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Branchen | Spanien | Architekturdienstleistungen

Kunden und Regulierung legen Akzent auf nachhaltige Architektur

Von der vielfältigen Bau- und Sanierungstätigkeit in Spanien profitieren auch Architekturbüros. Spezialisierung und Fingerspitzengefühl können deutschen Anbietern helfen. 

Von Oliver Idem | Bonn

Die anhaltend positive Entwicklung der Bauwirtschaft in Spanien belebt auch den Bedarf an nachhaltigen Architekturdienstleistungen. Treiber dafür sind vor allem der gehobene Neubau und zukunftsgerichtete Städtebauvorhaben wie Madrid Nuevo Norte. Deutsche Auftraggeber in Spanien arbeiten zudem gerne mit deutschen Architekturbüros zusammen. Strengere Vorschriften seitens der EU und der spanischen Regierung für die Energieeffizienz von Gebäuden und ressourcenschonendes Bauen sorgen für mehr Bedarf an nachhaltigen Konzepten.

Ein Indikator für die Bedeutung nachhaltigen Bauens in Spanien sind entsprechende Zertifizierungen. Zahlen des US Green Building Council zufolge gehört Spanien zu den führenden Ländern bei LEED-Zertifizierungen von Gebäuden (Leadership in Energy and Environmental Design). Mit 169 zertifizierten Vorhaben lag das Land 2023 auf Platz 7 weltweit. Diese Projekte entsprachen insgesamt rund 2 Millionen Quadratmeter Baufläche. 

Der Wachstumskurs der gesamten Baubranche zieht auch den Architekturbedarf nach oben. Im Jahr 2024 erreichte die Bauproduktion in Spanien 138 Milliarden Euro und die Tendenz bleibt weiter positiv. Die EU-Kommission rechnet für 2025 mit einer Zunahme der Bauinvestitionen um real 2,6 Prozent. Der Bericht des Baunetzwerkes Euroconstruct von Dezember 2024 sieht Spanien bis 2027 als einen der drei wachstumsstärksten Märkte in Europa.

Neben dem Neubau existieren auch im Gebäudebestand Treiber für Investitionen in mehr Nachhaltigkeit. Der Fachverband Andimac kalkuliert, dass in zehn Jahren 83 Prozent der Wohnungen in Spanien die Mindeststandards für Energieeffizienz verfehlen werden. Deswegen ist mit zahlreichen Sanierungen für einen nachhaltigeren Umgang mit Energie zu rechnen. Daneben sind Barrierefreiheit und Sicherheit Gründe, aus denen Bestandsgebäude modernisiert werden. 

Nachhaltiges Leuchtturmprojekt Madrid Nuevo Norte

Im nachhaltigen Gebäudebau kristallisiert sich Madrid Nuevo Norte als Vorzeigeprojekt heraus. Mit einem Investitionsvolumen von über 25 Milliarden Euro bis 2045 ist das Projekt eines der größten Bauvorhaben in ganz Europa.

Madrid Nuevo Norte sticht mit einer besonderen Offenheit für internationale Lösungen heraus. Während ansonsten spanische Unternehmen die Baubranche dominieren, sind im Innovationslabor INNOLAB auch ausländische Impulse erwünscht. Im INNOLAB können sich Unternehmen mit nachhaltigen und innovativen Lösungen für den Städtebau registrieren. Da Madrid Nuevo Norte auf eine Gesamtdauer von etwa 20 Jahren angelegt ist, sollen auf diese Weise durchgängig moderne Impulse in die Arbeiten einbezogen werden. 

In dem Baugebiet sind Wohn- und Geschäftszonen, ein ausgedehntes Nahverkehrsnetz, erneuerbare Energien und ein nahezu vollständiges Recycling von etwa 800.000 Tonnen Bauabfällen vorgesehen. Während Nachhaltigkeit ansonsten im gehobenen Segment eine große Rolle spielt, sind bei Madrid Nuevo Norte auch rund 2.000 Sozialwohnungen mit nachhaltiger Bauweise geplant. 

Hotellerie und Tourismus sind zunehmend Kunden nachhaltiger Architekturdienstleistungen

Der Hotelsektor in Spanien spürt die deutliche Erholung des Tourismus seit 2022, die frisches Geld in die Kassen spült. Der Trend geht zu höherwertigen Unterkünften. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit spielen bei neuen Gebäuden eine wachsende Rolle. 

Spaniens Attraktivität als Urlaubsland sorgt auch für stetige Auslandsnachfrage nach Ferienwohnungen, Zweitwohnsitzen und Villen. Die spanische Bank CaixaBank Research berichtete, dass von Mitte 2023 bis Mitte 2024 knapp 88.000 Immobilienkäufe auf nicht-spanische Kunden entfielen. Das entsprach 15 Prozent der gesamten Transaktionen in Spanien. Die Auslandsnachfrage nach Wohnungen und Häusern nahm fast doppelt so schnell zu wie die inländische. 

