Wirtschaftsausblick | Südafrika
Reformprozess könnte Südafrikas Wachstum beschleunigen
Die wirtschaftlichen Aussichten haben sich nach den Parlamentswahlen verbessert. Entscheidend ist, ob die Regierung die dringend notwendigen Reformen zeitnah und effektiv umsetzt.
13.12.2024
Von Jenny Tala | Johannesburg
Top-Thema: Südafrika übernimmt G20-Vorsitz
Am 1. Dezember 2024 beginnt die einjährige G20-Präsidentschaft Südafrikas. Auf das Land am Kap kommt damit einiges zu: Schätzungsweise 200 Termine zwischen Ministern und hochrangigen Politikern muss das Gastgeberland im Präsidentschaftsjahr organisieren. Highlight ist der G20-Gipfel am 27. und 28. November 2025 in Johannesburg, zu dem die Staatsoberhäupter aus allen 19 Mitgliedstaaten sowie Repräsentanten der EU und der Afrikanischen Union, die seit 2023 offizielles Mitglied der G20 ist, erwartet werden.
Für Südafrika ist die Präsidentschaft eine gute Gelegenheit, sich auf der internationalen Bühne zu positionieren – auch wirtschaftspolitisch. Auf der Agenda der im Mai gewählten 11-Parteien-Regierung für das G20-Jahr steht eine Reihe von Themen. Priorität haben die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die Armutsbekämpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Präsident Cyril Ramaphosa will die Präsidentschaft aber nicht nur zur Vertretung nationaler Interessen nutzen, sondern sieht Südafrika als Sprachrohr für den gesamten Kontinent und den globalen Süden.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstumsaussichten leicht verbessert
Die Wachstumsaussichten für die südafrikanische Wirtschaft haben sich leicht verbessert. Nach einer Stagnation im 1. Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 2. Quartal um 0,4 Prozent. Im dritten Quartal hingegen blieb das BIP-Wachstum hinter den Erwartungen zurück und sank um 0,3 Prozent. Hauptursache dafür war ein dürrebedingter Rückgang in der Landwirtschaft um 28,8 Prozent.
Nachdem mehrere Institute ihre Wachstumsprognosen für 2024 in der 1. Jahreshälfte auf bis zu 0,9 Prozent gesenkt hatten, wird aktuell ein BIP-Wachstum von 1,1 Prozent erwartet. Die Prognosen für 2025 reichen von 1,5 (Internationaler Währungsfonds) bis 2,6 Prozent (Economist Intelligence Unit).
Regierung muss Reformprozess vorantreiben
Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Mitte November ihren Wirtschaftsausblick für Südafrika von "stabil" auf "positiv" angehoben. Begründet wird die Entscheidung mit der gestiegenen politischen Stabilität nach den Parlamentswahlen im Mai und den Reformimpulsen der neuen Regierung, die Wachstum und private Investitionen ankurbeln dürften. Die positive Entwicklung spiegelt sich auch im Business Confidence Index des Bureau for Economic Research und der Bank RMB wider, der im 4. Quartal zum dritten Mal in Folge stieg. Das Ende der gezielten Stromabschaltungen (Load Shedding) durch den staatlichen Stromversorger Eskom im März 2024 sorgte für eine deutliche Entspannung in allen Branchen.
Entscheidend für das mittelfristige Wachstum wird sein, ob Südafrika seine massiven Infrastrukturdefizite beheben kann. Besonders gravierend sind die logistischen Engpässe im Schienen- und Hafenbetrieb. Die Regierung plant eine Teilprivatisierung in beiden Bereichen, doch die Fortschritte verlaufen schleppend. Unternehmen aus dem Bausektor berichten, dass viele Vorhaben bewilligt sind, aber aufgrund fehlender öffentlicher Mittel nicht in Gang kommen.
Zudem belastet die hohe Staatsverschuldung von 76 Prozent des BIP den Haushalt. Prognosen zufolge wird die Verschuldung weiter steigen. Der IWF drängt Südafrika, die Umsetzung der Reformagenda zu beschleunigen und sich ehrgeizigere Ziele für die Haushaltskonsolidierung zu setzen.
Die Kauflaune steigt wieder
Die südafrikanische Zentralbank SARB senkte im November den Leitzins auf 7,75 Prozent. Das Verbrauchervertrauen stieg im 3. Quartal auf ein Fünfjahreshoch und sorgte für höhere Konsumausgaben der privaten Haushalte. Eine weitere Senkung des Leitzinses wird erwartet, um Konsum und Investitionen anzukurbeln. Zur steigenden Kauflaune trägt auch die deutlich niedrigere Inflation bei, die im Oktober auf 2,8 Prozent sank – den niedrigsten Wert seit Juni 2020. Hauptursache dafür ist der Rückgang der Kraftstoffpreise, bedingt durch gesunkene Ölpreise und eine Aufwertung der Landeswährung.
Arbeitslosenzahlen sinken leicht
Die Arbeitslosenquote sank im 3. Quartal auf 32,1 Prozent, von 33,5 Prozent im 2. Quartal. Das entspricht 8 Millionen Arbeitslosen, dem niedrigsten Stand seit fast einem Jahr. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher liegen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen hat für Südafrikas Regierung parteiübergreifend Priorität und wird ausschlaggebend für den Erfolg der Koalition sein.
Wirtschaft hofft auf Verlängerung des Handelsprogramms AGOA
Zentrales Anliegen der exportorientierten südafrikanischen Wirtschaft ist die Verlängerung des African Growth and Opportunity Act (AGOA), ein einseitiges Präferenzabkommen der USA mit 32 afrikanischen Ländern. Südafrika profitiert im Rahmen des Programms von zollfreiem Zugang zum US-Markt für über 1.800 Produkte. Auch viele deutsche Unternehmen in Südafrika exportieren unter AGOA in die USA. Das Programm endet im September 2025. Experten erwarten, dass der neue US-Präsident Trump Verlängerung und Konditionen von AGOA in Frage stellen wird.
Deutsche Perspektive: Unternehmen blicken wieder optimistischer in die Zukunft
Das verbesserte politische und wirtschaftliche Klima wirkt sich auch auf deutsche Unternehmen in Südafrika aus. Deutsche Firmenvertreter aus dem Energiebereich, der Baubranche und dem verarbeitenden Gewerbe berichten von einer deutlich gestiegenen Nachfrage seit Mitte des Jahres.
Im Vorfeld der Wahlen waren viele Investitionen zurückgehalten worden. Dies spiegelt sich auch in den Handelszahlen des 1. Halbjahres 2024 wider. Im Vergleich zur Vorjahresperiode brach der deutsch-südafrikanische Handel in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres um 12,2 Prozent ein. Der Rückgang ist vor allem auf die Importe zurückzuführen, die um 17,3 Prozent sanken. Insbesondere die Importe von Rohstoffen (Erze, Schlacken, Aschen, Perlen, Edelsteine und Metalle) sowie von Mineralbrennstoffen und -ölen (einschließlich Kohle) gingen zurück. Die deutschen Exporte nahmen um 5,5 Prozent ab. Die stärksten Verluste verzeichneten die Warengruppen Fahrzeuge und anorganische Chemikalien.