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Special | Tadschikistan | Global Gateway

EU unterstützt Bau von Wasserkraftwerk Rogun in Tadschikistan

Die Verhandlungen zur Höhe finanzieller EU-Zusagen laufen noch. Doch das Projekt hat jetzt Priorität. Denn nicht nur Tadschikistan braucht grünen Strom, sondern ganz Zentralasien. (Stand: 09.04.2024)

Von Edda Schlager | Berlin

Der Weiterbau des Wasserkraftwerks Rogun in Tadschikistan wird nach jahrzehntelangem Aufschub konkret. Auch dank der EU, denn diese unterstützt das Land dabei, das technisch und finanziell anspruchsvolle Megaprojekt fertigzustellen. Das Kraftwerk ist eines von derzeit sechs Leuchtturmprojekten der europäischen Konnektivitätsinitiative Global Gateway in Zentralasien. Es soll nicht nur die Produktion von grünem Strom in Tadschikistan deutlich steigern, sondern so auch die Energieversorgungssicherheit in der gesamten Region Zentralasien verbessern. 

Höchster Staudamm der Welt geplant

Ganze 3.780 Megawatt Leistung soll das Kraftwerk am Fluss Vakhsh haben, wenn es in Betrieb geht. Fast 60 Jahre werden dann von den ersten Bauarbeiten im Jahr 1976 bis zum derzeit avisierten Bauabschluss im Jahr 2035 vergangen sein. Der Staudamm wäre mit 335 Metern der höchste weltweit. 

Der Zusammenbruch der Sowjetunion brachte das Bauprojekt erstmals zum Stillstand. Darauf folgten mehrere Vereinbarungen mit Russland zur Fertigstellung, die nie umgesetzt wurden. Seit 2008 wird das Projekt fortgesetzt. Im Jahr 2018 ging ein erster Kraftwerksblock mit 200 Megawatt Leistung ans Netz, 2019 ein zweiter gleichwertiger. Diese beiden Blöcke sollen auf jeweils 630 Megawatt erweitert werden. Insgesamt sollen bis 2035 dann sechs solcher Blöcke installiert sein. Damit beauftragt wurde der deutsche Technologiekonzern Voith. Für die weitere Erhöhung des Staudamms zeichnet der italienische Konzern Webuild (früher Salini Impregilo) verantwortlich, der schon mehrere Jahre an dem Projekt tätig ist.

Geplante Parameter des Wasserkraftwerks Rogun
Indikator 

Gesamtkapazität

3.780 MW 1)

Erzeugte Strommenge

13 bis 17 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr

Höhe des Staudamms

335 Meter

Staufläche

170 Quadratkilometer

Volumen des Stausees

13,3 Kubikkilometer

Phase I, bis 2028, geplant

  • Dammhöhe: 1.185 Meter über Meeresspiegel

  • installierte Leistung: 1.660 MW (400 MW der temporären Kraftwerksblöcke 5 und 6 plus 1.260 MW der neu installierten permanenten Kraftwerksblöcke 3 und 4)

Phase II, bis 2035, geplant

  • Dammhöhe: 1.300 Meter über Meeresspiegel 

  • installierte Leistung: 3.780 MW (6 neu installierte permanente Kraftwerksblöcke à 630 MW) 

  • Kosten: 3,66 Milliarden US$

1 Megawatt.Quelle: AIIB 2023

Internationale Geberorganisationen gefordert

Neben der Technologie sind die Kosten die größte Herausforderung. Wurde 2008 noch mit Gesamtkosten von rund 3 Milliarden US-Dollar (US$) geplant, gehen tadschikische und internationale Planer mittlerweile davon aus, dass weitere 6,2 Milliarden US$ aufgebracht werden müssen. Das ist mehr als die Hälfte des tadschikischen Bruttoinlandsprodukts von 130 Milliarden Somoni (TJS; circa 11,8 Milliarden US$).

Bisher wurde der Bau durch staatliche Mittel finanziert. Seit 2008 flossen 35 Milliarden TJS (circa 3,2 Milliarden US$) in das Projekt, allein im Jahr 2023 rund 456 Millionen US$, so die Regierung.

Fakt ist, ohne die Hilfe internationaler Geberinstitutionen kann das Wasserkraftwerk Rogun nicht fertiggestellt werden. Die Weltbank hat deshalb, gemeinsam mit der EU,  der Islamischen Entwicklungsbank (IsDB) und der Asiatischen Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB) ein Finanzpaket von 2,44 Milliarden US$ in Aussicht gestellt. Es wird derzeit verhandelt, was davon als Darlehen und was möglicherweise als Zuschuss erteilt wird, um die hohe Auslandsverschuldung Tadschikistans von 6,7 Milliarden US$ (Dezember 2023) im Rahmen zu halten. Weitere internationale Geber haben Zusagen erteilt.  