Die große Immobiliennachfrage auch aus Deutschland kann für deutsche Architekturbüros einen Anknüpfungspunkt bilden. So waren 2023 allein 177.000 Deutsche in Spanien fest gemeldet. Hinzu kommen weitere Personen, die sich nur zeitweise in Spanien aufhalten.

Der Architekt Holger Sulitze spricht im Interview mit Germany Trade & Invest (GTAI) über Besonderheiten des spanischen Marktes und einige Unterschiede zu Deutschland:

09.04.2025 Interview | Spanien | Architektur
"Es herrscht eine geringe Transparenz hinsichtlich der Honorare"

Holger Sulitze spricht über den spanischen Architekturmarkt. Der Gründer von Sulitze Muñoz Arquitectos verfügt über Erfahrungen in Spanien, Deutschland und weiteren Ländern.

Baubranche wird durch lokale Anbieter dominiert

Die spanische Baubranche befindet sich fest in der Hand einheimischer Unternehmen. Zudem existiert eine Vielzahl von Architekturbüros, bei denen ebenfalls inländische Anbieter dominieren. Der europäische Architekturdachverband ACE spricht von 50.000 Personen in Architekturberufen in Spanien. Diese stammten 2022 zu 98 Prozent aus dem Land selbst.

Das mit Abstand wichtigste Arbeitsfeld bildet der private Wohnungsbau. Sowohl der Neubau als auch die Umgestaltung bestehender Gebäude kommen sehr häufig vor.

Hinsichtlich der Gestaltung sind an architektonischen Leistungen insbesondere die detaillierte Planung und das Konzeptdesign vorherrschend. Diese standen 2022 laut ACE für zwei Drittel der Dienstleistungen.

Großprojekte werden in Spanien häufig durch routinierte Generalunternehmen durchgeführt. Bei ihnen steht zumeist eine effiziente Organisation im Mittelpunkt. Die architektonische Gestaltung bilden in diesen Fällen nur einen Aspekt unter vielen in einem Gesamtgefüge.

Einen ausführlichen Überblick über die Baubranche sowie nachhaltiges Bauen in Spanien bietet die Branche kompakt Bauwirtschaft.

Spezialisierung hilft, sich von der Konkurrenz abzusetzen

Da vielfach lokale Anbieter das Massengeschäft in der Architekturbranche abdecken, spielt die Spezialisierung und Erfahrung eine wichtige Rolle. Besondere Chancen bieten der gehobene Neubau und die anspruchsvolle Sanierung von Gebäuden. Hier lassen sich viele Kunden Nachhaltigkeit, Sicherheit und Komfort etwas kosten. 

Bei Vorhaben deutscher Institutionen in Spanien müssen teilweise technische Anforderungen beider Länder unter einen Hut gebracht werden. Ein solches Projekt mit deutscher Beteiligung ist die deutsche Schule in Madrid, gestaltet durch das Architekturbüro Grüntuch Ernst. Sulitze Muñoz Arquitectos arbeitete unter anderem an der Residenz der deutschen Botschaft in Madrid und den Büroräumen der Deutschen Handelskammer für Spanien (AHK Spanien).

Weitere Anbieter mit Deutschlandbezug sind in Spanien aktiv. Wortmann Architects aus Barcelona hat den Schwerpunkt auf Hotels gelegt. Dressler & Partner aus Palma de Mallorca fungiert als Architektur-, Bau- und Immobilienanbieter.

Manche Büros planen mit spanischen oder spanischsprachigen Kräften von Deutschland aus. Hinzu kommen dann oft lokale Partner am Standort des Bauprojekts für die Umsetzung von Details.

Das örtliche Wissen um den Planungs- und Bauablauf kann äußerst wertvoll sein. So existieren anspruchsvolle Anforderungen zum Beispiel hinsichtlich Haustechnik und Brandschutz. Auch die Inbetriebnahme stellt einen beträchtlichen Aufwand dar. Bei Prüfungen, Bewertungen und Genehmigungen in Spanien spielen zwei Instanzen wichtige Rollen. Das sind die zuständigen Behörden und die Architektenkammern.

Zu Aktivitäten und Vorgehensweisen deutscher Architekturbüros im Ausland veröffentlichte GTAI im Dezember 2024 den Podcast Architekturexport in der Reihe "Weltmarkt".

Wege zu Aufträgen führen oft über Ausschreibungen

Zumeist sind es Ausschreibungen oder Wettbewerbe, über die Architekturbüros in Spanien an Aufträge gelangen. Tendenziell sind die Inhalte dabei allgemeiner gehalten als in Deutschland und es werden weniger Details im Vorfeld vorgegeben.

Öffentliche Ausschreibungen fokussieren sich in Spanien stärker auf den Preis als auf Nachhaltigkeit. Durch EU-Vorgaben und die spanische Gesetzgebung dürfte sich das in Zukunft ändern. So zielt die EU-Richtlinie 2023/1791 darauf ab, den Endenergieverbrauch bis 2030 um mindestens 11,7 Prozent unter die früheren Verbrauchsprognosen für 2030 aus dem Jahr 2020 zu drücken.

