beschäftigung von ausländischen Angestellten finden sich darüber hinaus im Employment of Foreign Manpower Act 1990.
Außerdem relevant sind beispielsweise das Gesetz zu Ausgleichszahlungen im Fall von Arbeitsunfällen (Work Injury Compensation Act 2019) und das Gesetz zur Sicherheit am Arbeitsplatz (Workplace Safety and Health Act 2006).
Mit der Kontrolle der Einhaltung der Arbeitsgesetze ist das Ministry of Manpower betraut.
Der Central Provident Fund Act 1953 enthält Regelungen zur sozialen Sicherung, mithin zu den Beiträgen zum sogenannten "Central Provident Fund". Diese setzen sich aus einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmeranteil zusammen (siehe Anhang 1 des Gesetzes zu den aktuellen Raten). Der Central Provident Fund umfasst ausschließlich singapurische Staatsangehörige sowie Personen mit unbefristetem Aufenthaltstitel (Permanent Resident).
Der Industrial Relations Act 1960 regelt die Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das Gesetz sieht ein System zur Vorbeugung und Beilegung von Arbeitskonflikten durch Tarifverhandlungen, Schlichtungen, Schiedsverfahren sowie Mediation von Einzelstreitigkeiten vor. Der Trade Unions Act 1940 betrifft die Registrierung, Kontrolle und Rechte der Gewerkschaften. Im Trade Disputes Act 1941 ist unter anderem festgelegt, unter welchen Voraussetzungen Streiks und Aussperrungen möglich sind.
Neben den Gesetzen sind in Singapur auch Richterrecht und Common-Law-Grundsätze relevant.
Vertragsabschluss, Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
In Singapur besteht weitgehende Vertragsfreiheit bei der Regelung von Arbeitsverhältnissen, beschränkt durch die gesetzlichen Vorschriften.
Eine bestimmte Form für den Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht vorgeschrieben, sodass er auch mündlich abgeschlossen werden kann. In der Regel erfolgt der Vertragsschluss aber schriftlich. Arbeitsverhältnisse können befristet oder auf unbestimmte Zeit geschlossen werden.
Im Vertrag werden regelmäßig die Pflichten des Arbeitnehmers festgelegt. Arbeitnehmer haben eine Sorgfaltspflicht und sind unter anderem verpflichtet, den Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten. Der Arbeitgeber hat insbesondere für angemessene Arbeitsschutzmaßnahmen zu sorgen (Sec. 12 Workplace Safety and Health Act) und das vereinbarte Gehalt zu zahlen.
Der Regierung ist es erlaubt, Richtlinien für die Lohngestaltung aufzustellen. Dafür ist der National Wages Council (NWC) zuständig. Die Richtlinien dieses Lohnrates gelten sowohl für lokale als auch für ausländische Firmen; sie sind jedoch lediglich Empfehlungen und nicht gesetzlich bindend.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, allen dem EA unterfallenden Mitarbeitenden die sogenannten "Key Employment Terms" zu übermitteln, grundsätzlich binnen 14 Tagen nach Arbeitsbeginn (Sec. 95A EA). Dabei handelt es sich um die wesentlichen Vertragsbestandteile wie Angaben zu den Vertragsparteien, Hauptpflichten, Arbeitszeit, Gehalt, Urlaubsanspruch, Leistungen im Krankheitsfall sowie Fristen hinsichtlich Probezeit und Kündigung. Die Employment (Employment Records, Key Employment Terms and Pay Slips) Regulations 2016 enthalten ferner Regelungen zu Form und Inhalt der Gehaltsabrechnung.
Vertragsbeendigung
Gemäß Sec. 10 Abs. 5 EA muss die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses schriftlich erfolgen, eine Begründung ist nicht erforderlich. Falls im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich Kündigungsfristen geregelt werden, sieht der EA minimale Fristen vor, die in Abhängigkeit von der Beschäftigungsdauer einen Tag bis vier Wochen (bei über fünfjähriger Betriebszugehörigkeit) betragen (Sec. 10 Abs. 3 EA). Nach Sec. 10 Abs. 2 EA gelten für beide Parteien dieselben Kündigungsfristen.
Die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung besteht insbesondere bei schwerwiegenden Verletzungen des Arbeitsvertrages.
Arbeitnehmer können sich seit 1. April 2019 an die Employment Claims Tribunals wenden, wenn sie der Meinung sind, zu Unrecht entlassen worden zu sein. Sie haben ihre Ansprüche wegen unrechtmäßiger Entlassung allerdings vorher bei der Tripartite Alliance for Dispute Management (TADM) zur Mediation anzumelden. Außerdem steht ihnen der Rechtsweg über die ordentlichen Gerichte offen.
Abfindungszahlungen sind nicht gesetzlich vorgeschrieben. Sie können nur beansprucht werden, wenn sie entweder ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart sind oder der Arbeitgeber sie implizit anerkannt hat beziehungsweise die vorhergehende Praxis eine berechtigte Erwartung entstehen ließ, vergleichbar mit der "betrieblichen Übung".