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Chemische Industrie treibt ihre Energiewende voran
Nachhaltigkeit gewinnt in verschiedenen Facetten an Bedeutung für die spanische Chemieindustrie. Jährlich investieren die Unternehmen etwa 1,7 Milliarden Euro in die Forschung.
21.12.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Markttrends
Die Chemieindustrie zählt zu den größten Wirtschaftszweigen in Spanien. Ein aktueller Trend in der Branche ist der Ausbau des Recyclings chemischer Erzeugnisse. Bislang passiert in diesem Bereich wenig, die Aktivitäten nehmen jedoch zu. Allein bis 2025 sorgen fünf Projekte von Repsol, Plastic Energy und Sacyr für mehr als 465.000 Tonnen zusätzliche Recyclingkapazitäten.
Auch die Dekarbonisierung sowie die Herstellung und der Einsatz von grünem Wasserstoff sind wichtige Themen. Die Chemiebranche kann ihre Emissionen wesentlich senken, indem sie in der Produktion mehr erneuerbare Energien einsetzt und in Raffinerien den grauen durch grünen Wasserstoff ersetzt.
Unterstützung für viele Nachhaltigkeitsaktivitäten kommt von der Zentralregierung und der EU. Ein Strategieplan der spanischen Regierung dreht sich um die Kreislaufwirtschaft. In diesem sind 492 Millionen Euro Fördermittel vorgesehen. Diese sollen private Investitionen anstoßen und insgesamt eine Wirkung von rund 1,2 Milliarden Euro bis 2026 entfalten. Kunststoff ist dabei als Sektorschwerpunkt gesetzt.
Ein weiterer Strategieplan umfasst erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff. Der Förderbereich Wasserstoff enthält öffentliche Mittel im Wert von 1,5 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2030 will Spanien 4 Gigawatt Produktionskapazität für grünen Wasserstoff aufbauen. Dieser Energieträger soll den Wandel auch in der Chemieindustrie vorantreiben.
Der Wasserstoffplan dürfte einige Vorhaben anschieben. Insgesamt ist jedoch noch mit wesentlich mehr Dynamik durch Investitionen weiterer Unternehmen zu rechnen. Branchenkenner halten eine Gesamtkapazität von 13 bis 17 Gigawatt bis 2030 für erreichbar. Ein Hindernis auf diesem Weg bildet jedoch der Preis. Noch ist grüner Wasserstoff etwa vier bis fünf Mal so teuer wie die graue Variante auf der Basis von Gas.
Produktionskapazitäten für alternative Kraftstoffe entstehen in Spanien
Die chemische Industrie kann, über eigene Prozesse und die eigene Energieversorgung hinaus, Impulse zur Dekarbonisierung weiterer Wirtschaftszweige geben. Besonders deutlich wird das bei alternativen Kraftstoffen. Fluglinien und Reedereien suchen nach Wegen zur Emissionsreduzierung. Außerdem rücken Alternativen zum Diesel für nicht elektrifizierte Bahnstrecken in den Blickpunkt.
Glanzstück ist das im Herbst 2022 angekündigte Projekt der dänischen Reederei Maersk mit einer Investitionssumme von 10 Milliarden Euro. Nachdem die Suche nach Lieferanten für alternativen Schiffsdiesel gescheitert war, entschied sich Maersk für den Aufbau einer eigenen kompletten Wertschöpfungskette in Spanien. Mittels Biomasse und Elektrolyse sollen nach der Fertigstellung 2 Millionen Tonnen Methanol im Jahr hergestellt werden.
Die Petrochemiekonzerne Repsol und Cepsa wirken bei der Produktion von Biokerosin für Flugzeuge mit. Dafür haben Repsol mit Iberia und Cepsa mit Etihad Partnerschaften vereinbart. So haben die Hersteller Planungssicherheit für ihre Investitionen und die Fluggesellschaften können ihre Emissionen reduzieren.
Unter anderem durch die Herstellung von alternativen Kraftstoffen kommt die Verwertung von Biomasse in Schwung. Durch die Land- und Forstwirtschaft sowie Viehzucht und Lebensmittelabfälle summiert sich ein hohes Potenzial auf. Seit Anfang 2023 kündigen lokale Unternehmen Biogasprojekte an und internationale Investoren beginnen, sich für den Sektor zu interessieren.
Branchenverband erwartet 2024 höhere Produktion und mehr Umsatz
Beim Fachverband Feique herrscht mit Blick auf 2024 mehr Optimismus als zuvor. Trotz einiger Unsicherheiten geht Feique davon aus, dass die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen zunehmen wird. Für die Produktion wird ein Plus von 1,2 Prozent erwartet. Beim Umsatz soll die Steigerung sogar 2,4 Prozent betragen. Damit wäre eine Trendwende zum Positiven eingeleitet.
Zuvor wirkten sich die Preise für Strom, Gas und Rohstoffe sehr negativ auf die Geschäftsentwicklung aus. Vor allem die besonders energieintensive Basischemie brach unter diesen Rahmenbedingungen ein.