Auswahl bereits vereinbarter Zusagen internationaler Geberorganisationen

Geber

Förderung (in Millionen US$)

Anmerkungen

Weltbank

15

Zuschuss; bis 2026; Technische Hilfe für den Finanzierungsrahmen

AIIB

500

Vorzugsdarlehen; bis 2028 (Phase 1) 

ADB

110

Zuschuss; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm 

(wegen Überflutung der alten Straße durch den künftigen Staudamm)

AIIB

40

Darlehen; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm

EBRD

150

Darlehen; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm

OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) Fund for International Development

40

Darlehen; Bau einer Umgehungsstraße in Obigarm

Islamische Entwicklungsbank IsDB

150

Darlehen (Erhöhung auf 250 Mio. US$ wird erwogen); 

Ausschreibungslos 4, linkes Ufer, Tiefbauarbeiten

Saudi Development Fund

100

Darlehen; Ausschreibungslos 4, linkes Ufer, Tiefbauarbeiten

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

EU unterstützt mit Team-Europe-Initiative

Die EU bringt sich in das Projekt im Rahmen von Global Gateway mit der Team-Europe-Initiative (TEI) Wasser, Energie und Klimawandel in Zentralasien ein. Beteiligt sind Finnland, Frankreich, Deutschland, Lettland, Rumänien und die Slowakei als verantwortliche Mitgliedsländer sowie die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Ziele der TEI sind eine verbesserte regionale Zusammenarbeit und Governance, um die nachhaltige Entwicklung in Zentralasien zu unterstützen, sowie Investitionen in eine regional integrierte, grüne Transformation in Zentralasien. 

Noch ist der Anteil der finanziellen Unterstützung für Rogun seitens der EU nicht bekannt. Doch eine Delegation der EIB besuchte Mitte März 2024 Tadschikistan und traf sich mit allen Stakeholdern vor Ort, um weitere Schritte zu diskutieren. Laut der innerhalb der EU-Kommission zuständigen Generaldirektion Internationale Partnerschaften (DG INTPA) werde mit einer Einigung und öffentlichen Bekanntgabe bis spätestens zum 1. Quartal 2025 gerechnet. Die EU bekennt sich dazu, einer der maßgeblichen Geber des Projekts zu werden.

Künftiger Energielieferant für Zentral- und Südasien 

Rogun spielt für Tadschikistan, das von permanenter Energieknappheit betroffen ist, eine wichtige Rolle. Schon heute deckt das wasserreiche Hochgebirgsland rund 95 Prozent seines Energiebedarfs aus Wasserkraft. Mit den avisierten jährlich produzierten 13 bis 17 Milliarden Kilowattstunden würde Rogun etwa so viel Strom produzieren wie 65 bis 85 Prozent derzeit betriebenen Kraftwerke im Land.

Das Wasserkraftwerk wäre zudem ein Gewinn für ganz Zentralasien. Denn es soll auch die Hochspannungsleitung CASA-1000 (Central Asia-South Asia Power Project) versorgen, die künftig bis zu 1,3 Gigawatt Strom aus Kirgisistan und Tadschikistan nach Afghanistan und Pakistan liefern soll. Im März 2024 verkündeten die Taliban, dass eine nach ihrer Machtübernahme im Jahr 2021 gestoppte Bauphase des CASA-1000-Projekts in Afghanistan wieder aufgenommen werde. Wirtschaftliches Einbinden der von Extremismus bedrohten Region und damit die Sicherung politischer Stabilität, sind  – wenn auch nicht vordergründig genannte – Gründe der internationalen Gebergemeinschaft, das Projekt zu unterstützen.

Stromtrasse verbindet Zentralasien mit Afghanistan und Pakistan

Die 1.400 Kilometer lange Hochspannungsleitung CASA-1000 wird aus Wasserkraft erzeugten, grünen Strom aus Kirgisistan und Tadschikistan nach Afghanistan und Pakistan liefern. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 1,2 Milliarden US$. Ab Mai 2024 wird die Weltbank die Finanzierung des Abschnitts in Afghanistan wieder aufnehmen, nachdem diese im August 2021 gestoppt worden war. 

Umweltorganisationen wehren sich gegen Rogun

Obwohl das Projekt mehr grüne Energie ermöglichen soll, hat sich im März 2024 eine Gruppe aus 17 Nichtregierungsorganisationen (NGO) mit einem Appell an die von der Weltbank geleitete Gruppe aus Geberinstitutionen gewandt. Sie fordern die bereits abgeschlossene Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung unter Einbezug der Öffentlichkeit zu wiederholen. Sie sei "aufgrund ihres begrenzten Umfangs, ihrer geringen Qualität und der Nichtbeachtung der wichtigsten potenziellen Auswirkungen völlig ungeeignet." Die möglichen negativen Auswirkungen auf das Einzugsgebiet des Flusses Vakhsh, die Biodiversität und die von Umsiedlung betroffene Bevölkerung im Überflutungsgebiet des Stausees müssten vermieden werden.

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