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Südafrika legt Roadmap vor
Mit dem im Februar 2022 präsentierten Strategieplan konkretisiert die Regierung ihre Pläne zur Nutzung von Wasserstoff.
04.03.2022
Von Fausi Najjar | Johannesburg
Der südafrikanische Forschungsminister Blade Nzimande hat am 17. Februar 2022 einen auf mehr als 10 Jahre angelegten Strategieplan zur Entwicklung der Wasserstoffindustrie vorgelegt. Die Hydrogen Society Roadmap umfasst vier Großvorhaben, die den Sektor anschieben sollen: die Betankung von Flugzeugen mit nachhaltigem Kerosin, der Industriekorridor Platinum Valley Initiative (PVI), der Export von Wasserstoff und Ammoniak sowie die chemische Umwandlung von Abgasen mittels grünem Wasserstoff.
Standortvorteile sollen genutzt werden
Die Roadmap setzt auf die im Land gegebenen Kompetenzen bei der Kohleverflüssigung sowie auf die guten naturräumlichen Voraussetzungen für die Solar- und Windkraft. Nicht zuletzt will Südafrika seine Rohstoffe nutzen. Mit einem Anteil von 75 Prozent ist das Land weltweit größter Produzent von Metallen der Platingruppe. Platinmetalle werden sowohl bei der Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion als auch in Brennstoffzellen verwendet.
Unterstützen will der südafrikanische Staat die grüne Wasserstoffindustrie vor allem anhand von Beteiligungen im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften, bei der Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen, mittels Planungs- und Koordinierungsleistungen sowie mit Geldern für Forschung und Ausbildung.
Nachhaltiger Kraftstoff für die Luftfahrt
Der südafrikanische Chemiekonzern Sasol setzt schon seit Jahrzehnten in großem Maßstab die Fischer-Tropsch-Technologie für die Umwandlung von Kohle in Flüssigtreibstoff ein. Für die Herstellung von grünem Flugbenzin am Standort Secunda hat Sasol im April 2021 eine Partnerschaft mit dem deutschen Gashersteller Linde, dem deutschen Energieunternehmen Enertrag sowie der südafrikanischen Entwicklungs- und Finanzholding Navitas angekündigt. Das Gasgemisch zur Herstellung des Kerosins setzt sich aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid zusammen. Letzteres wird aus Biomasse, Industrieabgasen oder aus der Atmosphäre gewonnen. Offenbar geht die Diskussion gegenwärtig in Richtung Nutzung von Agrarflächen zur Mobilisierung von Kohlenstoff. Dies ist angesichts der möglichen Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion nicht unumstritten.
Näher an der Marktreife
Die Herstellung von grünem Flugbenzin ist trotz Herausforderungen technisch weitaus besser zu beherrschen als etwa der Einsatz von Batterien oder Wasserstoffzellen in Flugzeugen. Der Vorteil besteht darin, dass das grüne Kerosin in herkömmlichen Flugzeugtanks und Triebwerken eingesetzt werden kann. Es ist keine Entwicklung neuer Typen notwendig. Voraussetzung für einen Erfolg des Geschäftsmodells sind allerdings international bindende Quoten für die Beimischung zum herkömmlichen Kerosin, denn der grüne Flugsprit ist bei der Herstellung deutlich teurer als der fossile Brennstoff.
Initiative zur Nutzung der Platinvorkommen
Das südafrikanische Forschungsinstitut für die Energiewirtschaft Sonedi hat im Oktober 2021 eine Potenzialanalyse zur Entwicklung des Wasserstoffsektors veröffentlicht. An der Studie haben sich das Bergbauunternehmen Anglo-American Platinum, der Brennstoffzellenhersteller Bambili Energy und das französische Energieunternehmen Engie beteiligt.
Mehrere Schwerpunkte im Platinkorridor
Die grünen Wasserstoff-Hubs in der PVI liegen räumlich auf einem grob umrissenen Korridor von Mogalakwena in der Provinz Limpopo über Johannesburg zu den Hafenstädten Durban und Richards Bay. Schwerpunkt für den Wasserstoffeinsatz bei Muldenkippern und weiteren Anwendungen im Bergbau ist Mogalakwena. In Johannesburg stehen die Anwendungsbereiche Industrie und Gebäude im Fokus. In den Hafenstädten Durban und Richards Bay soll die Wasserstoffindustrie insbesondere für den Schwertransport in die Agglomeration Johannesburg-Pretoria und für Hafenaktivitäten gefördert werden. Potenzial - so die Studie - gäbe es außerdem bei der Produktion von Ammoniak und Ethylen, aber auch in der Stahl- und Papierindustrie.
Export von grünem Wasserstoff
Gegenwärtig realisiert Sasol eine Machbarkeitsstudie für die Herstellung und den Export von grünem Wasserstoff und grünem Ammoniak in Boegoebaai (Provinz Northern Cape). Grüner Ammoniak spielt für die zukünftige Wasserstoffwirtschaft eine immer größere Rolle, da das Ammoniakgas Wasserstoff für den Transport speichern kann.
Die Regierung der sonnenreichen Provinz Northern Cape will 2030 für Boegoebaai gigantische 2.400 Quadratkilometer für die Solarkraft für die Versorgung von Elektrolyseanlagen zur Produktion von Wasserstoff zur Verfügung stellen. Boegoebaai liegt an der Küste, 60 Kilometer nördlich der kleinen Stadt Port Nolloth. Für den Standort müsste erst ein Tiefseehafen gebaut und der Anschluss ans Schienennetz hergestellt werden.
Umwandlung von Abgasen
Ein weiterer Roadmap-Schwerpunkt zielt unter der Bezeichnung CoalCO2-X darauf ab, bei der Verbrennung von Kohle entstehende Gase, wie Kohlendioxid, Schwefeloxide und Stickoxide mit grünem Wasserstoff chemisch zu binden, um dann Produkte wie Düngemittel und Schwefelsäure herzustellen. Für diesen Ansatz hat das südafrikanische Bildungs- und Forschungsministerium umgerechnet 2,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Im Fokus steht die Rauchgas-Konversion in der Zementindustrie.