Jahr | Umsatz in Mio. Euro | Veränderung in % |
---|---|---|
2020 | 64.519 | -2,9 |
2021 | 77.241 | 19,7 |
2022 | 89.866 | 16,3 |
2023 *) | 83.799 | -6,8 |
2024 *) | 85.820 | 2,4 |
Grüner Wasserstoff und alternative Kraftstoffe im Fokus der Investitionen
Der Schwerpunkt der aktuellen Investitionen liegt eindeutig im Bereich Wasserstoffderivate. Die chemische Industrie nutzt damit die lokalen Ressourcen und positioniert sich als Lieferant für eine ganze Reihe von Produkten.
Akteur/Projekt | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
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Anlagen für Biokraftstoffe in den Regionen Andalusien und Galicien/Maersk | 10.000 | In der Planung | Die Großreederei Maersk plant den Aufbau von zwei Anlagen in Spanien zur Produktion nachhaltiger Schiffskraftstoffe (Methanol und vermutlich Ammoniak). Die Standorte sind noch nicht entschieden. Bis 2030 soll die jährliche Produktionskapazität 2 Mio. Tonnen Biokraftstoffe betragen. Damit sollen 10 Prozent des internationalen Gesamtbedarfs von Maersk gedeckt werden. |
Valle Andaluz del Hidrógeno Verde. Wasserstoffanlagen in Palos de la Frontera und San Roque/Cepsa | 3.000 | In der Planung; Inbetriebnahme der Anlage in Huelva soll 2026 und in Cadiz 2027 stattfinden.
| Der Erdölkonzern Cepsa plant in Andalusien das bisher größte Vorhaben zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in Europa. Geplante Produktionskapazität 300.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr für den Export von grünem Methanol und Ammoniak. |
Fabrik für Düngemittel/ FertigHy (RIC Energy, EIT InnoEnergy, MAIRE, Siemens Financial Services, InVivo und Heineken) | 1.700 | In der Planung. Standortentscheidung Ende 2023; vorgesehener Baubeginn 2025 | Das Unternehmenskonsortium plant den Aufbau seiner ersten Fabrik mit einer jährlichen Produktion von 1 Mio. metrischen Tonnen Düngemittel mit niedrigem Kohlenstoffgehalt. Sie soll als Modell für weitere Fabriken in anderen europäischen Ländern dienen. |
Fabrik für Ammoniak nahe Castellón/Ignis | 1.400 | In der Planung. Die Bauzeit soll 3 Jahre betragen. | Das grüne Ammoniak soll primär als Schiffskraftstoff benutzt werden und für die Düngemittelindustrie exportiert werden. Ein Antrag bei der Autonomen Gemeinschaft Valencia wurde gestellt, um als strategisches Projekt (PTE) eingestuft zu werden. |
Biokraftstoffanlage in Huelva, Andalusien/Cepsa und Bio-Oils | 1.000 | In der Planung | Die Anlage zur Erzeugung von erneuerbarem Diesel und nachhaltigen Kraftstoffen für die Luftfahrt soll bei der Raffinerie von Cepsa in Palos de la Frontera gebaut werden. |
Forschungszentrum für Gesundheit/ AstraZeneca | 800 | 5 Jahre Implementierungszeit | Das Zentrum soll als Hub für Innovation des Unternehmens in ganz Europa dienen. Der Standort wird bei Biopharma Alexia sein. |
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Der Fachverband Feique schätzt, dass für 96 Prozent der Fertigung im Land Produkte aus der Chemiebranche erforderlich sind. Die höchsten Umsätze generieren dabei chemische Grundstoffe und Kunststoffe in Primärformen sowie Arzneimittel.
Rund 3.100 Unternehmen stellen chemische Erzeugnisse her. Unter den größten befinden sich die deutschen DAX-Konzerne BASF, Bayer und Henkel. Der Cluster ChemMed Tarragona stellt den landesweit wichtigsten Branchenschwerpunkt dar und macht Katalonien zur relevantesten Chemieregion in Spanien.
Die Verflechtung mit Chemieunternehmen in anderen europäischen Ländern ist eng. Hier sind vor allem Deutschland, Frankreich, Belgien und Italien zu nennen.
Diese Vernetzung zeigt sich auch in der Bedeutung des Exports: 74 Prozent der Umsätze stammen aus dem Auslandsgeschäft. Der Anteil ist seit 2021 noch einmal deutlich gestiegen. Die chemische Industrie hat damit die Kfz-Branche bei den wertmäßig höchsten Ausfuhren überholt.
Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, fließen hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung. Der Fachverband Feique beziffert sie auf circa 1,7 Milliarden Euro pro Jahr.
Importe legen seit der Coronakrise wieder kräftig zu
Mit der Belebung der spanischen Wirtschaft ab 2021 zogen auch die Importe chemischer Erzeugnisse stark an. Die Lieferungen aus Deutschland blieben dabei stabil. Sie schafften es jedoch nicht, an der Wachstumsdynamik teilzuhaben.