Wirtschaftsumfeld | Südafrika | Konjunktur
Wirtschaftslage verschlechtert sich
Die südafrikanische Zentralbank hat die Wachstumsprognosen für Südafrika deutlich herabgesetzt. Grund dafür sind die vermehrten Stromausfälle.
17.02.2023
Von Fausi Najjar | Johannesburg
Die Energieknappheit hat sich in Südafrika zum größten ökonomischen Risiko entwickelt und trübt die Wachstumsperspektiven stark ein. Deswegen hat der südafrikanische Staatschef Cyril Ramaphosa am 9. Februar 2023 in seiner Rede zur Lage der Nation die Energiekrise zum nationalen Notstand ausgerufen und weitere Maßnahmen gegen die Stromknappheit angekündigt.
Die gesteuerten Abschaltungen (sogenannte Lastabwürfe) werden in Südafrika schon seit 2007 praktiziert; Sie waren zunächst aber sporadisch und beschränkten sich auf wenige Stunden am Tag. In den letzten Jahren sind die Rationierungen deutlich ´mehr geworden.
Seit Anfang 2023 sind Lastabwürfe von vier bis zu zwölf Stunden an der Tagesordnung. Die Aussichten für eine deutliche Minderung der Versorgungslücken im Verlauf des Jahres 2023 sind düster: Der Kraftwerkspark des staatlichen Elektrizitätskonzerns Eskom ist marode und muss komplett überholt werden. Der Aufbau von neuen Kapazitäten hinkt hinterher.
Zentralbank schraubt Wachstumserwartungen herunter
Ende Januar 2023 hat die südafrikanische Zentralbank (South African Reserve Bank, SARB) infolge der Energiekrise Alarm geschlagen und die Wachstumsaussichten für 2023 auf 0,3 Prozent heruntergesetzt. Noch im November des Vorjahres lag die Vorhersage für 2023 bei 1,1 Prozent. Auch die Prognosen für 2024 und 2025 werden deutlich nach unten korrigiert.
Die Revision begründet die SARB mit den hohen Lastabwürfen im Land. Die SARB rechnet alleine für den Januar 2023 - je nach Höhe des Lastabwurfs - mit Verlusten für die Wirtschaft von täglich umgerechnet 11 bis 49 Millionen Euro. In der Erwartung steigender Energie- und Nahrungsmittelpreise hat die Zentralbank im Januar 2023 auch den Leitzins um 25 Basispunkte auf 7,25 Prozent erhöht.
2023 | 2024 | 2025 | |
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Prognose Januar 2023 | 0,3 | 0,7 | 1,0 |
Prognose November 2022 | 1,1 | 1,4 | 1,5 |
Das südafrikanische Wirtschaftsinstitut Bureau for Economic Research (BER) zieht ähnliche Schlüsse aus der fehlenden Elektrizität und pflichtet der Zentralbank bei. Vor allem die jetzt üblichen hohen Lastabwürfe von 4.000 Megawatt (MW) oder mehr würden der Wirtschaft schaden.
Positiver fallen hingegen die Erwartungen des Finanz- und Medienunternehmens Bloomberg aus. Auf Basis einer Umfrage bei Ökonomen im Januar ermittelt Bloomberg für 2023 ein Realwachstum von 1,3 Prozent. Allerdings gehen 45 Prozent der befragten Experten von einer Rezession in Südafrika aus. Einen Monat zuvor lag die Quote noch bei 35 Prozent. Auch der Internationale Währungsfonds und die Economist Intelligence Unit rechnen weiterhin mit mehr als einem Prozent Wachstum. In den kommenden Monaten könnte die Wachstumsprognosen allerdings weiter herabgestuft werden.
Folgen der Stromausfälle schwer abzusehen
Die wirtschaftlichen Folgen der Stromunterbrechungen sind nur schwer einzuschätzen. Experten gehen davon aus, dass bei linear zunehmenden Lastabwürfen die Kosten für die Wirtschaft exponentiell steigen. Demzufolge ist ein Kapazitätseinschränkungen von 4.000 MW mehr als doppelt so teuer wie ein Lastabwurf von 2.000 MW. Hauptleidtragende der Abschaltungen sind kleinere Unternehmen ohne Finanzspielräume für die Anschaffung von Notstromaggregaten. Jüngst hat die große Johannesburger Lokalzeitung The Sowetan auf ihrer Titelseite Unternehmen publikumswirksam gelistet, die aufgrund fehlender Elektrizität in Konkurs gegangen sind.
Auch im Agrarsektor schlagen Beobachter Alarm. Denn die Landwirtschaft braucht Strom nicht nur für die Nahrungsmittelverarbeitung oder zur Sicherung von Kühlketten. In dem trockenen Land gewährleisten Pumpen eine stetige Bewässerung. Auch Haushalte leiden wegen ausfallender Bewässerungssystemen unter Wassermangel. Neben der verarbeitenden Industrie ist auch im Bergbau die Energiekrise zu spüren. Betroffen ist vor allem die Raffinierung und Schmelze der für das Land wichtigen Industriemetalle.
Südafrikas wirtschaftliches Potenzial bleibt unausgeschöpft. Das Land am Kap verfügt über die auf dem afrikanischen Kontinent am weitesten entwickelte Ökonomie. Eine diversifizierte Industrie, ein moderner Finanzsektor, eine produktive Landwirtschaft und reiche Vorkommen an begehrten Industriemetallen prägen die Wirtschaft. Dennoch steht Südafrika vor enormen Herausforderungen: Neben Stromausfällen beeinträchtigen hohe Arbeitslosigkeit, Korruption, ausgeprägte soziale Ungleichheit sowie Ausbildungsdefizite die wirtschaftliche Entwicklung.