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Finanzielle Hilfe für Sri Lanka in Sicht
Das Land hat sich mit Experten des Internationalen Währungsfonds grundsätzlich auf ein Hilfspaket geeinigt. Dennoch wird weiter verhandelt. Harte Reformen sind unvermeidlich.
16.09.2022
Von Florian Wenke | Mumbai
Sri Lanka steckt in einer schweren Wirtschaftskrise und kann seine Schulden nicht mehr bedienen. Jetzt haben die Regierung des Landes und Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Einigung (Staff-Level-Agreement) zu einem Hilfspaket erreicht. Vorausgegangen waren mehrere Monate des Ringens um eine Verständigung. Nun keimt Hoffnung auf einen baldigen Fluss der Gelder. Allerdings muss sich die Inselnation dafür auch mit den Gläubigern einigen und Bedingungen des IWF erfüllen.
Internationaler Währungsfonds fordert Reformen ein
Durch eine erweiterte Fondsfazilität im Umfang von 2,9 Milliarden US-Dollar (US$) plant der IWF, das Eiland über einen Zeitraum von 48 Monaten zu unterstützen. Im Gegenzug erwartet die IWF-Zentrale in Washington Reformen. Details stehen noch aus, allerdings gibt eine Pressemeldung erste Hinweise. Die Experten des IWF fordern, dass die Staatseinnahmen erhöht werden. So soll die dringend notwendige fiskalische Konsolidierung vorangebracht werden. Die Basis für die Unternehmens- und die Mehrwertsteuer soll verbreitert und progressiver gestaltet werden. Ziel ist ein Primärüberschuss in Höhe von 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bis zum Jahr 2025.
Gleichzeitig sollen die Preise für Benzin und Strom kostendeckend gestaltet werden. Damit erhofft sich der IWF eine Minimierung der Verluste staatseigener Versorgungsunternehmen. Hinzu kommt die Forderung nach mehr Unabhängigkeit für die Zentralbank (Central Bank of Sri Lanka; CBSL). Dies verbindet der Währungsfonds mit dem Hinweis, dass die Geldpolitik wieder mehr anhand von Daten anstatt politischer Maßgaben gestaltet werden soll. Zudem soll der Wechselkurs der Sri-Lanka-Rupie frei am Markt bestimmt und die versiegten Devisenreserven neu aufgebaut werden. Außerdem fordern die Experten eine neue Bankengesetzgebung, um die lokalen Geldinstitute ausreichend zu kapitalisieren und die Finanzmarktstabilität zu steigern.
Die Fachleute rufen auch zur Bekämpfung der Korruption im Land auf. Gleichzeitig sind sie sich der Notlage besonders armer Menschen bewusst. Explizit erwähnt der IWF, dass die Auswirkungen der derzeitigen Krise für diese Bevölkerungsgruppe durch höhere Sozialausgaben gemindert werden sollen.
Die Einigung sorgt zwar für Licht am Ende des Tunnels, allerdings stehen dem Land weitere Verhandlungen bevor. In einem nächsten Schritt geht es um eine Neuordnung der Schulden. Hier müssen unter anderem Kompromisse mit großen Geldgebern wie Japan, Indien und China erzielt werden.
Insbesondere die Verhandlungen mit China gelten als schwierig, weil Peking sowohl über bilaterale Kreditlinien als auch über kommerzielle Banken in Sri Lanka engagiert ist. Zudem hatte das Reich der Mitte bisher nur vergleichsweise geringe Kooperationsbereitschaft gezeigt. Der IWF macht diese Einigungen aber zur Bedingung für seine Hilfe. Hinzu kommt, dass die geforderten Reformen umgesetzt werden müssen. Damit stehen Sri Lanka harte Jahre bevor.
Dennoch sagte die Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Sri Lanka, Marie Antonia von Schönburg: "Auch wenn noch viele Hürden zu überwinden sind, bis die 2,9-Milliarden-US$-Rettungsleine des IWF gezogen werden kann, ist seit Verkündigung des Staff-Level-Agreements ein verhaltener Optimismus in der Wirtschaft zu spüren. Vor allem die Hoffnung auf eine Aufhebung protektionistischer Einfuhrbeschränkungen führt zu einem positiveren Ausblick für 2023."
Interimshaushalt antizipiert Reformen
Im Zuge der Einigung mit dem IWF stellte Sri Lankas Präsident, Ranil Wickremesinghe, einen Übergangshaushalt im Parlament vor. Darin wurde beispielsweise die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 12 auf 15 Prozent zum 1. September 2022 verkündet. Ferner möchte er die Unabhängigkeit der CBSL stärken und die Effizienz des Steuersystems erhöhen. Im Allgemeinen wird das Interimsbudget als ein Entgegenkommen gegenüber dem IWF gewertet.
Zusätzlich definiert der Interimshaushalt gesamtwirtschaftliche Eckdaten und Ziele. Das Fiskaldefizit für 2022 etwa soll auf 9,8 Prozent des BIP sinken. Die Experten der Ratingagentur Fitch halten viele dieser Annahmen für zu optimistisch und glauben nicht, dass die Ziele erreicht werden. Dies begründen die Analysten insbesondere damit, dass sie für 2022 ein Schrumpfen des BIP von 9,8 Prozent im Vergleich zu 2021 erwarten.
Indikator | 2021 | Zielwert 2022 |
---|---|---|
Einnahmen | 8,2 | 8,7 |
Ausgaben | 19,9 | 18,6 |
Fiskaldefizit | 11,6 | 9,8 |
Investitionen | 4,5 | 4,5 |
Zinszahlungen | 9,6 | 9,4 |
Bereits vor dem Interimsbudget hatte die Regierungen Reformmaßnahmen angekündigt. So soll beispielsweise die Körperschaftssteuer von 24 auf 30 Prozent steigen, bestimmte Steuerfreistellungen entfallen und die Mehrwertsteuer auf Importe von 12 auf 15 Prozent angehoben werden.
Wirtschaftskrise macht externe Hilfe notwendig
Mit Ausbruch der Coronapandemie waren Touristen und damit dringend benötigte Deviseneinnahmen weggeblieben. Bereits zuvor lebte Sri Lanka über seine Verhältnisse. Viele Jahre lang war die Handelsbilanz negativ und oft wurden importierte Waren konsumiert, nicht investiert. Die öffentlichen Finanzen lagen im Argen. Die Einnahmen betrugen 2021 nur 8,9 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, die Ausgaben hingegen 21,5 Prozent, so der IWF. Das Verschuldungsniveau erreichte Ende 2021 rund 107,2 Prozent des BIP. Das Finanzministerium sieht diesen Wert bei sogar 114,4 Prozent und gibt an, dass rund 47 Prozent der Schulden in ausländischen Währungen denominiert sind.
Im Mai 2022 trat die offizielle Zahlungsunfähigkeit ein. Neben der Verschuldung im Ausland wurde die CBSL zur Finanzierung der Staatsausgaben genutzt. Das Gelddrucken sorgt, im Zusammenspiel mit Preissteigerungen bei Importgütern wie beispielsweise Öl, für eine stark steigende Inflation. Laut der CBSL lag die Preissteigerung auf der Insel im Juli 2022 bei 66,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Steigende Preise entwickeln sich immer mehr zum Problem und vergrößern die Armut im Land. Die Vereinten Nationen gehen in einem Report vom August 2022 davon aus, dass 5,7 Millionen Einwohner (Bevölkerung 2022: 21,6 Millionen) humanitäre Unterstützung benötigen.