Wirtschaftsausblick | Sri Lanka
Sri Lankas Wirtschaft kehrt auf den Wachstumspfad zurück
Die wirtschaftliche Erholung macht zaghafte Fortschritte. Es nahen jedoch Wahlen, die den Reformkurs und das Wachstum beeinflussen könnten. Deutsche Firmen stehen zum Standort.
26.06.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Wirtschaftsentwicklung: Finanzielle Hilfe bleibt notwendig
Derzeit ist Sri Lanka auf die Unterstützung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen. Im März 2023 einigten sich die Parteien auf ein Hilfsprogramm in Form einer sogenannten "erweiterten Fondsfazilität", die dem Land in mehreren Tranchen insgesamt 3 Milliarden US-Dollar (US$) zur Verfügung stellt. Die Hilfen sind an Reformen geknüpft: So soll beispielsweise die Steuerverwaltung effizienter und transparenter werden. Zudem fordern die Experten eine Liberalisierung des Außenhandels.
Nach zwei ausgezahlten Hilfstranchen von je 333 Millionen US$ begutachteten IWF-Experten die Lage zuletzt erneut. Mitte Juni 2024 bescheinigten sie dem Land Fortschritte und gaben die Auszahlung weiterer 333 Millionen US$ frei. Allerdings verweisen die Sachverständigen auf die nach wie vor fragile wirtschaftliche Lage. Entwicklungen, die den Aufschwung gefährden können, sind beispielsweise nachlassende Reformbemühungen bei der Erzeugung von Staatseinnahmen, aber auch schwankende Rohstoffpreise. Zudem ist Sri Lanka aufgefordert, mit seinen Kreditgebern Einigungen über Schuldenschnitte zu erreichen. Insbesondere die Verhandlungen mit China gelten als schwierig.
Höherer Tourismus stützt die Wirtschaft
Bei der Aufarbeitung der wirtschaftlichen Krise der vergangenen Jahre sind erste Erfolge sichtbar. So konnte die Regierung die Einnahmen erhöhen und es kommen wieder mehr Touristen auf die Insel. Im Jahr 2023 wuchs die Zahl der Besucher um 106 Prozent. Insgesamt wurden 1,5 Millionen Touristen gezählt, meldet die Sri Lanka Tourism Development Authority. Die Ankunftszahlen für Januar bis Mai 2024 lagen bereits bei knapp 900.000 Personen und lassen vermuten, dass im laufenden Jahr deutlich mehr Touristen als 2023 Sri Lanka besuchen werden.
Das trägt zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung bei. Die Weltbank prognostiziert nach zwei Jahren erstmals wieder ein positives Wachstum des Bruttoinlandsproduktes. Es soll 2024 um 2,2 Prozent zulegen. Hintergrundinformationen zu diesen und weiteren Wirtschaftsdaten bietet unsere Reihe Wirtschaftsdaten kompakt.
Volkswirte gehen davon aus, dass das Baugewerbe 2024 wieder wachsen wird, nachdem es während der Wirtschaftskrise nahezu zum Stillstand gekommen war. Zudem sind steigende Touristenzahlen der Haupttreiber für Wachstum im Dienstleistungssektor.
Auf niedrigem Niveau erholen sich auch die Investitionen der Unternehmen. Die Weltbank erwartet 2024 ein Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen von 2,5 Prozent. Von staatlicher Seite sind aufgrund der angespannten Haushaltslage infolge der Schuldenkrise keine nennenswerten Investitionsimpulse zu erwarten.
Der Wirtschaftseinbruch der vergangenen Jahre hat zu deutlichen Wohlstandsverlusten bei den Verbrauchern geführt, daher wird sich der private Konsum etwas schwächer erholen. Im Jahr 2023 betrug die Armutsrate (Bevölkerungsanteil mit einem Einkommen von 3,65 US$ pro Tag) rund 26 Prozent. Auch im Jahr 2026 wird sie voraussichtlich noch über 22 Prozent betragen. Beim Rückgang der Armutsrate dürfte die gesunkene Inflationsrate helfen. Laut Asian Development Bank (ADB) soll sie von 17,4 Prozent im Jahr 2023 auf 7,5 Prozent im Folgejahr zurückgehen.
Im Jahr 2023 verzeichnete die Inselnation den ersten Leistungsbilanzüberschuss seit 1977 aufgrund steigender Tourismuseinnahmen und höherer Rücküberweisungen von im Ausland lebenden Sri Lankern. In der 2. Hälfte 2023 fielen zahlreiche der während der Wirtschaftskrise eingeführten Importrestriktionen. Für 2024 geht die ADB von weiteren Lockerungen aus, darunter bei der Einfuhr von Fahrzeugen. Daher werden die Importe 2024 wahrscheinlich höher ausfallen als im Vorjahr. Weil der Export, auch aus der wichtigen Textilbranche, weiterhin unter der langsam wachsenden Weltwirtschaft leidet, dürfte sich 2024 das Handelsbilanzdefizit vergrößern. Dadurch schmilzt der Leistungsbilanzüberschuss.
Top-Thema: Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stehen an
Die Wahlkommission hat Präsidentschaftswahlen für den Zeitraum zwischen Mitte September und Mitte Oktober 2024 terminiert. Im Jahr 2025 sollen dann Parlamentswahlen folgen. Traditionell hat dabei die Partei, die den Präsidenten stellt, gute Chancen auf hohe Stimmanteile.
Beobachter weisen darauf hin, dass die Präsidentschaftswahl das Risiko birgt, dass Sri Lanka von seinem eingeschlagenen Konsolidierungs- und Reformpfad abweicht. Um die Mehrheit der Stimmen zu erhalten, könnten die Kandidaten sich zu populistischen Versprechungen hinreißen lassen. Dies würde den fragilen Aufschwung gefährden und die mittelfristigen Wachstumsaussichten deutlich eintrüben. Umso genauer werden Beobachter daher auf den Wahlkampf schauen.
Deutsche Perspektive: Unternehmen zeigen sich resilient
Deutsche Unternehmen scheinen von den wirtschaftlichen Turbulenzen weitgehend unbeeindruckt. Sie zeigten auch auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise keine Rückzugstendenz. Ganz im Gegenteil: Es gab sogar Bekenntnisse zum Standort. So kündigte der Automobilzulieferer Continental im Februar 2024 an, weitere 14 Millionen US$ investieren zu wollen. Der Investitionszeitraum beträgt drei Jahre und das Geld fließt in die Produktion von Spezialreifen am Standort Kalutara.
Die wirtschaftliche Erholung wird noch ein Weile dauern, die Stimmung ist jedoch wieder deutlich zuversichtlicher. Dementsprechend äußert sich Marie Antonia von Schönburg, die Delegierte der deutschen Wirtschaft in Sri Lanka:
Die verbesserte wirtschaftliche Lage spiegelt sich im bilateralen Handel wider. Sofern er sich weiter so wie im 1. Quartal 2024 entwickelt, stehen am Jahresende sowohl bei Exporten als auch bei Importen leicht höhere Werte als im Vorjahr zu Buche. Falls die Einfuhrhürden für Kfz fallen, ist ein stärkerer Anstieg der Importe aus Deutschland möglich.
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