Durch den Fokus des spanischen Aufbau- und Resilienzplans auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung entstehen auch Impulse für den Bau und die Umgestaltung von Gebäuden. Der Fachverband Andimac rügt aber, dass eine schleppende Umsetzung den Abruf von Fördermitteln gefährden kann.

Die Kreislaufwirtschaftsstrategie España Circular 2030 zielt auf eine bessere Verwertung von Bauabfällen und Bauschutt ab. Insbesondere soll effizienter und ressourcenoptimierter gebaut und die Behandlung von Abfällen verbessert werden.

Registrierung bei der Architektenkammer ist erforderlich

Das Netzwerk Architekturexport (NAX) weist darauf hin, dass die Registrierung bei einer Architekturkammer notwendig ist, um den Beruf in Spanien legal auszuüben. Eine deutsche Berufshaftpflichtversicherung schließt Spanien üblicherweise ein, was jedoch überprüft werden sollte. Beim Bau von Wohngebäuden und umfangreichen Sanierungen in Spanien können längerfristige Haftungsregeln gelten, für die eine eigene Versicherung wichtig ist.

Werden Mitarbeiter aus Deutschland nach Spanien entsandt, sind eine Reihe von Vorgaben zu beachten. Zur Orientierung hat der Bereich Ausländisches Wirtschaftsrecht der GTAI eine Checkliste für Entsendungen nach Spanien erarbeitet.

Große Gegensätze bei den Honoraren in Spanien

Mangels einer Honorarordnung und lokaler Statistiken herrscht eine geringe Transparenz darüber, wie Architekturbüros in Spanien genau vergütet werden. Die Gegensätze zwischen etablierten Anbietern und über den Preis konkurrierenden kleineren Büros sind groß.

Anhaltspunkte liefert der europäische Dachverband ACE, der das Mediangehalt in der Architektur in Spanien für 2022 mit 29.211 Euro im Jahr angibt. Im unteren Viertel liegt der Wert bei lediglich 15.560 Euro und im oberen Viertel bei 49.689 Euro.

Einflussfaktoren für die Vergütung sind unter anderem die Größe und Komplexität des Projekts und der Ort der Umsetzung. Spezialwissen kann sich in Spanien in Bereichen wie Nachhaltigkeit, Innendesign oder der Restaurierung historischer Gebäude bezahlt machen. Gleiches gilt für Digitalisierungsfertigkeiten im parametrischen Design oder zum Building Information Modeling (BIM), das digitale Abbildungen des Baus und Betriebs von Gebäuden ermöglicht. Bei öffentlichen Auftraggebern in Spanien hält das BIM schrittweise Einzug. Im April 2024 begann die erste Stufe für Vorhaben mit einem Vertragswert von 5,538 Millionen Euro oder mehr.

Regionale Unterschiede können sich auf verschiedene Weisen zeigen

Die geschäftlichen Rahmenbedingungen in Spanien sind für Neulinge schwer zu durchblicken. Manchmal herrscht ein hohes Maß an Flexibilität und Improvisationsfähigkeit. An anderer Stelle werden strenge Vorschriften zeitaufwendig und selbstbewusst durchgesetzt. Darum ist es hilfreich, entweder selbst mit der Materie vertraut zu sein oder mit erfahrenen Partnern zusammenzuarbeiten.

Zu den Besonderheiten gehören die drei Verwaltungsebenen Zentralstaat, Autonome Gemeinschaft und Gemeinde. So kommt es vor, dass die Verwaltungen in verschiedenen Orten für die gleichen Genehmigungen unterschiedliche Unterlagen anfordern. Bearbeitungszeiten variieren ebenfalls je nach Behörde. Zudem können besondere Regeln gelten, etwa dass im Sommer in Feriengebieten über Monate hinweg geräuschintensive Bauarbeiten verboten sind. 

Regionale Unterschiede in Spanien machen sich unter anderem bei Ansprüchen an Qualität und Genauigkeit bemerkbar. So unterscheiden sich die klimatischen Bedingungen, die Kaufkraft und die Erwartungen von Auftraggebern in den 17 Autonomen Gemeinschaften teils erheblich.

Insgesamt ist Fingerspitzengefühl in mehrfacher Hinsicht wichtig: Einmal in Form von notwendiger Anpassungsfähigkeit an die Bedingungen vor Ort, aber dennoch mit einer verbindlichen Art der Kommunikation. Hier gilt es, den richtigen Ton zu treffen.

Kontaktadressen
BezeichnungAnmerkungen
AHK SpanienAnlaufstelle für deutsche Unternehmen
Architects' Council of EuropeEuropäischer Architekturdachverband
Asociación de Empresas Constructoras y Concesionarias de InfraestructurasSpanischer Verband von großen Bauunternehmen und Konzessionären
Asociación Nacional de Distribuidores de Cerámica y Materiales de ConstrucciónSpanischer Verband für Baumaterialien
Consejo Superior de los Colegios de Arquitectos de EspañaDachverband der spanischen Architekturverbände
Netzwerk ArchitekturexportAußenwirtschaftsinitiative der Bundesarchitektenkammer

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