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Rechtsbericht Südkorea Coronavirus

Südkorea: Coronavirus und Verträge

Das Coronavirus stellt Unternehmen im deutsch-südkoreanischen Geschäftsverkehr vor Herausforderungen: Was passiert, wenn vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden können? (Stand: 06.04.2020)

Von Julia Merle | Bonn

Einleitung

Auch Südkorea ist vom Coronavirus stark betroffen. Die Ausrufung der höchsten Alarmstufe erfolgte, viele behördliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung wurden ergriffen.

Fraglich ist, ob sich betroffene Unternehmen in der gegenwärtigen Situation auf „höhere Gewalt“ berufen können und so eventuell im Falle der Unmöglichkeit der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen (z.B. Warenlieferung) nicht dafür haften.

Bei bestehenden grenzüberschreitenden Verträgen wäre zunächst im Einzelfall zu prüfen, welchem Recht sie unterliegen, ob etwa eventuell das UN-Kaufrecht zur Anwendung kommt oder ob die Parteien ein bestimmtes nationales Recht vereinbart haben - vielleicht ein anderes als das deutsche oder südkoreanische.

Welche Regelungen trifft das südkoreanische Recht zur „höheren Gewalt“?

Eine Generalklausel dazu existiert nicht, die „höhere Gewalt“ (불가항력/不可抗力; force majeure) findet sich vielmehr in Bestimmungen verschiedener Gesetze. Beschränkungen der möglichen Ereignisse höherer Gewalt gibt es nicht.

Rechtsfolgen können die Befreiung von Leistungs- und Schadensersatzpflichten oder die Verlängerung der Verjährungsfrist sein.

Gemäß Art. 390 Zivilgesetzbuch (Civil Act; CA) macht sich der Schuldner grundsätzlich gegenüber dem Gläubiger schadensersatzpflichtig, wenn er seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Erfüllung der Leistungspflicht unmöglich geworden ist und diese Unmöglichkeit nicht auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schuldners beruht (also kein Verschulden vorliegt). In dem Fall wäre der Schuldner von der Haftung befreit.

Höchstrichterliche Entscheidungen verdeutlichen, dass hierfür der vertragsbrüchigen Partei die Versäumnis nicht vorwerfbar sein darf, etwa weil sie trotz ausreichend Zeit und Mitteln nicht die Folgen des Ereignisses höherer Gewalt gemindert hat; oder dass das Ereignis tatsächlich nicht doch im Machtbereich der Partei liegen darf. Somit können trotz Vorliegens höherer Gewalt unter Umständen Schadensersatzansprüche entstehen.

Nach dem CA bleibt es in Sonderfällen bei der Haftung auf Schadensersatz (vgl. Art. 308, 336 CA).

Auch das Handelsgesetzbuch (Commercial Act) behandelt die höhere Gewalt: So hat nach Art. 709 Abs. 1 der Versicherer eine Entschädigung zu leisten, wurde die versicherte Ladung während der Reise wegen höherer Gewalt verkauft. Ein Beförderer im Seehandel ist von der Haftung befreit, kann er Vorliegen von force majeure und Kausalität beweisen (Art. 796 Nr. 2). Es sei denn, er hat nicht die gebotene Sorgfalt angewendet, durch die der Schaden hätte verhindert werden können. Artikel 796 Nr. 5 nennt Quarantäne- und andere behördliche Einschränkungen. Nach Art. 810 Abs. 1 Nr. 4 stellt der Untergang der Fracht durch force majeure einen Kündigungsgrund dar. Jede Partei kann gemäß Art. 811 Abs. 1 den Vertrag kündigen, wenn dessen Zweck aufgrund höherer Gewalt nicht erreicht werden kann. Art. 823 greift, wenn ein auf See zu befördernder Passagier infolge des Eintritts höherer Gewalt wie Tod oder Krankheit die Reise nicht antreten kann oder solch ein Grund nach Abreise eintritt; der Beförderer kann den Fahrpreis teilweise ersetzt verlangen. Weitere Bestimmungen (wie Art. 748, 806, 812 zum Seehandel, Art. 913, 931 zum Luftfrachtgeschäft) erwähnen force majeure.

Artikel 182 CA sieht zur Verjährung eines Anspruchs vor, dass diese, wenn eine Unterbrechung aufgrund einer Naturkatastrophe oder „eines anderen Unfalls“ unmöglich ist, nicht endgültig ist, bis ein Monat ab dem Zeitpunkt, zu dem das Hindernis nicht mehr besteht, vergangen ist.

Das Wechselgesetz (Bills of Exchange and Promissory Notes Act; WG) bestimmt in Art. 54 Abs. 1, dass die Frist verlängert wird, ist es aufgrund eines unüberwindlichen Hindernisses (gesetzliche Verbote durch Acts oder untergeordnete Rechtsakte oder andere Fälle von vis major) schwierig, innerhalb der vorgeschriebenen Frist einen Wechsel vorzulegen. Gleiches gilt für Schuldscheine, Art. 77 Abs. 1 Nr. 4 WG. Rein persönliche Tatsachen des Inhabers können kein Ereignis höherer Gewalt begründen, Art. 54 Abs. 6 WG. Auch nach Art. 47 Abs. 1 Check Act kommt es zur Fristverlängerung, verhindert vis major die fristgerechte Scheckvorlage.

Was versteht die Rechtsprechung unter höherer Gewalt?

Das Oberste Gericht (Korean Supreme Court) bejaht höhere Gewalt grundsätzlich äußerst restriktiv. Nach seiner Definition meint „höhere Gewalt“ ein „Ereignis außerhalb des eigenen Machtbereichs (über das man also keinerlei Kontrolle hat), das nicht vorhergesehen oder verhindert werden konnte, obwohl man die gebotene Sorgfalt voll ausgeübt hat“. Entscheidend sind aber stets die Gesamtumstände des Einzelfalls.

In der Rechtsprechung gab es im Zusammenhang mit höherer Gewalt bislang wenige Entscheidungen, bezogen etwa auf Überschwemmungen. Hinsichtlich des Ausbruchs einer Virus-Epidemie oder gar des Coronavirus existieren noch keine „Präzedenzfälle“. Wie die Gerichte die Situation im einzelnen Fall bewerten werden, bleibt abzuwarten.

Was haben die Parteien vertraglich vereinbart?

Meist werden die Parteien in ihren Vertrag eine Force Majeure-Klausel aufgenommen haben, die dann vorrangig zur Anwendung kommt. Sie sollte als Erstes untersucht werden: Was wird dort unter „höherer Gewalt“ verstanden? Welche Ereignisse sind aufgeführt, z.B. Epidemien? Ist die Klausel offen formuliert oder nennt sie die Ereignisse etwa abschließend?

Auch die vereinbarten Rechtsfolgen von Ereignissen höherer Gewalt sind zu prüfen: So kann etwa nicht die vollständige Haftungsbefreiung bzw. Möglichkeit der Lösung vom Vertrag vorgesehen sein, sondern nur eine vorübergehende Aussetzung.

Ausblick

Insbesondere den Vertragspartner früh und schriftlich in Kenntnis zu setzen sowie Dokumente zu sammeln, die ggf. später als Nachweis dienen mögen, sollte erwogen werden.


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