Wirtschaftsumfeld | Südafrika | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Arbeitsmarkt
Ausbildungsdefizite, fehlende Fachkräfte, gesellschaftliche Ungleichheit sowie ein hoher staatlicher Regulierungsgrad belasten den Arbeitsmarkt in Südafrika.
18.02.2022
Von Fausi Najjar | Johannesburg
Im Vergleich zu den anderen Ländern in Subsahara-Afrika profitiert Südafrika von einem sehr großen Pool an qualifizierten Kräften. Mit einer breit aufgestellten Industrie, starken Finanzdienstleistungen und einer ausgebauten Logistik bleibt das Kapland zentraler Wirtschaftsstandort auf dem afrikanischen Kontinent.
Zieht man hingegen andere Schwellenländer wie Mexiko und Vietnam als Maßstab heran, fällt die Wettbewerbsfähigkeit des südafrikanischen Arbeitsmarktes deutlich zurück. Bezeichnend ist die in den letzten Jahren gewachsene Lücke zwischen dem Angebot an qualifizierten Arbeitskräften und dem Bedarf einer teils hochmodernen Wirtschaft.
Bei Beschäftigung und Einkommen gibt es in Südafrika ein starkes Gefälle zwischen der weißen Bevölkerungsminderheit und der während der Rassendiskriminierung benachteiligten Bevölkerungsmehrheit.
Bevölkerung (in Mio.) | 60,2 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.) | 39,7 |
Erwerbstätige (in Mio.) | 14,3 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) | 34,9 |
Analphabetenquote (in %) | 5,4 |
Universitätsabschluss (in %) | 6,0 |
Nur moderater Abbau der Arbeitslosigkeit
Im Jahr 2021 ist der Arbeitsmarkt nicht angesprungen, trotz eines realen Wachstums des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von knapp 5 Prozent. Im Gegenteil: Im 3. Quartal 2021 hat die Arbeitslosenquote den historischen Höchststand von 34,9 Prozent erreicht. Besonders dramatisch fällt die Erwerbslosigkeit bei jungen Menschen aus. Für 2022 ist mit einer nur langsamen Reduzierung der Arbeitslosenzahlen zu rechnen.
Geringe Beschäftigungsquote
Südafrika hat eine Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von knapp 40 Millionen Menschen, von denen lediglich 14,3 Millionen regulär beschäftigt sind. Im letzten Jahrzehnt konnten Privatunternehmen, und hier vor allem kleinere und mittlere Firmen, nur eine geringe Dynamik entwickeln und somit wenig neue Arbeitsplätze schaffen. Grund hierfür ist das schwache Wachstum im verarbeitenden Gewerbe und da besonders der Bedeutungsverlust beschäftigungsintensiver Industriebranchen wie der Textilindustrie.
Weitaus schneller als in der Privatwirtschaft ist die Beschäftigung im öffentlichen Sektor gewachsen. Mit 3 Millionen sind die Beschäftigten des öffentlichen Bereichs überproportional vertreten. Auch in den Dienstleistungssparten gab es in den letzten Jahrzehnten große Zuwächse. Die Fähigkeit des informellen Sektors, Arbeitskräfte aufzunehmen, gilt in Südafrika als gering.
Zu niedriges Ausbildungsniveau
Das Ausbildungsniveau bleibt unter den Anforderungen der Wirtschaft. Dies trotz großer Bemühungen seit den 1990er-Jahren, bei Bildung und Ausbildung die systematische Vernachlässigung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit wettzumachen.
Oftmals verfügen Schulabgänger nicht über ausreichende Grundkenntnisse und Kompetenzen. Insbesondere bei IT-Fachkräften, technischen Berufen, Ingenieuren, aber auch bei Lehrkräften ist der Mangel eklatant. Die Quote der Hochschulabsolventen bleibt gering.
Rekrutierung von Fachkräften eine große Herausforderung
Schwache Wirtschaftsaussichten und eine Politik der positiven Diskriminierung von Schwarzen fördern die Abwanderung von weißen Fachkräften. Die Anwerbung von qualifizierten Mitarbeitern aus dem Ausland gestaltet sich wegen der Einwanderungsauflagen schwierig. Arbeitgeber schließen oftmals ihre personellen Lücken, indem sie kleinere Unternehmen für Ingenieurdienstleistungen und weitere Serviceleistungen in Anspruch nehmen. Notgedrungen müssen sich Unternehmen oftmals selbst um die Fort- und Weiterbildung kümmern.
Deutschland unterstützt die berufliche Ausbildung
Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Sequa gGmbH sind in Kooperation mit der deutschen Wirtschaft in Südafrika mit diversen Programmen in der Berufsausbildung engagiert. Das Kompetenzzentrum Training der Auslandshandelskammer (AHK) Südliches Afrika unterstützt die duale Ausbildung im südlichen Afrika. In Südafrika gibt es mehr als 360 öffentliche Berufsschulen (Technical and Vocational Education and Training; TVET). Beobachter bemängeln hierbei die Unterfinanzierung und den oftmals fehlenden Praxisbezug.
Gleichstellungsmaßnahmen sollen verschärft werden
Das Gesetz Employment Equity Act regelt die gezielte Vorteilsgewährung von Beschäftigten aus der unter der Rassentrennung diskriminierten, überwiegend schwarzen Bevölkerungsmehrheit. In Zukunft soll das südafrikanische Arbeitsministerium Beschäftigungsquoten für benachteiligte Gruppen selbst festlegen. Unternehmen, die aufgrund von Fachkräftemangel ihre festgesetzten Beschäftigungsquoten nicht erfüllen können, erhalten keine Zertifizierung und werden von Geschäften mit dem Staat ausgeschlossen.
Die südafrikanische Wirtschaftspolitik zielt in hohem Maße auf die Förderung der während der Apartheid unterdrückten Bevölkerungsmehrheit (Broad-based Black Economic Empowerment). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass kleinere Unternehmen von den Auflagen in der Regel nicht betroffen sind.
Gewerkschaften spielen eine zentrale Rolle
Südafrikas Gewerkschaften haben eine wichtige politische, wirtschaftliche und historische Rolle. Im privaten Sektor sind rund 24 Prozent der Belegschaft gewerkschaftlich organisiert; im öffentlichen Sektor sind es 69,2 Prozent. Mit circa 80 Prozent ist in der Privatwirtschaft im Bergbau ein besonders hoher Organisationsgrad zu verzeichnen, gefolgt von der verarbeitenden Industrie (rund 30 Prozent). Innerhalb der Industrie sind Gewerkschaften vor allem in der Automobil- und Metallindustrie vertreten.
Die Streikhäufigkeit ist in Südafrika starken jährlichen Schwankungen ausgesetzt. Der streikbedingte Ausfall von Arbeitszeiten kann hoch sein. Wegen des tief sitzenden Misstrauens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern können sich Tarifauseinandersetzungen schwierig gestalten. Zwischen Polizei und privaten Sicherheitskräften einerseits und Streikenden andererseits kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen. Gesetzliche Regelungen zur Schlichtung zwischen den Tarifparteien sind kaum gegeben.